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Politik

Russland verbietet deutsche Wahlbeobachter

3. Mai 2018

Die Europäische Plattform für Demokratische Wahlen wurde in Russland zur "unerwünschten Organisation" erklärt. Für Leiterin Stefanie Schiffer ist es "absolut absurd", dass sie nicht mehr nach Russland einreisen kann.

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Moskau Golos Wahlbeobachter
Bild: DW/Y. Vishnevets

DW: Frau Schiffer, wie überrascht waren Sie über das Verbot der Europäischen Plattform für Demokratische Wahlen (EPDE)?

Stefanie Schiffer: Sehr überrascht, das hatten wir nicht erwartet. Unsere russische Partnerorganisation Golos arbeitet einerseits mit der zentralen Wahlkommission zusammen, andererseits wird Golos in den Regionen sehr stark behindert. Das ist die Realität in Russland. Aber dass es den Dachverband in dieser Form treffen würde, das hatten wir nicht erwartet.

Wie lautet denn überhaupt die Begründung der russischen Generalstaatsanwaltschaft?

Das wissen wir nicht. Es ist ja auch keine gerichtliche Entscheidung in dem Sinne. Es ist eine Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, die abgesprochen wird mit dem Außenministerium und durchgeführt wird vom Justizministerium. Und wir wurden nicht direkt davon in Kenntnis gesetzt. Wir haben keinen Brief und auch keine Benachrichtigung bekommen und wir wissen ebenfalls nicht, gegen welches konkrete russische Gesetz wir angeblich verstoßen haben sollen. Wir haben jetzt einen Brief an die Generalstaatsanwaltschaft geschickt, um das zu erfahren, aber wir warten noch auf die Antwort.

EPDE ist die dreizehnte unerwünschte Organisation in Russland, die verboten wird. Davor waren vor allem die USA und andere Länder Europas betroffen. Nun also erstmals eine deutsche NGO. Was bedeutet das für das deutsch-russische Verhältnis?

Das wird noch schlechter. Eine Verbesserung ist es auf jeden Fall nicht. Der Bundesregierung liegt der Fall vor und das wird jetzt auf politischer Ebene diskutiert werden. Wir hatten gestern auch Gespräche im Petersburger Dialog. Dort wurde auf jeden Fall deutlich, dass diese Entscheidung so nicht akzeptiert wird.

Wiktor Subkow und Ronald Pofalla beim Petersburger Dialog 2017 im Roten Rathaus in Berlin
Wiktor Subkow und Ronald Pofalla, Vorsitzende des Petersburger Dialogs November 2017 im Roten Rathaus in Berlin Bild: Petersburger Dialog e.V.

Sie sprechen den Petersburger Dialog an, ein Forum, das 2001 ins Leben gerufen wurde, um den Dialog der Zivilgesellschaften beider Länder zu fördern. Wäre dann das Verbot der EPDE der erste Tagesordnungspunkt, wenn man sich Anfang November wieder in Moskau trifft?

Ich weiß nicht, ob es der erste ist, aber es wird auf jeden Fall unter den Themen sein, die da besprochen werden. 

Wie sollte sich denn Ihrer Meinung nach Deutschland jetzt positionieren?

Deutschland muss das Thema auf jeden Fall mit den russischen Kollegen besprechen und verlangen, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht wird. Es ist nicht akzeptabel, dass ich als Vorstandsmitglied vom Petersburger Dialog mit einem Einreiseverbot in die Russische Föderation belegt werden kann. Das ist absolut absurd und widerspricht der Idee des Dialogs. Deswegen wird die deutsche Seite, also die Regierung, die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft sich dafür einsetzen, dass das Verbot rückgängig gemacht wird. Als Konsequenz muss der Dialog auf jeden Fall verstärkt werden, und dabei muss auch über schwierige Fragen diskutiert werden. Und es kann eben nicht sein, dass Einreiseverbote ausgesprochen oder auch Kooperationen verboten werden.

Nun hat dieses Verbot nicht nur Konsequenzen für Sie, sondern vor allen Dingen auch für die russischen Bürger, die mit der EPDE in Russland zusammenarbeiten. Welche könnten das sein? 

Sitzung des Petersburger Dialogs
EPDE-Leiterin Stefanie Schiffer macht sich nach dem Verbot vor allem Sorgen um ihre russischen PartnerBild: DW/A. Brenner

Das ist in unserer Einschätzung eigentlich das Zentrale. Dass die EPDE in Zukunft keine Veranstaltung mehr in Russland durchführen kann, ist nicht so wichtig. Das haben wir in der Vergangenheit sowieso selten gemacht. Zentral ist aber, dass russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die mit uns zusammenarbeiten, mit Geldstrafen oder im Wiederholungsfall sogar mit Haftstrafen belegt werden. Und diese sind drakonisch. Darin sehen wir den Versuch, die russische Zivilgesellschaft von den europäischen Netzwerken abzuschneiden. Und das wäre nicht nur ein enormer Verlust für die russische Zivilgesellschaft, sondern in besonderer Weise auch für die europäische Zivilgesellschaft.

Warum?

Weil die russischen Wahlbeobachter methodisch extrem gut aufgestellt sind. Sie arbeiten nach international anerkannten Methoden der Wahlbeobachtung. Zusätzlich haben sie sehr innovative Verfahren entwickelt, mit denen Wahlfälschungen entdeckt werden können, mit denen somit die Qualität der Wahlen gemessen werden kann. Diese Ressourcen und diese Kenntnisse sollen jetzt international nicht mehr zugänglich gemacht werden. Das ist ein enormer Verlust. Außerdem werden natürlich die russischen Wahlbeobachter am europäischen Erfahrungsaustausch im Bereich Wahlbeobachtung gehindert. Alles zusammen ist es eine ganz entscheidende Beschneidung und Einschränkung der europäischen zivilgesellschaftlichen Arbeit.

Wenn immer wieder versucht wird, die Arbeit solcher NGOs zu torpedieren, kann man dann zusammenfassend sagen, dass die Arbeit von Wahlbeobachtern wichtiger ist denn je?

Auf jeden Fall. Weil autoritäre Staaten, außerhalb aber inzwischen auch innerhalb Europas, Einfluss nehmen auf Wahlen. Deswegen ist der europäische Austausch von Methoden besonders wichtig. Wir sehen auch politisch motivierte Wahlbeobachtung von autoritären Regierungen innerhalb und außerhalb Europas - wenn also bei offensichtlich gefälschten Wahlen Gefälligkeitsgutachten ausgestellt werden. Die methodisch gut basierte, neutrale und unabhängige Wahlbeobachtung steht extrem unter Druck und ist gleichzeitig extrem wichtig.

Wie glauben Sie, wie die Sache ausgeht? Glauben Sie, das Verbot wird wieder zurückgenommen?

Ich gehe davon aus, dass es zurückgenommen wird. Ich bin da optimistisch. Ich glaube, dass diese Gesetze, welche die russische Zivilgesellschaft in ihrer Arbeit einschränken, keinen Bestand auf Dauer haben.

Stefanie Schiffer ist Gründerin und Leiterin der europaweit agierenden deutschen Nichtregierungsorganisation "EPDE" ("Europäische Plattform für Demokratische Wahlen"), die seit vielen Jahren Wahlbeobachter in autokratisch geführten Ländern verbindet und unterstützt. Schiffer ist auch Vorstandsmitglied im Petersburger Dialog.

Das Gespräch führte Oliver Pieper.

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur