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"Albanien ist stark erdbebengefährdet"

Angelina Verbica
29. November 2019

Zusammen mit anderen Balkan- und Mittelmeerstaaten ist Albanien ein von Erdbeben stark gefährdetes Gebiet. Es ist dringend notwendig, Gebäude sicherer zu machen, sagt der Seismologe Frederik Tilmann im DW-Interview.

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Nach dem Erdbeben in Albanien
Große Zerstörungen nach dem Erdbeben in AlbanienBild: picture-alliance/AA/O. Shehu

DW: Nach dem Erdbeben der Stärke 6,4 am Dienstag in Durrres und Thumane, mit vielen Opfern, folgten weitere starke Nachbeben. Wie erklärt sich diese intensive Beben-Aktivität entlang der albanischen Küste?

Frederik Tilmann: Nach einem starken Erdbeben wird die Spannung in der Umgebung des Bebens massiv beeinflusst. Wo sich die Spannungen in der Erde erhöhen, können weitere Erdbeben ausgelöst werden, sogenannte Nachbeben. Im allgemeinen nimmt die Aktivität in den darauffolgenden Tagen erst recht zügig, dann langsamer ab, und es gibt dafür auch Anzeichen mit sechs Nachbeben.

Frederik Tilmann, Deutsches GeoForschungsZentrum
Frederik Tilmann, Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)Bild: GFZ

Es kann allerdings auch später, insbesondere nach größeren Nachbeben zu einem erneuten Aufflackern der Aktivität kommen. Die Produktivität von Nachbebensequenzen unterscheidet sich teilweise recht deutlich zwischen verschiedenen Erdbeben, und das Erdbeben in Albanien hat in Anbetracht der Stärke eine recht große Zahl von Nachbeben ausgelöst.

Lässt sich voraussehen, wie lange diese Phase dauern kann, und ob es weitere Nachbeben mit hoher Stärke geben kann?

Hier lässt sich leider keine definitive Aussage treffen, sondern man kann nur statistische Aussagen machen. Es muss aber auch weiterhin mit stärkeren Nachbeben mit Stärken über fünf auf der Richterskala gerechnet werden. Die gute Nachricht ist, dass die Aktivität in den nächsten Tagen und Wochen graduell abklingen wird. Leider kommt es manchmal zu längeren Sequenzen größerer Erdbeben wie in Zentralitalien 2016 und 2017. Bisher können Wissenschaftler daher nicht definitiv ausschließen, dass es auch zu einem noch größeren Beben kommen kann, aber wahrscheinlich ist dieses Szenario nicht.

Wie erklären sie die Anhebung von zehn Zentimeter der Erdoberfläche bei Durres, die nach dem letzten Erdbeben von dem Satellit Sentinel -1 der ESA (European Space Agency) gemessen wurde?

Auch wenn das Erdbeben in einer Tiefe von etwa 24 km stattgefunden hat, und der Bruch nicht die Erdoberfläche erreicht, verursacht das Beben Spannungen in der Umgebung, die in diesem Fall zur Hebung der Erdoberfläche führen. An anderen Stellen kann es zu einer geringfügigen Senkung kommen, wobei bei dem vorliegenden Erdbebentyp die Hebung überwiegt. Über geologische Zeiträume von Millionen von Jahren können die aufsummierten Effekte von tausenden von Erdbeben dann zur Bildung von Gebirgen wie den Dinariden führen.

Die albanische Presse zitierte einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1943 zu einer Studie des Italieners Carlo Morelli, der in dem Buch "Carta sismica del l 'Albania" Albanien als das von Erdbeben zweitgefährdeste Land in der Welt hinter Japan sieht. Wenn das auch ungefähr stimmen sollte, wäre es dringend notwendig nur erdbebensichere Gebäude zu bauen. Was braucht man, um das auch realisieren zu können?

In Japan treten ohne Zweifel eine höhere Anzahl größerer Beben auf, und Beben der Größenordnung von 6,4 wie das Beben in Albanien sind keine Seltenheit. Die meisten treten allerdings unterseeisch in einiger Entfernung der Küste auf, und führen daher an Land nicht zu größeren Erschütterungen. Trotzdem ist die Gefährdung durch Erdbeben in Japan deutlich höher als in Albanien. Im Nachgang des Kobe-Erdbebens 1995 hat aber Japan viele Maßnahmen getroffen, insbesondere auch mit strikten Baunormen, so dass es einer der Orte der Welt ist, von einem Erdbeben überrascht zu werden.

Infografik Karte Erdbeben in Albanien DE

Albanien ist ohne Zweifel in einer stark erdbebengefährdeten Zone, in Europa zusammen mit weiteren Balkanländern, sowie Italien, Griechenland und der Türkei. Insofern ist es auf jeden Fall notwendig, die Gebäude so zu bauen oder nachzurüsten, dass sie auch bei stärkeren Erschütterungen nicht zusammenbrechen.

Das Gespräch führte Angelina Verbica

Frederik Tilmann ist ein deutscher Geophysiker. Er ist Sektionsleiter für Seismologie beim Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam.