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Nicht Trump zu sein, ist nicht genug

Carla Bleiker
Carla Bleiker
21. August 2020

Der Parteitag der US-Demokraten endete mit einer leidenschaftlichen Rede von Joe Biden, der sich als Anti-Trump positioniert. Aber er wird mehr brauchen, um junge und linke Wähler zu gewinnen, meint Carla Bleiker.

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Logo für die Wahlkampagne von Joe Biden und Kamala Harris in den USA im Jahr 2020
Bild: picture-alliance/dpa/S. Stimpson

Was für eine Erleichterung! Joe Bidens Rede zum Abschluss des Parteitags der Demokraten, mit der er die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten offiziell angenommen hat, war großartig. Biden murmelte sich nicht durch schauderhafte Schachtelsätze, deren Ende so klang, als hätte es nichts mit dem Anfang zu tun - was sein Publikum ja bei einigen Auftritten im Vorwahlkampf der Demokraten miterleben musste.

Stattdessen hielt er ein leidenschaftliches Plädoyer, in dem er seine Stimme erhob, als er sich gegen das "Anschmeicheln an Diktatoren" aussprach, und ganz leise wurde, als er an seinen ältesten Sohn Beau erinnerte, der 2015 an einem Hirntumor verstarb. "Seit er nicht mehr unter uns ist, inspiriert mich Beau jeden Tag", sagte Biden, während seine Stimme fast brach.

Also: Emotionen an den richtigen Stellen, ohne dabei zu übertreiben, und eine kohärente Satzstruktur. So etwas als Erfolg zu bezeichnen, hätte man noch vor ein paar Jahren für einen Witz gehalten. Aber die Amerikaner haben diesen Kandidaten eben schon ganz anders erlebt - und sie haben viele, viele Male ihren derzeitigen Präsidenten, Donald Trump, schon völlig anders erlebt.

Biden punktet mit dem Thema Corona

Der gesamte Parteitag der Demokraten hatte vor allem das Ziel, die Unterschiede zwischen Biden und Trump deutlich zu machen. Unzählige Menschen verwendeten Begriffe wie Freundlichkeit, Anstand und Einfühlungsvermögen, wenn sie über Biden sprachen. Begriffe, die wahrscheinlich den wenigsten Menschen als erstes einfallen, wenn sie Donald Trump beschreiben müssten.

Biden war nicht zimperlich, wenn es darum ging, den amtierenden Präsidenten zu kritisieren. Einen entscheidenden Punkt machte der demokratische Kandidat: Trump habe in der Corona-Krise versagt, und es sehe nicht so aus, als sei eine Besserung in Sicht. "Nach all dieser Zeit hat der Präsident immer noch keinen Plan. Nun, ich habe einen!", rief Biden, bevor er die Strategie im Einzelnen darlegte, die er "vom ersten Tag an" umsetzen wolle, wenn er gewählt werde. Dazu zählt die Entwicklung von Schnelltests, die verstärkte Produktion von persönlicher Schutzausrüstung wie Masken sowie die Anhörung von Gesundheitsexperten.

Autorenbild l Kommentatorenbild DW Carla Bleiker PROVISORISCH
Carla Bleiker ist Korrespondentin in WashingtonBild: privat

Immer wieder während dieser vergangenen vier Nächte verbreiteten die Parteitagsteilnehmer die Botschaft, dass Präsident Trump inkompetent und gefährlich sei und keinen einzigen einfühlsamen Knochen im Leib habe. Biden hingegen verfüge über jahrzehntelange Erfahrung und könne auf persönlicher Ebene mit trauernden Familien, mit Arbeitslosen oder mit Angehörigen im Militär sprechen. Aber: Nicht Donald Trump zu sein, kann nicht das einzige Argument für Biden sein.

Dringend gesucht: die linken Wähler

In seiner Rede zeigte Biden, dass er zumindest teilweise versteht, wie wichtig es ist, aus eigener Kraft zu glänzen und eine breite Koalition von Wählern zu bilden. Er versprach, die Vereinigten Staaten wieder zu einen - ein Thema, das auf dem Parteitag eine große Rolle spielte. Eine Vielzahl ehemals republikanischer Wähler gaben Bekenntnisse ab, warum sie nun Joe Biden unterstützen - der prominenteste von ihnen ist zweifellos der ehemalige republikanische Gouverneur von Ohio, John Kasich.

Dennoch bleibt weiter unklar, wie Biden und seine 'Running Mate' Kamala Harris junge, fortschrittliche Anhänger ihrer eigenen Partei davon überzeugen wollen, wählen zu gehen und für sie zu stimmen. Hillary Clinton scheiterte bei der Wahl vor vier Jahren genau an diesem Problem. Nachdem bei den Vorwahlen der Demokraten so viele progressive, linke Kandidaten hervorragend abgeschnitten haben, müssen Biden und Harris nun schnellstens einen Weg finden, wie sie deren Anhänger für sich gewinnen können. Denn nur dann haben sie im November eine Chance.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker