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Das erste Duell

10. November 2009

Erstmals traten sie im Bundestag gegeneinander an: Angela Merkel, jetzt Chefin einer christlich-liberalen Koalition, und ihr bisheriger Vizekanzler Steinmeier, jetzt Oppositionsführer. Am besten geredet hat ein Dritter.

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Themenbild Kommentar (Quelle: DW)
Bild: DW

Das Lob, das Angela Merkel vor wenigen Tagen für ihre Rede vor dem US-Kongress erhalten hat, erscheint nun noch gerechtfertigter. Denn vor ihrem eigenen Parlament fiel die Bundeskanzlerin wieder auf rhetorisches Mittelmaß zurück. Auf Polemik gegenüber dem politischen Gegner, eine beliebte Würze von Parlamentsreden, mag sie bewusst verzichtet haben. Immerhin hat sie mit der größten Oppositionspartei, den Sozialdemokraten, vor kurzem noch regiert.

Schwache Rede, aufschlussreiche Inhalte

Aber Merkels Regierungserklärung fehlte auch jedes geistreiche Wortspiel und jeder Humor. Über weite Strecken geradezu technokratisch erläuterte die Kanzlerin die wesentlichen Punkte des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und FDP. Inhaltlich war das gleichwohl aufschlussreich. Zum Beispiel als sie über die Pläne zur Senkung und Vereinfachung der Einkommenssteuer sprach, die in den eigenen Reihen gleich wieder in Frage gestellt worden waren. Hier stellte Merkel klar: Beides soll kommen und zwar im Jahr 2011. Ja mehr noch, sie machte sich den steuerpolitischen Wahlkampfspruch der Liberalen zu eigen: "Einfacher, niedriger und gerechter."

Um das andere große Streitthema der gerade gebildeten Koalition machte Merkel einen großen Bogen: die Gesundheitsreform. Der Koalitionsvertrag ist hier recht vage und wird von jedem anders interpretiert. Welch heißes Eisen die Gesundheitspolitik ist, erfährt nicht nur Barack Obama gerade, Angela Merkel hat es selbst erfahren. Radikale Reformpläne hätten sie 2005 ums Haar den Wahlsieg gekostet. Also schiebt sie das Thema erst mal auf die lange Bank.

Oppositionsführer mit Konkurrenz

Für die linken Oppositionsparteien bietet der Koalitionsvertrag, bot auch die Regierungserklärung der Kanzlerin reichlich Angriffspunkte. Der neue Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Frank-Walter Steinmeier, verstand diese zu nutzen. Steinmeier, der die meiste Zeit seiner politischen Tätigkeit im Hintergrund gewirkt hatte und bisher wenig Erfahrung als Parlamentsredner hat, zeigte eine beachtliche rhetorische Leistung. Vor allem kritisierte er Steuersenkungen auf Pump, die neue Zinslasten nach sich ziehen, und die soziale Unausgewogenheit verschiedener Regierungspläne.

Allerdings hat die Debatte auch gezeigt, dass das möglicherweise nicht reicht, um den Niedergang der Sozialdemokraten zu stoppen. Denn der Vorsitzende der zweitgrößten Oppositionspartei, Oskar Lafontaine von den Linken, machte Steinmeier nicht nur mit gewohnter rednerischer Brillanz die Rolle als Oppositionsführer streitig. Er sprach auch inhaltlich überzeugender Fehlentwicklungen an, sei es im globalen Finanzsystem, sei es in der sozialen Balance im eigenen Land. Der Wettbewerb zwischen den Oppositionsparteien verspricht mindestens so spannend zu werden wie das Ringen der Regierungsparteien um die Ausgestaltung ihrer Politik.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Kay-Alexander Scholz