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Glaube

Orthodoxe Kirche in Ukraine eigenständig

5. Januar 2019

Nach über 300 Jahren hat sich die Orthodoxe Kirche der Ukraine der Aufsicht der russisch-orthodoxen Kirche entzogen. In Istanbul wurde die Anerkennung ratifiziert. Moskau hingegen protestiert gegen die Entscheidung.

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Türkei - Unterzeichnungszeremonie von Tomos der orthodoxen Kirche in der Ukraine
Zeremonie anlässlich der Anerkennung der Orthodoxen Kirche der Ukraine: Bartholomaios I (sitzend) und Epiphanius (r.)Bild: Reuters/M. Sezer

Möglich wurde die Anerkennung durch den Ökumenischen Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I.. Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie unterzeichnete in Istanbul den entsprechenden Erlass. Gemeinsam mit Bartholomaios I. unterschrieb der Vorsteher der Mitte Dezember gegründeten orthodoxen Kirche der Ukraine, Epiphanius, das "Tomos" genannte Dokument.

Künftig gibt es in der Ukraine damit zwei große orthodoxe Kirchen: die neue "Orthodoxe Kirche der Ukraine" mit dem 39 Jahre alten Metropoliten Epiphanius an der Spitze und die Moskau unterstellte "Ukrainische Orthodoxe Kirche".

Mehr als 27 Jahre nach der staatlichen Unabhängigkeit löst sich die Ukraine damit auch auf religiösem Gebiet von Moskau. Die ukrainische Kirche wird formal allen anderen bestehenden 14 orthodoxen Kirchen gleichgestellt. An der Zeremonie im Thronsaal der Residenz nahmen der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko und Parlamentspräsident Andrej Parubij teil. Am Sonntagmorgen will Bartholomaios I. die Erklärung bei einem Festgottesdienst in der Georgskathedrale in Istanbul an Epiphanius übergeben.

70 Prozent orthodoxe Christen

Einer Umfrage zufolge betrachten die meisten Ukrainer die Gründung der eigenständigen orthodoxen Landeskirche als wichtigstes nationales Ereignis des Jahres 2018. Wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 und der andauernden Gefechte zwischen von Moskau unterstützten Separatisten und ukrainischen Soldaten in der Ostukraine war in Kiew der Ruf nach einer eigenen Kirche immer lauter geworden. Rund 70 Prozent der Ukrainer sind orthodoxe Christen.

Die russisch-orthodoxe Kirche wollte die höchste kirchenrechtliche Anerkennung der neuen ukrainischen Kirche durch Konstantinopel unbedingt verhindern und die Hoheit über das osteuropäische Land behalten. Kiew gilt als Wiege der russischen Orthodoxie. 988 begann dort die Christianisierung des damaligen Ostslawen-Reichs.

Machtkämpfe in der Kirche

Der Machtkampf zwischen den beiden Zentren Konstantinopel (Istanbul) und Moskau um die Ukraine hat die orthodoxen Kirchen in eine schwere Krise gestürzt. Gegner des Ökumenischen Patriarchats sprechen diesem das Recht ab, im Alleingang der neuen ukrainischen Kirche die Eigenständigkeit zu verleihen. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hatte Bartholomaios I. vor wenigen Tagen in einem Brief gedroht, wenn er den "Tomos" übergebe, höre er auf, "der Erste in der orthodoxen Welt zu sein". Die russisch-orthodoxe Kirche sieht die Ukraine als ihr Gebiet an und kämpft seit Monaten dagegen, die Gemeinden dort zu verlieren. Sie verfügt nach wie vor über beträchtlichen Einfluss sowie über die meisten Gemeinden im Land.

cgn/ml (ap, dpa, kna, rtre)