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Politik

Neuer Schwung für die Energiewende

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Jens Thurau
16. Januar 2020

Jetzt ist es amtlich: Deutschland steigt aus Abbau und Verbrennung von Kohle aus. Die lahmende Energiewende muss nun endlich wieder Fahrt aufnehmen, denn Strom wird ja weiterhin gebraucht, meint Jens Thurau.

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Deutschland Rheinisches Braunkohlerevier | Schaufelradbagger Tagebau Inden
Braunkohletagebau in Deutschland - in 20 Jahren wird dieses Bild Geschichte seinBild: picture-alliance/imageBROKER/S. Ziese

Die gute Nachricht vorweg: Die Bundesregierung hat sich mit allen Beteiligten darauf verständigt, bis 2038 aus der Kohle auszusteigen. Endlich. Zwischendurch konnte durchaus der Eindruck entstehen, dass das Ende der Kohleverstromung in Deutschland an diversen Widerständen zu scheitern drohte. Jetzt haben auch die vier betroffenen Bundesländer zugestimmt, das Gesetz soll noch in diesem Monat kommen.

Das konnte nur gelingen, weil die Politik den Kohlerevieren weit entgegen kam. Rund 20.000 Beschäftigte sind betroffen, wenn jetzt nach und nach (und viele Klimaexperten sagen: viel zu spät) Tagebaue und Kraftwerke schließen. 40 Milliarden Euro fließen in die Regionen, die Politik weiß also, welch hohe Symbolkraft die Kohle hat, in Ost und West. Das Ruhrgebiet etwa galt als der Motor des Wirtschaftswunders nach dem Krieg, entsprechend schwer taten sich alle Beteiligten, dem Ende des Steinkohlebergbaus dort (vor einem Jahr schloss die letzte Zeche) ins Auge zu sehen.

Kohlekumpel machen Schlagzeilen

Auch ohne Berücksichtigung des Klimaschutzes wäre die Braunkohleförderung in Deutschland nicht viel länger als bis 2038 noch wirtschaftlich gewesen. Aber gerade die Rechts-Populisten von der "Alternative für Deutschland" (AfD) haben zuletzt keine Möglichkeit ausgelassen, um den vermeintlichen Verrat der abgehobenen Politik (West) an den Kohlekumpeln (Ost) anzuprangern. Und während große Schlagzeilen entstehen über den Arbeitsplatzabbau in den Revieren, sind sang-und klanglos im Bereich der Windenergie allein 2017 rund 26.000 Stellen verloren gegangen, weil die Regierung es nicht schafft, deren Ausbau auch in der Fläche wirklich voranzubringen. Von Milliardenzahlungen für die betroffenen Regionen ist nicht die Rede.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Hier eine Trendwende zu schaffen, ist nun aber eine der wichtigsten  Aufgaben der Politik. Deutschland, eines der stärksten Industrieländer der Welt, steigt erst aus der Kernkraft und jetzt auch aus der Kohle aus. Das lässt sich nur durch einen massiven Ausbau von Wind- und Sonnenstrom kompensieren, der zwar politisch ständig lauthals gefordert, aber in der Praxis nur halbherzig umgesetzt wird. Groß ist die Angst vor wütenden Bürgern vor Ort, die es schon geschafft haben, dass der Bau von wichtigen Stromtrassen (Windstrom aus dem Norden für die Industrie im Süden) kaum vorankommt. Als "Mondlandung" hat die Regierung die Energiewende einmal bezeichnet, vor vielen Jahren. Zum Mond gelangt man aber nur, wenn alles funktioniert. Ohne den Ausbau der Erneuerbaren hebt das Raumschiff nicht mal ab.

Die Bundesregierung ist der Einäugige unter Blinden

Aber immerhin: Es gibt jetzt einen Beschluss, sehr wahrscheinlich schon bald ein Gesetz, das den Kohleausstieg regelt. Ein Blick nach Australien, wo der Kontinent an vielen Stellen brennt und die Regierung dennoch unverdrossen und ungerührt an der Kohle festhält, zeigt, dass die deutsche Regierung auch mit diesem mühsamen Kompromiss immer noch ein Einäugiger unter den Blinden ist. Aber beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren muss jetzt das Tempo angezogen werden.

Mit den Menschen in den vier betroffenen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen muss die Politik jetzt eine neue  Sprache finden - bei allen Verletzungen und Aufgeregtheiten. Dass es den Kohleausstieg jetzt Schwarz auf Weiß und bald als Gesetz gibt, ist dafür der erste Schritt.