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Die amerikanische Demokratie in Gefahr

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Ines Pohl
5. Januar 2022

Es klingt alarmistisch. Und das soll es auch: In den Vereinigten Staaten steht die Zukunft des demokratischen Systems auf dem Spiel. Was wir vor einem Jahr erlebt haben, war nur ein erster Vorgeschmack, meint Ines Pohl.

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Mann mit "Trump 2020"-Hut und andere Männer mit Trump-Fahnen und US-Flaggen beim Sturm auf das Kapitol
Der Sturm auf das Kapitol hat deutlich gemacht, wie leicht und in welcher Zahl Feinde der Demokratie zu mobilisieren sindBild: Artur Gabdrahmanov/Sputnik/picture alliance

Eigentlich war er zu erwarten gewesen - dieser Sturm auf das Kapitol in Washington, der Hauptstadt der Vereinigten Staaten, am 6. Januar vor genau einem Jahr. 

Denn noch bevor die Wahllokale im Präsidentschaftswahlkampf überhaupt geöffnet waren, hatte der damalige Präsident Donald Trump ja bereits angekündigt, dass es nur einen Grund geben könne, wenn er das Weiße Haus verlöre: Dann müssten die Ergebnisse gefälscht sein. Entsprechend würden er - und damit seine Millionen Anhänger - eine Niederlage nicht akzeptieren.

Kurz vor echtem Staatsstreich

Er verlor. Und radikale Anhänger stürmten das Kapitol an dem Tag, an dem der Kongress die Wahl von Joe Biden formal bestätigen wollte. Die Bilder erschütterten schon damals die Welt. Aber wir wissen erst seit wenigen Wochen, wie kurz die USA vor einem echten Staatsstreich standen. Es war allein der Reaktionsfähigkeit einiger weniger Beamten zu verdanken, dass es kein Blutbad gab im Parlamentsgebäude, mit einem möglichen toten Vize-Präsidenten. Ermordet, weil er sich an die demokratischen Regeln und nicht die Befehle des Präsidenten gehalten hatte. Es war verdammt knapp.

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Ines Pohl leitet das DW-Studio in WashingtonBild: DW/P. Böll

Was ein Weckruf hätte sein müssen für alle demokratischen Kräfte, egal welcher Parteizugehörigkeit, ist aber lediglich ein weiterer Spielball im destruktiven amerikanischen Politikspektakel geworden. Die Republikaner versuchen bis heute, die Aufklärung des damaligen Geschehens zu verhindern. Anstatt sich zu besinnen und zurückzukehren in einen politischen Wettkampf um das überzeugendere Argument, in dem Fakten und Respekt vor einer anderen Meinung eine Rolle spielen, haben sich die Grabenkämpfe vertieft. 

Demokraten verlieren sich in Flügelkämpfen

Seit Tag eins der Ära Biden bereiten sich die Republikaner schon auf den nächsten Präsidentschaftswahlkampf vor. Während die regierenden Demokraten sich in ihren Flügelkämpfen verlieren, wird selbst die tödliche Corona-Krise politisch ausgeschlachtet. Wichtige finanzielle Staatshilfen werden von den Republikanern verhindert, damit die Biden-Administration nur ja keine Pluspunkte sammeln kann für den kommenden Wahlkampf.

Das Gefährlichste aber sind die Veränderungen der Wahlbezirke, welche die demokratischen Grundrechte von Schwarzen und anderen Minderheiten beschneiden. Dazu kommen verschiedene Auflagen, die im Kern alle das Gleiche bezwecken sollen: potenzielle demokratische Wählerinnen und Wähler daran zu hindern, ihre Stimme abzugeben.

Die Grundpfeiler sind nicht mehr gesichert

Die Vereinigten Staaten waren zurecht stolz auf die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung. So unvollkommen das Land weiter ist, schienen doch die Grundpfeiler einer Demokratie mit dem Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger gesichert.

Das ist nicht mehr der Fall. In einem Land, in dem es dank der Spielregeln der Sozialen Netzwerke für rassistische Verschwörungstheoretiker leichter ist, das politische Klima zu dominieren, denn für den amtierenden Präsidenten, muss man sich auf das Schlimmste vorbereiten. Zumindest für den Moment scheint niemand eine Antwort zu haben, wie Populisten das Handwerk zu legen ist, die bereit sind, das System zu kippen, um sich die Macht dauerhaft zu sichern.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl