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Politik

Die Revolution des "Green Deal" wagen

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun
11. Dezember 2019

Das geplante Klimaschutzprogramm der EU-Kommission ist nicht perfekt. Doch es ist ein unabdingbarer Anfang, um endlich ein wirtschaftliches Umdenken und echtes Handeln in Gang zu setzen, meint Stuart Braun.

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Ursula von der Leyen Amtseinführung EU-Kommissionspräsidentin
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der LeyenBild: Getty Images/AFP/K. Tribouillard

Der Klimawandel ist das global drängendste Problem. Dass die Politik es bislang nicht geschafft hat, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, hat inzwischen die größten Proteste seit Jahrzehnten ausgelöst. Trotz der 2015 im Klima-Vertrag von Paris festgelegten Ziele steigen die CO2-Emissionen weiter an - dabei müssten sie sinken. Donald Trump, Staatschef des weltweit zweitgrößten Emittenten von Treibhausgasen, bestreitet sogar, dass es den Klimawandel überhaupt gibt. Und Regierungen rund um Globus agieren wie Geiseln der Lobby für fossile Brennstoffe.

Aber es gibt einen Weg nach vorne: Eine Dekarbonisierungs-Revolution muss her! Da die sukzessive Reduktion von CO2 fehlgeschlagen ist, muss nun ein weitreichender wirtschaftlicher Transformationsprozess einsetzen. Dieser kann Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen sowie den Lebensstandard steigern, etwa durch einen besseren öffentlichen Nahverkehr oder günstigeres, klimafreundliches Heizen. Der nun in Brüssel von der Europäischen Kommission vorgestellte "Green Deal" enthält entsprechende Vorschläge.

Klimaneutrale EU bis 2050

Das als "neue Wachstumsstrategie Europas" angekündigte Klimaschutzprogramm soll die Europäische Union bis 2050 klimaneutral machen. Dabei soll ein ganzes Bündel von Maßnahmen helfen, das etwa den Verlust von Biodiversität und Ressourcenverschwendung bekämpfen will, sowie eine nachhaltigere Landwirtschaft und Strafen für Umweltverschmutzer anstrebt.

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
DW-Autor Stuart BraunBild: DW/J. Collins

Ähnlich wie der von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez in den USA vorgeschlagene "Green New Deal" in den USA oder die von der britischen Labour-Partei versprochene "grüne industrielle Revolution" hat auch der geplante "Green Deal" der EU das Ziel, das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen einzuhalten. Hierfür sollen die CO2-Emissionen bis 2030 nicht mehr nur um 40 Prozent, sondern sogar um 50 bis 55 Prozent reduziert werden.

Aber es ist fraglich, ob der "Green Deal" von den 28 EU-Mitgliedsstaaten wirklich abgesegnet wird. Denn Widerstände, unter anderem von Polen, Ungarn und Tschechien, zeichnen sich bereits ab. Anderen gehen die Pläne hingegen nicht weit genug: Jeremy Wates, der Generalsekretär des Europäischen Umweltbüros bemängelte zum Beispiel, dass kaum Maßnahmen gegen Mikroplastik und nanochemische Verschmutzung vorgesehen seien. Umweltorganisationen hätten sich sogar eine CO2-Redaktion um 65 Prozent gewünscht.

Die Revolution als Grundlage für Wachstum

Doch sich hohe Ziele zu setzen, ist der beste Weg, um eine grüne Revolution zu rechtfertigen, die der Grundpfeiler für die zukünftige Klimapolitik werden muss. Der "Green Deal" könnte die Basis für einen einzigartigen multilateralen Aktionsplan sein, der 49 Schlüsselmaßnahmen umfasst und das Wachstum der wirtschaftlich stagnierenden EU wieder ankurbelt.

Nur punktuelle Maßnahmen dagegen können nicht garantieren, dass uns das bedrohliche Schreckgespenst von drei bis vier Grad Erderwärmung erspart bleibt. Dieser Temperaturanstieg wäre ein Szenario, in dem alleine an der US-Küste bis zum Ende des Jahrhunderts Schäden im Wert von einer Billion US-Dollar zu erwarten sind. In meiner australischen Heimatstadt Sydney könnte die aktuelle Situation - die Stadt ist seit Wochen wegen der Buschbrände im Umland mit gesundheitsschädlichem Rauch verqualmt - zum Dauerzustand werden.

Wir müssen groß denken und den Individualverkehr - auch den elektrischen! - einem nahtlos funktionierenden, emissionsfreien, öffentlichen Nahverkehrssystem unterordnen. Der europaweite Umstieg auf erneuerbare Energien, der das Versprechen neuer, gut bezahlter Arbeitsplätze mit sich bringt, muss angegangen werden. Und es muss bessere Gesetze zum Schutz der Biodiversität geben.

Handeln statt reden

Ursula von der Leyen, die neue EU-Kommissionspräsidentin und Architektin des "Green Deals", betonte, dass wir uns diesem Generationenprojekt stellen und jetzt handeln müssen. Aber wird ihr nach all den Jahrzehnten der Passivität in Sachen Klimaschutz jemand Glauben schenken? Beim gerade laufenden UN-Klimagipfel in Madrid kritisierte Greta Thunberg vollkommen zu recht Politiker und Wirtschaftsführer, die stets nur so tun, als täten sie etwas.

Aber ein "Green Deal", so unvollständig er in seiner derzeitigen Form auch sein mag, bringt soziale, wirtschaftliche und politische Institutionen zusammen und könnte Nachhaltigkeit zu etwas Gelebtem, zu einem Teil unserer DNA, machen. Außerdem ist ganz einfach das Risiko zu hoch, wenn wir eine solche grüne Revolution nicht wagen.

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.