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Deußer: "Plötzlich rufen Reit-Legenden an"

3. Oktober 2021

Daniel Deußer, Nummer eins der Welt im Springreiten spricht im DW-Interview über seinen Sieg beim CHIO in Aachen, die vom Modernen Fünfkampf entfachte Tierschutz-Debatte im Reitsport und "schreckliche Spiele" in Tokio.

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AACHEN - CHIO Aachen 2021
Erfolgreiches Paar: Daniel Deußer und seine Stute Killer QueenBild: nordphoto GmbH / Lafrentz/dpa/picture alliance

DW: Herr Deußer, Sie haben sich mit dem Sieg beim CHIO in Aachen einen großen sportlichen Traum erfüllt und das anschließend mit dem Wort: "Endlich!" kommentiert. Wann haben Sie wirklich realisiert, was Ihnen da gelungen ist?

Daniel Deußer: Das war in den darauf folgenden Tagen, weil ich immer wieder Anrufe von echten Legenden des Reitsports bekommen habe, die den Großen Preis von Aachen vor 20, 30 oder 40 Jahren auch schon gewonnen haben. Nelson Pessoa, Franke Sloothaak, Thomas Frühmann oder Hugo Simon - solche Namen hatte ich hinterher am Telefon und sie haben mir gratuliert. Da ist mir dann doch langsam bewusst geworden, was eigentlich passiert war. Natürlich hat man sich auch in Aachen schon gefreut und gefeiert, aber wenn ich das vergleiche mit anderen großen Preisen, die ich in meinem Leben schon gewonnen habe, da gab es diese Reaktionen nicht.

Nicht nach Wunsch lief es für Sie dagegen zuvor bei den Olympischen Spielen in Tokio. Im Einzel waren sie am Ende 18., auch mit dem Team ist nicht der gewünschte Erfolg gelungen. Was hat in Tokio nicht gepasst?

Es ist immer ein Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd und wir waren uns einfach nicht so einig in Tokio. Der erste Tag lief gut, am Ende des Finalspringens hatte ich dann aber zwei Fehler. Killer Queen war gut in Form, aber die Abstimmung zwischen uns war nicht so, wie sie hätte sein sollen. Leider können wir mit den Pferden nicht sprechen und müssen daher herausfühlen, in welcher Situation sich das Pferd am besten fühlt oder wie man ans Hindernis kommen muss, um den besten Sprung zu erzielen. Es sind Kleinigkeiten, die man nur schwer erklären kann. Aber wenn das Zusammenspiel nicht funktioniert, kommt natürlich auch der eine oder andere Fehler zustande.

"Es waren schreckliche Spiele in Tokio"

Würden Sie - vom Sportlichen mal abgesehen - sagen, es waren trotzdem schöne Olympische Spiele?

Nein, es waren schreckliche Spiele. Mit der ganzen Corona-Situation, in dem Moment in Tokio zu sein, mit der Quarantäne, das war absolut kein Vergnügen. Wir wussten das zwar im Vorfeld, aber dass es dann so streng würde, habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Rückblickend haben wir mehr auf dem Hotelzimmer gesessen als alles andere. Das war wirklich nicht schön.

Ein olympischer Tiefpunkt war sicherlich der Ritt von Fünfkämpferin Annika Schleu, der eine ziemlich hitzige Debatte über Tierschutz beim Reiten und die Daseinsberechtigung des Reitsports generell ausgelöst hat. Warum ist diese Diskussion Springreitern gegenüber unfair?

Springreiter arbeiten tagtäglich und über Jahre hinweg mit ihren Pferden zusammen. Dabei sagt man dem Pferd nicht, was es machen muss, sondern das sind Dinge, die man erfühlen muss, die mit ein klein wenig Kontrolle, Kommunikation oder dem leichten Druck, den man mit dem Bein auf das Pferd ausübt, zu tun haben. Das ist ein sehr komplexes Thema und muss über viele Jahre gelernt werden. Daher verstehe ich nicht, wie man - wenn man vier andere Sportarten beherrschen muss - die Reiterei zum Modernen Fünfkampf dazu nehmen kann.

