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Verfehlte Kritik an der WHO

16. April 2020

Donald Trump will der WHO den Geldhahn abdrehen, weil sie in der Corona-Krise versagt habe. Doch die Kritiker überschätzen die Macht der UN-Organisation. Sie ist nur ein Spiegel ihrer Mitglieder, meint Fabian Schmidt.

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Eine Mitarbeiterin nimmt WHO Hilfsgüter am Flughafen in Addis Abeba in Empfang
Die WHO braucht Hilfe für das, was sie gut macht: arme Länder im Kampf gegen Krankheiten unterstützenBild: Getty Images/AFP/S. Habtab

Die Kritiker werfen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Wesentlichen vor, nicht rechtzeitig auf die Corona-Krise reagiert zu haben. Die Genfer Organisation habe zu lange beschwichtigende Informationen der chinesischen Regierung akzeptiert und wiedergegeben.

Noch Mitte Januar sei sie davon ausgegangen, dass die Epidemie ein regionales Phänomen in China bleiben werde. Taiwan, das nicht Mitglied von UN und WHO ist, habe zu diesem Zeitpunkt schon längst seine Grenzen geschlossen.

Völlig falsches Verständnis

Das alles ist im Kern durchaus richtig. Daraus eine vernichtende Kritik an der WHO zu konstruieren ist aber unredlich. Es zeigt ein völlig falsches Verständnis der Rolle und Macht dieser zwischenstaatlichen Organisation, die zunächst vor allem eine Behörde ist und kein Rettungsdienst.

Porträt des DW-Wissenschaftsredakteurs Fabian Schmidt
DW-Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt

Die WHO ist, wie etwa UN-Blauhelm-Missionen auch, ein gemeinsames Projekt ihrer Mitgliedsstaaten und damit vor allem abhängig von deren Willen, Fähigkeiten und Mitteln, Projekte weltweit umzusetzen.

Einerseits müssen solche Organisationen diplomatisch und behutsam mit ihren Mitgliedsstaaten umgehen. Scharfe öffentliche Kritik an der Informations- und Gesundheitspolitik einzelner Staaten darf man von ihnen kaum erwarten. Das ist vielmehr Aufgabe der unabhängigen Hilfsorganisationen, von Lobbyisten und natürlich der Presse.

Die WHO muss sich satzungsgemäß an den Gesundheitsbehörden ihrer Mitgliedsstaaten orientieren und nicht an der launenhaften öffentlichen Meinung in freien Gesellschaften. Das macht sie natürlich etwas träge, liegt aber im System UN begründet. Man kann das der WHO nicht zum Vorwurf machen.

Deshalb das Kind mit dem Bade auszuschütten wäre falsch und unverantwortlich, denn die WHO leistet sehr viel wichtige Arbeit.

Mehr dazu:  Was macht die Weltgesundheitsorganisation?

Weniger als ein Dollar pro Jahr 

Dabei tragen die Mitgliedsstaaten mit ihren Pflichtbeiträgen überhaupt nur etwa ein Fünftel des bescheidenen Budgets der Organisation von nicht einmal fünf Milliarden Dollar - nicht einmal ein Dollar pro Jahr für jeden Erdenbürger.

Insgesamt kostet die WHO so viel, wie eine Universitätsklinik in einer Großstadt der industrialisierten Welt.

WHO-Zentrale in Genf
Der Hauptsitz der Weltgesundheitsorganisation ist in Genf. Die WHO wurde am 7. April 1948 gegründet und zählt heute 194 Mitgliedsstaaten.Bild: picture-alliance/imageBROKER/K. Petersen

Der Großteil des WHO-Budgets kommt dazu noch von privaten und staatlichen Spendern, ist damit projektgebunden für ganz klar definierte und meist langfristig angelegte Ziele.

Das können etwa Impfkampagnen in den ärmsten Ländern der Welt sein, wo wenig Geld weit reicht. Wenn es um die fundamentalen, aber eigentlich leicht zu bekämpfenden Geißeln der Menschheit geht, kann die WHO enorm viel bewirken. Wenn wir ihr die Mittel dazu geben. Nur ein Beispiel: die Masern, an denen im vergangenen Jahr alleine 20 Millionen Menschen erkrankten und 140.000 starben. Oder seien es Kampagnen zur Bekämpfung von Malaria und für die Senkung der Kindersterblichkeit.

Mehr dazu: Mehr als 6000 Tote durch Masern im Kongo

Auch die WHO ist nicht allmächtig

Die WHO muss natürlich auch neu entstehende Seuchen wie SARS-CoV-2 im Blick haben. Und sie ist beim Informationsaustausch eine wichtige weltweite Schnittstelle zwischen Regierungen, Wissenschaftlern an Universitäten, staatlichen Instituten und forschenden Pharmaunternehmen.

Aber die WHO ist nicht allmächtig. Die eigentliche Arbeit im Kampf gegen neu entstehende Erkrankungen müssen und können nur die Gesundheitssysteme der Länder, die Forschungseinrichtungen und die Industrie leisten.

Die Mängel in der Gesundheitsversorgung oder die Schwankungen auf den Medikamenten- und Schutzmittel-Märkten kann die WHO trotz ihres mächtig klingenden Namens nicht kompensieren. In Wahrheit steht sie da nämlich eher am unteren Ende der internationalen Hackordnung.