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Schafft das DEB-Team erneut ein "Wunder"?

Chuck Penfold Mitarbeit: Heiko Oldörp
9. Februar 2022

Nach dem sensationellen Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang liegt die Latte für das deutsche Eishockeyteam hoch. NHL-Star Leon Draisaitl traut der Mannschaft in Peking sogar Gold zu.

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Deutsche Eishockeyspieler präsentieren nach dem olympischen Finale 2018 in Pyeongchang ihre Silbermedaillen
Nicht Gold verloren, Silber gewonnen: das deutsche Eishockeyteam nach dem olympischen Finale 2018Bild: Reuters/B. Snyder

Genau 55,5 Sekunden fehlten der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang zur Goldmedaille. Zu diesem Zeitpunkt führte das deutsche Team im Finale gegen den Favoriten Russland noch sensationell mit 3:2. Doch in diesem Augenblick eroberte Nikita Gusev den Puck und schoss ihn über die rechte Schulter des deutschen Torwarts Danny Aus den Birken ins Netzt. 3:3, das Spiel ging in die Verlängerung. Und Russland gelang der entscheidende Treffer zum Olympiasieg. Die erste Enttäuschung wich rasch dem Stolz: Das deutsche Team hatte nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen. Es war der größte Erfolg der deutschen Eishockey-Geschichte.

Pyeongchang "eine unglaubliche Erfahrung"

"Bei mir löst das immer noch Gänsehaut aus. Es sind viele Emotionen im Spiel, wie Filmsequenzen, die hängen geblieben sind", sagte Christian Künast, Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), der DW - vier Jahre nach jenem Sonntagabend in Südkorea. "Es war einfach eine tolle Zeit, eine unglaubliche Erfahrung." Als Assistent des damaligen Bundestrainers Marco Sturm hatte Künast damals hinter der Bank gesessen.

Torwart Danny Aus den Birken war machtlos: das 3:4 im Finale von Pyeongchang 2018
Torwart Danny Aus den Birken war machtlos: das 3:4 im Finale von Pyeongchang 2018Bild: Reuters/D. W. Cerny

Was Deutschland vor vier Jahren in die Hände spielte, war die Tatsache, dass in Pyeongchang zum ersten Mal seit Olympia 1994 keine Spieler der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL dabei waren. Eishockey-Großmächte wie Kanada und die USA konnten den Verlust ihrer vielen NHL-Stars nicht kompensieren. Teams wie das deutsche, die nur eine Handvoll Spieler in der besten Eishockeyliga der Welt hatten, waren nicht annähernd so geschwächt. Das Medaillenrennen gestaltete sich dadurch deutlich offener.

Draisaitl: "Gleiche Ausgangsposition wie 2018"

Viele NHL-Stars hatten gehofft, nun 2022 in Peking dabei sein zu dürfen. Doch zum zweiten Mal in Folge entschied die Liga, ihre Profis nicht für die Olympischen Spiele abzustellen. Grund: die Corona-Pandemie. Auch Deutschlands Eishockey-Star Leon Draisaitl ist enttäuscht, dass er nicht für sein Heimatland auf Medaillenjagd gehen kann, sieht im Olympia-Aus für die NHL-Spieler aber auch einen Vorteil für das DEB-Team. "Es steht außer Frage, dass sich für Deutschland die Chancen erhöhen", sagte der 26 Jahre alte Spieler der Edmonton Oilers der DW. "Es ist die gleiche Ausgangsposition wie 2018. Ich wünsche den Jungs viel Glück. Ich hoffe, dass sie wiederholen können, was sie 2018 geschafft haben. Vielleicht klappt es ja diesmal mit der Goldmedaille."