Kann man das Reiten im Fünfkampf überhaupt mit Spezial-Springreiten vergleichen?

Sicherlich findet das Springreiten im Fünfkampf auf einem anderen Level statt als bei uns. Die Pferde springen über Hindernisse von 1,30 Meter leichter als über 1,60 Meter. Aber die grundsätzliche Idee im Modernen Fünfkampf ist ja, dass - auch bei den Olympische Spielen - Leihpferde geritten werden, und das ist für mich ein absolutes No-Go.

Tokio 2020 - Olympia - Annika Schleu
Olympischer Tiefpunkt: Fünfkämpferin Annika Schleu auf dem Olympia-Leihpferd Saint BoyBild: Stanislav Krasilnikov/picture alliance/dpa/TASS

Zusätzlich ist es auch von Sportler zu Sportler total unfair, denn vielleicht ist das eine Pferd wirklich besser oder einfacher zu reiten als das andere, oder es macht etwas mehr von alleine. Das ist ein ganz schwieriges Thema, und es ist schade, dass die Kritik dann auch auf unsere Sportart übertragen wird. Man muss es verschieden betrachten: Ich bin der Meinung, dass unser Sport auch für die Pferde ausgerichtet ist. Wir versuchen das Beste für unseren Partner und wollen die besten Bedingungen schaffen. Denn wenn die nicht stimmen, erzielen wir auch keine Leistungen mit unserem Pferd. Wenn es aber um den Reitsport im Modernen Fünfkampf geht, dann bin ich dagegen und der Meinung, dass er abgeschafft werden sollte.

Sie selbst haben es im olympischen Teamwettbewerb anders gemacht: Nach einer Verweigerung Ihrer Stute Killer Queen haben Sie den Ritt abgebrochen und sind aus dem Parcours geritten.

Das war völlig normal für mich, weil einfach in dem Moment Kommunikation und Abstimmung zwischen mir und Killer Queen nicht gestimmt haben. Das innerhalb von Sekunden so zu verändern, dass man danach weiterspringt, als sei nichts gewesen, ist eigentlich unmöglich. Auch um weitere Fehler zu vermeiden oder auch Unfällen vorzubeugen, habe ich mich daher entschlossen, aus dem Parcours zu reiten.

"Nummer eins der Welt zu sein, ist Motivation"

Sie sind momentan die Nummer eins der Weltrangliste, und das bereits zum dritten Mal in Ihrer Karriere. In anderen Sportarten, wie dem Tennis beispielsweise, ist das eines der höchsten sportlichen Ziele. Wie hoch ist der Stellenwert der Nummer eins beim Springreiten?

Einmal die Nummer eins zu werden, war für mich ein ganz großes Ziel. Das habe ich vor ein paar Jahren erreicht. Jetzt bin ich es schon zum dritten Mal, aber ich kann trotzdem nicht sagen, dass es unbedeutend ist.

CHIO Aachen
Größter Einzelerfolg: Daniel Deußer nach seinem Sieg beim Großen Preis von AachenBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Es bringt mir zwar keinen Vorteil, weil ich dadurch bereits automatisch für bestimmte Springen vorqualifiziert wäre, aber es gibt dem ganzen Team hinter mir das Gefühl, dass wir gut gearbeitet haben und es ist eine große Motivation, so weiterzumachen. Von daher macht es Freude, wieder Nummer eins zu sein.

Daniel Deußer, Jahrgang 1981, ist einer der erfolgreichsten deutschen Springreiter der vergangenen Jahre. Mit der deutschen Equipe gewann er 2016 in Rio die olympische Bronzemedaille, außerdem dreimal EM-Silber (2013, 2015, 2019). Sein größter Einzelerfolg ist der Sieg im Großen Preis von Aachen in diesem Jahr. Deußer lebt und arbeitet in Belgien. Er ist Vater einer Tochter.

Das Interview führte Andreas Sten-Ziemons