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Neue Corona-Variante nachgewiesen

4. Januar 2022

Die Variante B.1.640.2 wurde in Marseille bei einem Reiserückkehrer aus Kamerun entdeckt und weist sehr viele Mutationen auf. Und in Israel ist ein erster "Flurona"-Fall aufgetreten: Influenza mit Corona.

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Die Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zeigt eine Zelle, die mit einem SARS-CoV-2 Variantenstamm infiziert ist
So sieht es unter dem Rasterelektronenmikroskop aus, wenn eine Zelle mit einem SARS-CoV-2 Variantenstamm infiziert istBild: IMAGE POINT FR/ NIH/NIAID/BSIP/picture alliance

Gerade macht sich ein Stück Hoffnung breit, dass sich die Omikron-Variante zwar rasend schnell verbreitet, aber meistens deutlich milder als Delta verläuft, da taucht bereits eine neue Variante auf, von der wir noch nicht genau wissen, wie gefährlich sie ist und wo sie entstanden ist.

Nachgewiesen wurde die neue Variante Anfang Dezember bei einem französischen Reiserückkehrer aus Kamerun, teilte das Krankenhaus IHU Méditerrannée in Marseille mit. Der Reiserückkehrer aus Kamerun soll zwölf Menschen in Südfrankreich infiziert haben.

Viele Mutationen im Spike-Protein 

Diese neue B.1.640.2 genannte Mutante weist 46 Mutationen in einer "atypischen Kombination" auf, heißt es in einer noch nicht begutachteten Preprint-Studie.

Laut dieser Studie finden sich in der neuen Corona-Variante auch die beiden bereits bekannten Mutationen N501Y und E484K im Spike-Protein wieder. Die Mutation N501Y wurde zum Beispiel schon sehr früh in der Alpha-Variante nachgewiesen. Sie bewirkt, dass sich der Erreger stärker an menschliche Zellen binden und auf diesem Wege leichter im Körper ausbreiten kann.

Und E484K gehört zu den Escape-Mutationen, die sich direkt im Spike-Protein einnisten und so womöglich die Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen beeinträchtigen.

Wenig über Gefährlichkeit und Ursprung bekannt

Aber was diese Mutationen bedeuten und ob die neue Corona-Variante B.1.640.2 tatsächlich ansteckender als das Ursprungsvirus SARS-CoV-2 ist, lässt sich anhand der vorliegenden Daten und der geringen Fallzahlen noch nicht wirklich belastbar sagen. 

Nach Ansicht von Prof. Dr. Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, geht von der neu entdeckten Variante keine große Gefahr aus: “Die Variante ist schon vor einiger Zeit erstmalig beschrieben worden und hat sich bisher zumindest in den Bereichen, wo jetzt häufiger auf sequenziert wird, nicht weiter durchgesetzt, es ist nicht zu einer größeren Verbreitung gekommen. Das ist schon ein sehr starker Indikator dafür, dass sie keinen großen Selektionsvorteil im Vergleich beispielsweise zu Omikron hat, wo wir mit den ersten Daten eigentlich schon relativ schnell Klarheit darüber hatten, dass es zu einer raschen Verbreitung kommt. Das ist bei dieser B.1640-Variante erstmal nicht so zu sehen, sodass eigentlich niemand wirklich erwartet, dass die uns ganz große Probleme machen wird. Da muss man sicherlich noch ein kleines Fragezeichen dranhängen, aber das wäre jetzt mein aktueller Stand dazu.“

Fragezeichen gibt es auch noch hinsichtlich des Ursprungs der neuen Variante. Dass B.1.640.2 jetzt erstmals bei einem Rückkehrer aus Kamerun nachgewiesen wurde, heißt nicht, dass die Variante auch in dem zentralafrikanischen Land entstanden ist.

Allerdings begünstigen sehr niedrige Impfquoten das Auftreten von neuen Coronavirus-Mutationen. In Kamerun beläuft sich die Impfquote laut den Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (USA) aktuell auf etwa 2,4 Prozent.

Solange die Impfkampagne nicht wirklich auch global vorangetrieben wird, werden sich immer wieder irgendwo neue Varianten entwickeln, die mal harmloser oder aber gefährlicher sind. Wozu die neue Variante gehört, wird sich zeigen. 