Eishockey-Spieler Leon Draisaitl bei einem Spiel der Edmonton Oilers
Leon Draisaitl hat sich bei den Edmonton Oilers zum NHL-Superstar entwickeltBild: Curtis Comeau/Icon Sportswire/Imago Images

Auch Philipp Grubauer, Torwart in Diensten des NHL-Klubs Seattle Kraken, hofft auf ein gutes Abschneiden des deutschen Teams. "Es ist ein unglaublicher Kader, insgesamt sehr jung, aber auch mit Spielern, die über viel Erfahrung in der DEL [Deutsche Eishockey-Liga . Anm. d. Red.] und anderen Ligen verfügen. Dazu bringen Tobias Rieder und Tom Kühnhackl viel NHL-Erfahrung mit", sagte Grubauer der DW. Neben Kühnhackl und Rieder ist auch Dominik Kahun nach Europa zurückgekehrt. Alle drei zusammen haben fast 900 NHL-Spiele absolviert. "Es geht nicht nicht mehr um: Schauen wir mal, was geht. Ich bin mir sicher, dass die Jungs Gold gewinnen wollen", fügte Grubauer hinzu. "Du siehst, dass Silber möglich ist, warum also nicht Gold?"

Sportdirektor Künast wertet es dagegen nicht als Vorteil für Deutschland, dass die NHL-Stars in Peking erneut fehlen. "Ganz egal, ob sie nun mit 20 NHL-Spielern am Start sind oder mit 20 anderen - Nationen wie Kanada, die USA, Schweden oder Finnland werden mit sehr, sehr guten Mannschaften spielen", sagte Künast. "Wir hätten eine sehr gute Mannschaft mit den NHL-Spielern gehabt, wir haben auch eine sehr gute ohne sie. Bei den anderen Nationen ist es genauso."

Großes Selbstvertrauen

Seit Anfang 2019 ist Toni Söderholm Cheftrainer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Und der Finne hat dort weitergemacht, wo sein erfolgreicher Vorgänger Marco Sturm aufgehört hat. Im vergangenen November gewann das DEB-Team erstmals seit 2015 wieder den Deutschland Cup, bei der WM 2021 verpasste die Mannschaft nur knapp das Finale und belegte am Ende den vierten Platz.

Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm beim Spiel Deutschland - Schweiz bei der WM 2021
Toni Söderholm (2.v.r.) hat als Bundestrainer das DEB-Team auf Erfolgskurs gehaltenBild: Roman Koksarov/dpa/picture alliance

Obwohl er zweifellos gerne Spieler wie die NHL-Profis Draisaitl, Grubauer, Tim Stützle, Moritz Seider oder Niko Sturm in seinem Kader gehabt hätte, sieht Söderholm gute Chancen für sein Team. "Die Jungs wissen, was sie können. Sie können mit Selbstvertrauen antreten", sagte Söderholm der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er hoffe, dass die Mannschaft bis ins Halbfinale vordringen und "um die Medaillen kämpfen" könne.

Jedes Spiel ein Kampf

Bei aller Euphorie über die Silbermedaille von 2018 wird gerne vergessen, dass der Start ins Turnier für die Mannschaft von Marco Sturm in Pyeongchang alles andere als vielversprechend war. Nach zwei Niederlagen in den ersten beiden Spielen hatte das Team erst im dritten Spiel den ersten Sieg im Penaltyschießen gegen Norwegen eingefahren. Und auch auf dem weiteren Weg durch das Turnier standen die Erfolge stets auf des Messers Schneide: Siege in der Verlängerung gegen die Schweiz und Schweden, gefolgt von einem Erfolg mit nur einem Tor gegen Kanada. Das Team sorgte für Spannung, trat aber keineswegs dominant auf.

Vielleicht warnte DEB-Sportdirektor Künast deshalb vor übertriebenen Erwartungen: "Der Trend der vergangenen Jahre ist ganz ordentlich. Wir sind Fünfter der Weltrangliste. Aber das ist eine Momentaufnahme. Wir wissen, dass einige hinter uns stehen, die vorher vor uns waren. Insgesamt ist es bis zum 14. Platz sehr eng."

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.