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Politik

Osmani: "Wir brauchen klare Botschaften seitens der EU"

7. Mai 2021

Am 3.05.2021 war der Außenminister Nordmazedoniens, Bujar Osmani, in Berlin, um für einen schnellen Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem Land zu werben. Im DW-Interview erklärt er warum.

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Deutschland Berlin | Außenminister Heiko Maas & Bujar Osmani, Nord-Mazedonien
Bujar Osmani (v.l.) und Heiko Maas (v.r.) mit Mitarbeitenden im Berliner Außenministerium am 3.05.2021Bild: Janine Schmitz/photothek.de/imago images

DW: Herr Außenminister, Bulgarien blockiert den Beginn der EU-Beitrittsgespräche mit ihrem Land. Sehen Sie eine Chance, dass die Regierung in Sofia ihre Veto-Haltung gegen Nordmazedonien bald zurücknimmt?

Bujar Osmani: Wir hatten gehofft, dass dies nach der Wahl in Bulgarien Anfang April geschehen würde. Aber das Land steht gerade wieder vor vorgezogenen Neuwahlen, die voraussichtlich im Juli stattfinden werden. Dies wird die Möglichkeit eines substantiellen Dialogs mit Bulgarien einschränken. Ich betrachte den EU-Gipfel im kommenden Juni dennoch als eine einmalige Chance, die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien zu eröffnen.

Wie kann Deutschland dabei helfen?

Deutschland war während seiner Präsidentschaft äußerst engagiert. Es hat außergewöhnliche Anstrengungen unternommen und ist weiterhin auch im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft mit Portugal stark engagiert, eine Lösung zu finden. Wir dürfen die Chance, die der Gipfel im Juni bietet, nicht verpassen.

Stichwort "Non-Papers": Gerade zirkulieren auf dem Westbalkan Vorschläge, wie eine Lösung der offenen Fragen zwischen Kosovo und Serbien aussehen soll. Sind Sie darüber besorgt?

Wir sind besorgt und haben deshalb auch unser diplomatisches Engagement verstärkt. Meine Botschaft: Wir müssen den Raum für die Verbreitung solcher Non-Papers endgültig einschränken. Derartige Dokumente konnten einen Nährboden finden, weil die Botschaften seitens der Europäischen Union über die europäische Perspektive des westlichen Balkans nicht eindeutig genug waren.

Je klarer die Botschaften sind, desto stärker ist die Glaubwürdigkeit der EU in der Region, desto enger ist der Raum, in dem solche Dokumente eine Rolle spielen können. Deshalb ist es so wichtig, dass die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien sehr schnell aufgenommen werden. Und dass der Dialog zwischen Serbien und Kosovo beschleunigt wird.

Infografik EU Beitrittskandidaten Westbalkan DE

Die neue kosovarische Führung hat den Dialog mit Serbien nicht zu ihrer Priorität erklärt. Können Sie diese Einstellung nachvollziehen?

Kosovo und Serbien sind souveräne Staaten und entscheiden selbst über das Schicksal des Dialogs. Wir als NATO-Mitgliedsland in der Region haben die Pflicht, zur allgemeinen regionalen Stabilität beizutragen. Aber: Der Status quo in den Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien trägt nicht zur regionalen Stabilität bei. Ein Beleg dafür sind eben die besagten Bemühungen, Ideen zu verbreiten, die die Region nur verwirren und den Frieden in Frage stellen könnten.

Viele Politiker im Westen machen sich große Sorgen auch um den Einfluss Chinas und Russlands in der Region. Hierzulande entstand bisweilen der Eindruck, dass die Pandemiehilfe zu spät kam und dadurch ein Vakuum entstand, das vor allem China nutzte. Sehen Sie das auch so?

Obwohl wir versucht haben, die öffentliche Gesundheit nicht in einen geopolitischen Kampfplatz zu verwandeln, wurde die Region leider doch ein Feld für solche Kämpfe, auch durch die Impfstofflieferungen während der Pandemie. Das war auch eine Folge der nicht ausreichenden Kommunikation der Europäischen Union mit der Region.

Nun wird diese Hilfe aber sichtbarer. Derzeit bringt die EU Impfstoffe in die Westbalkanstaaten, wir haben russische und chinesische Impfstoffe gekauft, aber wir haben diese mit eigenen Mitteln gekauft, und dies sollte überhaupt nicht in einen geopolitischen Kontext gestellt werden. Das zeigt, dass wir offen für die Zusammenarbeit mit allen Ländern der Welt sind, aber wir sind Teil des Wertesystems, das von der NATO und der Europäischen Union geteilt wird. Wir glauben an daran und fördern es.

In diesem Jahr wird Bundeskanzlerin Angela Merkel zum letzten Mal eine Westbalkankonferenz im Rahmen des sogenannten Berlin-Prozesses leiten. Wie soll die Initiative weiter gehen?

Bundeskanzlerin Merkel war diejenige, die diesem Prozess Leben gab und Macht verlieh. Dadurch hat er seine eigene Wirkung und Dynamik bekommen. Nun ist es wichtig, dass die Initiative in der Region weitergeführt wird, um durch regionale Kooperation die Aufnahme der Westbalkan-Länder in die EU zu erleichtern.

Allerdings soll der Berlin-Prozess kein Selbstzweck werden. Die Integration der Region ist eine geostrategische Investition für die Europäische Union. Die Bevölkerung des Westbalkans beträgt nur vier Prozent der Gesamtbevölkerung der EU und das Territorium des Westbalkans ist kleiner als das Rumäniens. Ich glaube nicht, dass die EU in ihrem Herzen ein Loch zulassen will, das ein Einfallstor für bösartige Einflüsse werden könnte, die die gesamte Union destabilisieren könnten.

Bujar Osmani
Bild: Anila Shuka/DW

Bujar Osmani, 40, ist der erste Außenminister Nordmazedoniens aus der albanischen Bevölkerungsgruppe. Der in Skopje und London ausgebildete Arzt gehört der Partei "Bashkimi Demokratik për Integrim" (Demokratische Union für Integration) an und war bis 2020 im ersten Kabinett des Sozialdemokraten Zoran Zaev als Vize-Premier auch zuständig für Europapolitik.