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Politik

Trump punktet als kraftvoller Macher

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Ines Pohl
15. September 2020

Außenpolitik spielt in US-Wahlkämpfen nie eine große Rolle. Aber der Vertrag zwischen Israel sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain hilft dem Präsidenten im Wahlkampf, meint Ines Pohl.

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Frau mit Mundschutz geht über die Friedensbrücke im israelischen Netanja, auf der die Flaggen der USA, der Vereinigten Arabischen Emirate, Israels und Bahrains wehen
Die Flaggen der USA, der Vereinigten Arabischen Emirate, Israels und Bahrains (v.li.) wehen auf der Friedensbrücke im israelischen NetanjaBild: picture-alliance/dpa/AP/A. Schalit

Eine Straßenumfrage würde schnell belegen, dass die meisten Amerikaner von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain noch nie gehört haben. Genau so wenig von Oman oder Katar. Die Ursachen für den tödlichen Konflikt zwischen Palästina und Israel sind ebenso wenig bekannt wie die Gründe, die dagegen sprechen, die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Dass die amerikanischen Baseballmeisterschaften "World Series" genannt werden, sagt viel aus über die amerikanische Selbstwahrnehmung in der großen weiten Welt.

Es gibt immer noch viele Menschen, die übersehen, wie geschickt der derzeitige Präsident bestimmte Momente für sich zu nutzen weiß. Weniger als 50 Tage vor der Präsidentschaftswahl kommt ihm die Unterzeichnungszeremonie des Abkommens zwischen Israel und den VAE sowie Bahrain mehr als recht. Der Medienprofi weiß, wie er sich wirkmächtig mit den Insignien der Macht umgibt. Er weiß, welchen Eindruck er auf echte Anhänger und potenzielle Wähler macht, wenn er sich in diesen schweren Stunden als Politiker in Szene setzt, der Dinge auf den Weg bringt.

Palästinenser sträflich vernachlässigt

Dabei spielt es keine Rolle, dass die Palästinenser sträflich vernachlässigt werden, und eine wirkliche Friedenslösung mit diesem vor allem ökonomisch motivierten Deal eher in noch weitere Ferne rückt. Niemanden interessiert es hier, dass es den arabischen Block, der sich lange geschlossen hinter die Palästinenser gestellt hat, schon lange nicht mehr gibt. Und es auch in dieser Weltregion immer mehr um schnöden Mammon als um brüderlichen Zusammenhalt geht.

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Ines Pohl leitet das DW-Studio Washington und ist derzeit auf Reportage-Reise in KalifornienBild: DW/P. Böll

Die Mehrheit der Amerikaner ist so verunsichert wie lange nicht. Da sind das tödliche Virus und die massiven wirtschaftlichen Probleme. Droht in den - überwiegend von Weißen bewohnten - Vorstädten tatsächlich ein Bürgerkrieg, so wie es die Bilder vieler Proteste suggerieren? Und dann auch noch die Mega-Feuer, die in nie da gewesener Größenordnung weite Teile der Westküste in Brand setzen.

In dieser Situation gibt die angstgetriebene Sehnsucht nach einer starken Hand bei vielen Amerikanerinnen und Amerikanern der kritischen Ursachenforschung keine Chance mehr. Anstatt zu analysieren, was all diese Katastrophen mit einem Präsident zu tun haben, der ja immerhin schon fast eine ganze Amtszeit regiert, wünschen sich viele einfach einen Macher, der die eigenen Erfolge über alles setzt. Einen Mann, der der Welt zeigt, wer hier das Sagen hat. Und der Amerika den Platz auf der Welt verschafft, den es verdient.

Biden so richtig alt aussehen lassen

Da kommt ihm so eine Zeremonie mit vielen starken Männern und viel Pomp gerade recht. An Tagen wie diesen will Trump auch den größten Skeptikern zeigen, wie viel Kraft und Wille zur Macht noch in ihm steckt. Und wie leicht es ihm fällt, seinen Herausforderer Joe Biden so richtig alt aussehen zu lassen.

Je näher der Wahltag rückt, desto schwerer fällt es zu verstehen, warum die Demokraten erneut einen Kandidaten ausgesucht haben, bei dem es am Ende wieder heißen könnte: Donald Trump hat gar nicht gewonnen. Aber sein Gegner hat verloren.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl