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Kurzarbeit - das deutsche Rezept gegen die Krise

30. März 2020

Um der Wirtschaftskrise durch das Coronavirus zu trotzen, versuchen sich viele Unternehmen mit Kurzarbeit zu retten. Für Arbeitnehmer kann das herausfordernd sein, wobei nicht alle Kurzarbeiter gleich betroffen sind.

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Kurzarbeit bei Volkswagen durch Corona-Krise
Bild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Lufthansa schickt 31.000 Beschäftigte bis August in Kurzarbeit, die Flughafengesellschaft Berlin Tegel hat für 2200 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Tui-Mitarbeiter sollen für ein halbes Jahr in Kurzarbeit gehen. Alle Drittliga-Vereine im deutschen Fußball haben ebenfalls Kurzarbeit eingeführt. Bei Volkswagen bekommen rund 80.000 Mitarbeiter Kurzarbeitergeld, bei Daimler will man im April Kurzarbeit beantragen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt der derzeitigen Lage.

Wenn die Aufträge wegbrechen, dann ist in Deutschland Kurzarbeit ein willkommenes Mittel, die Lohnkosten zu reduzieren. In der Kurzarbeit arbeiten die Mitarbeiter eingeschränkt oder gar nicht mehr. Die Arbeitgeber bezahlen nur für die geleistete Arbeit und die Bundesagentur für Arbeit stockt das Gehalt der Kurzarbeiter auf 60 Prozent des Nettogehalts (67 Prozent, wenn Kinder im Haushalt sind) auf.

Deutschland Symbolbild Kontaktverbot in der Coronakrise
Die Lufthansa hat wegen der Coronakrise ihren Flugbetrieb auf weniger als fünf Prozent zurückgefahren. Etwa 700 der rund 760 Lufthansa-Maschinen sind am Boden. Deshalb meldet die Lufthansa für die nächsten fünf Monate Kurzarbeit an.Bild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Exportschlager: Kurzarbeit

Auf diese Weise müssen Unternehmen in schwierigen Zeiten keine Mitarbeiter entlassen, können trotzdem ihre Kosten reduzieren und, wenn die Wirtschaft wieder in Gang kommt, auf ein Reservoir an Fachkräften zurückgreifen. Schon in der letzten großen Wirtschaftskrise 2008/2009 hatte sich das Mittel bewährt. Es konnten weit über eine Million Arbeitsplätze erhalten werden. In Bezug auf die jetzige Krise, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im März: "Das hat funktioniert und wird auch wieder funktionieren."

Ein Konzept, dass mittlerweile von vielen Ländern kopiert wurde. Spanien, Italien, Frankreich, Österreich oder die Schweiz haben ebenfalls Kurzarbeit-Regeln eingeführt, um ihre Unternehmen in schwierigen Zeiten zu stützen.

Kurzarbeit ist übrigens ein Mittel, das nicht nur in besonders schweren Wirtschaftskrise Hilfe verspricht. So gab es schon bevor das Coronavirus nach Deutschland kam, im Dezember 2019 rund 100.000 Menschen in Kurzarbeit. Das könnten nun aber erheblich mehr werden. 

Mehr Kurzarbeit als während der Finanzkrise

Vor einigen Tagen hieß es von der Bundesregierung, sie rechne mit 2,15 Millionen Kurzarbeitern in der Corona-Krise. Ob diese Schätzung richtig sei, könne derzeit niemand sagen, betonte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele in der vergangenen Woche. "Wir gehen davon aus, dass es deutlich mehr werden als zur Finanzkrise." Damals, in den Jahren 2008 und 2009, waren mehr als 1,4 Millionen Menschen in Kurzarbeit.

Grund zur Panik sieht Scheele nicht, auch wenn die veranschlagten 255 Millionen Euro für konjunkturelle Kurzarbeit in der jetzigen Lage nicht annähernd ausreichten. Die Bundesagentur verfüge über eine Rücklage von 26 Milliarden Euro und die werde reichen, so Scheele.

Nicht alle Branchen brauchen Kurzarbeit

Eine Umfrage des Ifo-Instituts unter 2000 Industrieunternehmen ergab, dass mehr als ein Viertel der Unternehmen in den kommenden drei Monaten mit Kurzarbeit rechnen. Das teilte das Institut am Montag mit. Das Ausmaß der Kurzarbeit könnte allerdings noch größer ausfallen, denn die meisten Antworten liefen bis Mitte März ein, so Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Konjunkturumfragen. Überdurchschnittlich betroffen sind die Schlüsselbranchen Automobile (41 Prozent), Maschinenbau (33 Prozent) und Elektro (32 Prozent).

Wolfsburg Volkswagen Golf 8 - Produktion
Lieferengpässe und Absatzeinbruch - bei Volkswagen sind rund 80.000 Beschäftigte in KurzarbeitBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

In der Chemie und Ernährungsindustrie denkt man dagegen gar nicht über Kurzarbeit nach. In einigen Bereichen werden sogar mehr Hände gebraucht als bisher. So hat in der vergangenen Woche der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis, berichtet, einzelne Institute hätten sogar Mitarbeiter aus dem Ruhestand zurückgeholt, um Kreditanträge schnell zu bearbeiten. "Wir haben gerade keine Kurzarbeit, sondern Langarbeit", sagte der Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Sparkasse, Robert Restani, am Freitag.

Burger Fastfood von McDonalds
Auch so können Unternehmen Kosten reduzieren: McDonalds-Mitarbeiter, die von einem eingeschränkten Restaurantbetrieb in ihrer Filiale betroffen sind, können nun in Aldi-Filialen eingesetzt werden.Bild: Getty Images/AFP/R. Gabalda

Unternehmen profitieren, Kurzarbeiter nicht

Um Unternehmen in der Coronakrise noch mehr zu unterstützen als bisher, wurden im März neue Regelungen zur Kurzarbeit beschlossen: Mussten die Arbeitgeber bislang für Kurzarbeiter die Sozialbeiträge weiter bezahlen - die eigenen und die der Arbeitnehmer - bekommen sie die jetzt vollständig erstattet.

So können die Arbeitgeber ihre Lohnkosten auf Null drücken. Die Kurzarbeiter haben dagegen von der neuen Regelung keine Vorteile. Sie müssen in der Kurzarbeit auf einen nicht unerheblichen Teil ihres Gehalts verzichten.

"Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass die Arbeitgeber beim Kurzarbeitergeld zu 100 Prozent von den Sozialbeiträgen befreit werden, während die Beschäftigen davon keinen Cent sehen", kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nicht nur er fordert, dass die Regierung die Hilfen für die Arbeitnehmer weiter aufstocken müsse.

Einige Arbeitgeber stocken Kurzarbeitergeld auf

So eine Hilfe brauchen nicht alle Kurzarbeiter, denn es gibt Branchen, in denen sich die Arbeitgeber bereit erklärt haben, das Nettogehalt aufzustocken. So wurde im Tarifvertrag der Metall- und Elektrobranche eine Aufstockung des Gehalts auf 80 bis 97 Prozent vereinbart.

Auch in der Systemgastronomie wurde zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften eine Aufstockung auf 90 Prozent des Nettolohns vereinbart. Das kommt 120.000 Beschäftigten bei McDonald's, Starbucks und anderen Restaurantketten zu Gute. Beschäftigte bei VW erhalten je nach Entgeltstufe 78 bis 95 Prozent ihres Gehalts, wobei Beschäftigte in den unteren Entgeltgruppen die höchsten Zuschläge erhalten, schreibt das WSI-Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Starbucks - Cafe mit Logo
Wer bei Starbucks in Kurzarbeit muss, hat Glück. Hier wird mehr aufgestocktBild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten, weist jedoch darauf hin, dass nur eine Minderheit der Tarifbeschäftigten von solchen Aufstockungsregelungen profitieren werden. "Insbesondere in den klassischen Niedriglohnsektoren gibt es oft keine tarifvertraglichen Zuschüsse zum staatlichen Kurzarbeitergeld", so Schulten. Da aber gerade Beschäftigte mit geringem Einkommen bei einem Nettoeinkommensverlust von 40 Prozent nicht lange über die Runden kommen könnten, fordert Schulten für die Zeit der Corona-Krise "eine generelle Aufstockung des Kurzarbeitergeldes von staatlicher Seite".

Ungleichheit gegenüber Arbeitnehmern der öffentlichen Hand in der Kritik

Während Beamte nicht um ihre Pfründe fürchten müssen, weil sie durch die Verfassung vor Kurzarbeit geschützt sind, könnte sich die Lage für die rund zwei Millionen Menschen, die im öffentlichen Dienst der Kommunen arbeiten, bald ändern. Bislang ist für sie keine Kurzarbeit vorgesehen. Dabei ist ein Teil des öffentlichen Dienstes durch die Schließung von Einrichtungen und Behörden zur "Beschäftigungslosigkeit verdammt", wie der Vorsitzende des SteuerzahlerbundesBernhard Zentgraf, gegenüber der Zeitung Hannoversche Allgemeine kritisierte. Obwohl einige gar nicht mehr arbeiten würden, erhielten sie aber in der Regel 100 Prozent ihrer Dienstbezüge, so Zentgraf.

Um auch im öffentlichen Dienst Kurzarbeit möglich zu machen, wollen die Gewerkschaft Verdi, der Beamtenbund dbb und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in Verhandlungen über einen entsprechenden Tarifvertrag gehen.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion