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Trumps Protektionismus - Europas Chance?

Jefferson Chase ge
25. Januar 2017

Wirtschaftminister Sigmar Gabriel sieht gute Chancen für Europa, die Lücke zu füllen, die Trumps Handelspolitik in Asien hinterlässt. Ökonomen sehen aber insgesamt erhebliche Unsicherheiten für den Welthandel.

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Hamburg ohne Freihafen
Bild: picture-alliance/dpa

Der neue amerikanische Präsident mag sich nicht für TPP interessieren, aber Europa sei gut beraten, seinerseits die Handelsbeziehungen mit asiatischen Staaten zu intensivieren. Das ist der Tenor eines Interviews mit Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), das einen Tag nach dem amerikanischen Rückzug aus TPP im "Handelsblatt" erschien.

"Wenn Trump einen Handelskrieg mit Asien und Südamerika beginnt, eröffnen sich damit auch Chancen für uns", sagt Gabriel. "Die amerikanische Volkswirtschaft ist häufig nicht wettbewerbsfähig, die deutsche schon."

Die anderen elf TPP-Nationen haben bereits ihre Absicht bekräftigt, das Abkommen auch ohne die USA durchzuziehen. Gabriel hält Washingtons neue Wirtschaftspolitik für falsch.

"Das wird erst einmal sehr teuer für die Amerikaner selbst. Wirtschaft funktioniert nicht mit Druck und Anordnungen aus der Politik", so Gabriel. "Für Europa sehe ich auch Chancen, wenn sich Trump nicht nur gegen China, sondern gegen ganz Asien abgrenzt. Die Räume, die Amerika frei macht, müssen wir jetzt nutzen."

Gabriel ist alles andere als ein Fan des neuen amerikanischen Präsidenten. Aber Trumps Isolationismus als Chance zu begreifen ist eine Ansicht, der man im politischen Berlin jetzt häufiger begegnet.

Eine willkommene Chance

Gabriels Sicht der Dinge wird auch in der Union geteilt. Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, sieht die Lage ähnlich. Auch er fordert Europa auf, in die Lücke zu springen, die Trumps Isolationismus hinterlässt - inklusive TPP.

"Warum nicht?" sagt Fuchs der DW. "Wenn die Amerikaner TPP aufgeben, dann sollten wir uns überlegen, ob wir da nicht reingehen sollten." Asien eröffne Europa neue Möglichkeiten, wenn die Handelsbeziehungen mit den USA sich abkühlen. Als ehemaliger Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels blickt Fuchs auf jahrzehntelange Erfahrung in den europäisch-asiatischen Handelsbeziehungen zurück.

"Der chinesische Präsident Xi Jinping hat in Davos gesagt, er könne sich vorstellen enger mit Europa zusammenzuarbeiten. Das ist eine Chance, die wir ergreifen sollten", sagt Fuchs. "Ich bin optimistisch, dass wir da Geschäfte machen können, und wir sollten sie machen, weil wir nicht wissen wie sich die Dinge unter Trump entwickeln."

Fuchs sieht in China und Indien mit ihren rasch wachsenden Bevölkerungszahlen attraktive Zielregionen für deutsche Exporte, im Gegensatz zum relativ "saturierten" US-Markt. Probleme sieht er allerdings bei der Gleichberechtigung. Chinesische und europäische Unternehmen hätten nicht die gleichen Voraussetzungen, was die Eigentumsverhältnisse von Firmen oder Importzölle betrifft.

Trotz der Unsicherheiten, die Trumps Handelspolitik schafft, erwartet Fuchs aber keine seismischen Veränderungen im Welthandel. Es gelte weiterhin, abgeschlossene Handelsverträge einzuhalten. Und nicht nur das.

"Die Amerikaner werden schnell merken, wie angewiesen sie auf gute Handelsbeziehungen mit Europa sind, und das gilt auch umgekehrt", sagt Fuchs. "Die Amerikaner werden nicht plötzlich ohne europäische Zulieferer auskommen können. Das gilt besonders für deutsche Unternehmen, weil wir eine Reihe von Produkten herstellen, auf die die Amerikaner angewiesen sind."

Ein geopolitisches Eigentor

Niemand weiß sicher, wie weit Trump gehen wird - ob er gar einen Handelskrieg riskiert, um seine protektionistische Agenda  umzusetzen. Aber deutsche Ökonomen und Politiker sind sich einig: Trumps erster Schritt in diese Richtung war in Fehler. Nach Ansicht des Kölner Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) wird China einen separaten Deal mit den TPP-Partnern suchen.

"Ich glaube, die USA schießen gerade ein geopolitisches Eigentor", sagte IW-Analyst Jürgen Matthes der DW. "TPP war dazu gedacht, China draußen zu halten, und die USA haben das aufgegeben."

Faktencheck: Deutsch-Amerikanischer Handel

Ökonomen sind sich einig, dass Deutschland und Europa den Handel mit Asien intensivieren müssen, und sei es nur, um sich gegen möglicherweise wegbrechende Umsätze auf dem US-Markt abzusichern. Aber auch hier gibt es Risiken: Niemand will einen wichtigen internationalen Handelspartner gegen sich aufbringen - oder möglicherweise einen globalen Handelskrieg anfachen.

"Wenn man sich von einem engen Handelspartner nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit abwendet und neue Beziehungen mit anderen Partnern aufbaut, ist das immer riskant", sagt Thore Schlaak vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Indien ist ein gutes Beispiel. Ein Riesenland mit einer Milliarde Einwohnern, aber ein weitgehend unbekanntes Territorium für deutsche Unternehmen."

Große Asymmetrien

Trumps Anhänger lehnen große internationale Handelsverträge ab. Wie wahrscheinlich ist also ein Richtungswechsel in den Handelsbeziehungen, weg vom ehemals wichtigsten Partner, hin zu neuen Freunden in Asien und Südamerika?

Sowohl Schlaak als auch Matthes glauben, dass Traditionen, gegenseitige Abhängigkeiten und bestehende Verträge, Regeln und Institutionen wie die WTO eine Kernschmelze in den europäisch-amerikanischen Handelsbeziehungen verhindern werden. Kleinere Länder müssten sich aber auf härtere Zeiten einstellen.

"Trump wird Verträge mit Mexiko und Kanada aushandeln, aber er wird viel härtere Forderungen aufstellen", glaubt Gabriel Felbermayer vom Münchner Zentrum für Außenwirtschaft. "Und die werden Trumps Bedingungen akzeptieren, weil die Asymmetrien so gigantisch sind. Die USA repräsentieren schließlich ein Viertel des Weltmarkts."

Viel wird davon abhängen, wie weit Trump wirklich gehen wird, um seine "America First"-Agenda auch gegen die Interessen wichtiger Handelspartner durchzusetzen. Alle drei Ökonomen können sich nur schwer vorstellen, dass Trump handelspolitisch ganze Weltregionen wie Asien aufgeben wird, nur um amerikanische Jobs zu schützen. Dennoch kann man einige Zweifel heraushören. Denn sicher ist bei Donald Trump nur, dass er immer für eine Überraschung gut ist.