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Politik

Corona nicht Kinder und Enkel bezahlen lassen

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Jens Thurau
28. Dezember 2020

Der Staat macht zu Recht hohe Schulden in der Pandemie. Aber er sollte mehr Phantasie zeigen bei der Frage, wie wir das alles einmal zurückzahlen. Jens Thurau plädiert für eine zeitlich befristete Abgabe.

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Euro-Geldscheine
Bild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Zu den wirklich trostlosen Erlebnissen in diesem insgesamt sehr trostlosen Jahr zählen die Interviews mit Bundes- und Landesministern zum Thema Haushalt und Corona. Fast täglich gibt es TV-Gespräche mit den Damen und Herren der Finanzen, wobei letztere dann doch zumeist nur ratlos in die Kamera blicken. Was soll man auch machen? Die Neuverschuldung ist hoch, extrem hoch, heißt es dann, aber unvermeidlich. Langfristig werde dann aber erhöhter Konsum wieder Geld in die Kassen spülen, Steuererhöhungen oder Abgaben nur wegen der Pandemie seien Gift.

Kategorisch lehnte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vor wenigen Tagen im Bundestag eine von den Linken geforderte Neuauflage der Vermögenssteuer wegen der Pandemie ab. Und auch die Kanzlerin hob an zur Erzählung, wonach nur ein höheres Wachstum mehr Einnahmen ermögliche. Keine höheren Steuern also, auch keine zeitlich befristeten.

Die Instrumente gibt es doch

Warum eigentlich nicht? Es ist ja nicht so, dass solche Steuern nicht grundsätzlich möglich sind. Noch immer gibt es in Deutschland den Solidaritätszuschlag, kurz Soli, der in den 1990er-Jahren eingeführt wurde, um die Kosten für die Einheit zu finanzieren. Ja, ich weiß, er sollte eigentlich nur kurze Zeit erhoben werden und wurde dann zu einem ungeliebten Monster, immer schlecht geredet von vielen Politikern. Ab dem kommenden Jahr wird der Soli dann auch nur noch von wenigen wirklich Vermögenden gezahlt werden müssen.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Aber gab es nicht nach dem Krieg auch den Lastenausgleich für erlittene Vermögensschäden, ebenfalls aufgebracht von den Reichen? Und bis 1997 gab es in Deutschland tatsächlich auch eine Vermögenssteuer, es gibt sie im Grunde immer noch, sie wird nur nicht erhoben.

Die Instrumente sind also da. Und es lohnt sich, nochmal neu darüber nachzudenken, ob es nicht doch besser ist, wenn jetzt möglichst viele Deutsche auf vielen Schultern die Last der Pandemie tragen, und nicht unsere Kinder und Enkelkinder in den nächsten Jahrzehnten. Denn darauf läuft es doch hinaus, wenn es bei der gegenwärtigen Phantasielosigkeit bleibt: Gezahlt werden muss - fragt sich nur, von wem und wann?

Es stimmt: Eine Mehrheit dafür ist nicht in Sicht

Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) hält eine Neuauflage der Vermögenssteuer sehr wohl für möglich. Die Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, ist für eine Abgabe von einem Prozent des Vermögens, für alle, die mehr als eine Million Euro auf der hohen Kante haben. Ich weiß: Es ist für solche Ideen keine politische Mehrheit in Sicht. Zumal im Wahljahr allein das Wort Steuererhöhung für eigentlich jeden Politiker der blanke Horror ist. Immer mal wieder geistert eine Vermögenssteuer zwar durch die Parteiprogramme von SPD, Linken oder Grünen, wird aber dann doch zumeist wenig später verschämt versenkt. Alles wird neu gedacht, nur bei den Steuern bleibt alles beim Alten?

Aber was haben wir in diesem Jahr nicht für Tabus gebrochen? Bei den Bürgerrechten, in der Wirtschaft? Geschlossene Restaurants, leidende Künstler, geschlossene Schulen. Alles wegen der Pandemie, und aus guten Gründen. Aber bei der eminent wichtigen Frage, wer das alles mal bezahlen darf, bleiben wir auf eingefahrenen Gleisen.

Wagen wir mehr Solidarität

Deshalb braucht es eine Abgabe aller, ausgenommen die unteren Lohngruppen - so, wie es auch beim Solidaritätszuschlag lange der Fall war. Dass Steuern, die zeitlich befristet eingeführt werden, die Tendenz haben, bis in alle Ewigkeiten fortzubestehen, stimmt. Aber vielleicht schaffen wir es ja, uns selbst mal das Gegenteil zu beweisen.

In Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, sind Palaststürmerei oder Neid auf Millionäre völlig überflüssig. Sind wir doch zu viel mehr Solidarität bereit, als viele Politiker es uns zutrauen. Auch das hat dieses schreckliche Jahr bewiesen. Also: Wie wär's? Ein paar Prozent mehr Steuern. Die, die ganz wenig haben, verschonen wir, ansonsten zahlen alle ein. Unsere Kinder und Enkel werden es uns danken.

Einfach erklärt: Corona-Schulden - zahlt die junge Generation?