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Politik

Zurück aus Wuhan - Ende einer Odyssee

Jan D. Walter | Hyury Potter
9. Februar 2020

Zwei Wochen lang saßen sie in Wuhan fest. Dabei wollten Hui Zhang und ihre Tochter Isabela längst zurück nach Brasilien. Nach einer langen Odyssee haben sie es geschafft - doch nach Hause dürfen sie noch immer nicht.

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Hui Zhang und Tochter Isabela auf Weg nach Brasilien
Hui Zhangs Tochter Isabela auf dem Weg nach BrasilienBild: Privat

Nun wird alles gut. Inzwischen haben Hui Zhang und Pablo Lassalle allen Grund, fest daran zu glauben. Am Sonntagmorgen sind Zhang und die gemeinsame Tochter, die anderthalbjährige Isabela, am Samstagabend in Brasilien gelandet.

In die Arme schließen kann sich die Familie allerdings erst in 18 Tagen. Denn Hui Zhang und Isabela kommen mit jenem Sonderflug an, der eine Woche lang in Brasilien Schlagzeilen machte: dem Sonderflug der brasilianischen Luftwaffe, der 34 Brasilianer aus Wuhan abgeholt hat. Bevor sie nach Hause dürfen, werden sie - genau wie Besatzung und medizinische Begleiter - ohne Umwege aus dem Flugzeug in die Militärbasis von Anápolis gebracht, in der die brasilianischen Behörden in dieser Woche eine Quarantänestation eingerichtet haben.

China | Coronavirus | Hui Zhang und Tochter Isabela in Wuhan, China
Hui Zhang und Tochter Isabela in WuhanBild: privat

Zwei Wochen Bangen in Isolation

Mit der Rückkehr von Hui Zhang und ihrer brasilianischen Tochter Isabela aus Wuhan geht eine mehr als zweiwöchige Zitterpartie zu Ende. Zhang war bereits im Oktober vergangenen Jahres nach China gereist, um ihre Familie zu besuchen. Die Rückreise war für das Neujahrsfest am 25. Januar geplant. Doch dazu kam es nicht. Am 23. Januar erklärte die chinesische Regierung Wuhan zum Sperrgebiet: Seither darf niemand mehr die Stadt ohne Sondererlaubnis verlassen. Vier Tage später verhängte die Regierung eine Ausgangssperre über Wuhan: Jetzt darf niemand mehr die Wohnung ohne wichtigen Grund verlassen.

In einem Youtube-Video hat Zhang die Situation beschrieben: "Wir können die Wohnung nicht verlassen, wir haben große Angst, sind sehr angespannt und traurig", erklärt sie auf Englisch. "Es ist wie in einem Gefängnis. Wir haben nicht genug Essen zu Hause. In ein paar Tagen muss ich einen Weg finden, Lebensmittel zu kaufen."

Hinzu kam der Frust über die Haltung der brasilianischen Regierung, dem Zhang in einem zweiten Video Luft macht: "Wir haben gehört, dass die amerikanische Regierung bereits ein Flugzeug geschickt hat, das alle US-Amerikaner in Wuhan zurück in die USA bringt. Japan, Frankreich und andere tun dasselbe", sagt Zhang, "Wir hoffen, dass die brasilianische Regierung dasselbe tut."

Bolsonaro lenkt ein

Während viele Staaten die Rückholung ausreisewilliger Landsleute aus Wuhan bereits organisierten, lehnte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro eine solche Aktion als "unangebracht" ab: "So ein Flug ist teuer … 500.000 US-Dollar." Aber wenn jemand das Budget aufbringe, dann würde er sich sofort darum kümmern.

Kümmern bedeute aber erst einmal eine juristische Grundlage für eine wirksame Quarantäne zu schaffen. Nach brasilianischem Recht, gab Bolsonaro zu bedenken, könne es nämlich als Freiheitsberaubung gelten, Menschen in Quarantäne zu zwingen. Und wenn ein Gericht die Freilassung anordnen würde: "Dort haben wir ein paar Dutzend Leben, hier haben wir 210 Millionen Brasilianer." Noch Ende der vergangenen Woche signalisierte der sonst so entscheidungsfreudige Präsident, dass man darüber erst einmal nachdenken müsse, und gab zu verstehen, ohne ein wirksames Gesetz, wolle er diese Verantwortung nicht übernehmen.

Dann aber ging es tatsächlich schnell: Übers Wochenende beriet sich Bolsonaro mit seinen zuständigen Ministern und erklärte am Sonntag, alle Brasilianer würden aus Wuhan und der Provinz Hubei abgeholt. Am Mittwochvormittag bewilligte der Kongress das neue Quarantäne-Gesetz, und bereits am Abend hoben zwei Militärjets der brasilianischen Präsidentenflotte ab Richtung Wuhan.

Letzte Unsicherheit

Für die Familie Lassalle Zhang war das jedoch noch nicht die Erlösung. Denn bis zuletzt war nicht klar, ob Hui Zhang und Isabela China überhaupt gemeinsam würden verlassen können. Denn Zhang ist Chinesin, die Rückholung aber war zunächst nur für brasilianische Staatsbürger vorgesehen. Erst im Laufe des Donnerstag erhielt sie die Nachricht von der brasilianischen Botschaft, sie solle sich zur Abholung bereithalten. Damit stand nur noch eine Unsicherheit der Heimreise im Weg: Niemand, der Symptome der Corona-Infektion zeigt, darf an Bord gehen. Doch einen Tag später sind auch diese Zweifel ausgeräumt: Hui Zhang und Isabela werden gemeinsam nach Brasilien fliegen.

Am gleichen Tag kündigte Bolsonaro laut brasilianischer Nachrichtenagentur "Agencia Brasil" sogar an, die brasilianische Luftwaffe werde weitere ausländische Staatsangehörige aus China ausfliegen, darunter Polen. Auf der Route nach Brasilien sind vier Zwischenlandungen vorgesehen: Urumqi (China), Warschau (Polen), Las Palmas (Spanien) und Fortaleza (Brasilien). Am Sonntagmorgen um 3 Uhr Ortszeit hieß es dann: Mission erfüllt: Beide Maschinen sind sicher in Anápolis gelandet.

Nun liegen noch zweieinhalb Wochen vor der Familie Lassalle Zhang, aber es sind zweieinhalb Wochen in Sicherheit - weit weg von der dystopischen Situation in Wuhan. Das Personal der Quarantänestation hatte bereits am Samstag Fotos der Zimmer verschickt. Beim Anblick des Kinderbetts für sein Töchterchen mit deren Namen darauf, schreibt Pablo Lassalle auf Facebook, habe er geweint: "Nun sehe ich den Respekt, den man meinem Mädchen entgegenbringt. Die Mission ist jetzt schon ein Erfolg!" Die verbleibende Wartezeit sei nun das Geringste, sagt er der DW: "Hauptsache sie sind zurück in Brasilien."

Brasilien Anapolis Evakuierung Coronavirus Wuhan
Sicher gelandet: Hui Zhang und Isabela sind unter den 34 Personen, die die brasilianische Luftwaffe aus Wuhan geholt hatBild: Reuters/A. Machado

(Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde mit Fortschritt der Rückreise mehrfach aktualisiert. In der ersten Version hieß es, Pablo Lassalle würde in Anápolis auf seine Familie warten. Dies hatte er auch geplant, die Reise dann aber doch verschoben.)

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.