Mögliche Gründe für milderen Omikron-Verlauf

Von der Omikron-Variante wissen wir bereits, dass sie deutlich ansteckender ist und sich weltweit rasend schnell verbreitet. Aber gleichzeitig sind die Verläufe in den meisten Fällen deutlich milder, dies bestätigen immer mehr Studien.

Ein/e Mediziner/in steht an einem Bett in einer Intensivstation in Berlin
Da Omikron seltener die Lunge befällt, müssen Corona-Patienten seltener künstlich beatmet werdenBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Warum dies so ist, wird allmählich auch immer deutlicher. Zum einen reagieren die T-Zellen von Geimpften und Genesenen auf Omikron und schützen so die meisten Infizierten vor einem schweren Verlauf.

Zwar haben die Mutationen bei Omikron das Spike-Protein so sehr verändert, dass die durch eine Infektion oder Impfung gebildeten Antikörper nicht mehr so gut vor einer Infektion schützen. Aber die erworbene Immunantwort durch die T-Zellen funktioniert trotzdem in 70 bis 80 Prozent der Fälle - ähnlich wie bei den älteren Varianten Beta und Delta, fanden Forschende aus dem südafrikanischen Kapstadt heraus. Die spezifischen T-Zellen der Geimpften und Genesenen erkannten Omikron annähernd so gut wie die ursprüngliche Wuhan-Variante, so das Fazit der Gruppe.

Omikron greift die Lunge seltener an

Außerdem greift die Omikron-Variante viel seltener die Lunge an, fanden Forschende aus Japan und den USA  im Tierversuch heraus. Stattdessen greife die Omikron-Variante eher die oberen Atemwege wie Nase, Rachen und Luftröhre an, heißt es in der ebenfalls noch nicht geprüften Studie. Die Viruslast in den Nasen von mit Omikron infizierten Hamstern und Mäusen sei war zwar genauso hoch wie bei früheren Mutationen, in den Lungen aber war die Virenlast und dementsprechend der Schaden deutlich geringer.

Zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen waren Mitte Dezember auch Forschende der Universität Hongkong gekommen. Sie stellten fest, dass die Omikron-Variante zwar bis zu 70 Mal schneller als die Delta-Variante das Bronchialsystem infiziert und sich dort vermehrt, aber dass sie sich im Lungengewebe bis zu zehnmal weniger stark ausbreitet.

Seltener künstliche Beatmung notwendig

Diese Forschungsergebnisse decken sich mit Beobachtungen aus Großbritannien. Auch dort sorgt die hochansteckende Omikron-Variante für stark steigende Infektionszahlen. Aber gleichzeitig sinkt das statistische Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, um ein Drittel im Vergleich zur Delta-Variante. Und auch die Zahl der Patienten, die künstlich beatmet werden müssen, ist trotz der deutlich höheren Ansteckungsrate bei Omikron weitgehend unverändert.

Das macht Hoffnung, ist aber noch keine Entwarnung. Denn die deutlichen höheren Infektionszahlen sind eine große Herausforderung für die überlasteten Gesundheitssysteme . Vor allem wer noch nicht geimpft oder genesen ist, kann auch an der Omikron-Variante sehr schwer erkranken.

Erster "Flurona"-Fall in Israel

In Israel hat sich unterdessen eine 31-jährige schwangere Frau gleichzeitig mit Corona und dem saisonalen Grippevirus infiziert. Es ist der weltweit erste registrierte "Flurona"-Fall, die Wortschöpfung setzt sich aus der englischen Bezeichnung für Grippe bzw. Influenza = flu und Corona zusammen.

Die Schwangere ist ungeimpft und ist nach Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums nur leicht erkrankt. Da Israel in den vergangenen Wochen einen sehr hohen Anstieg an Grippefällen verzeichnet, untersucht das Gesundheitsministerium den Fall, um zu sehen, ob "Flurona" schwerere Krankheiten verursacht.

Israel hat diesen Winter eine besonders dramatische Zunahme von schweren Grippefällen verzeichnet. Laut "Times of Israel" mussten bis Ende 2021 fast 2000 Menschen mit Influenza ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Gesundheitsbehörden befürchten, dass es bei einer derart starken Grippewelle viele weitere Dop­pel­er­kran­kun­gen geben könnte.

Der Artikel wurde zuletzt am 05.01.2022 aktualisiert.

 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund