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UN-Report: Riesige Finanzlücke bei der Klimaanpassung

Stuart Braun
2. November 2023

Mehr als 366 Milliarden Dollar fehlen jedes Jahr für die Klimafinanzierung, damit wachsen die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels und Verluste durch Extremereignisse, so ein neuer UN Bericht. Was ist zu tun?

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Eine zerstörte Straße in Acapulco (Mexiko) nach dem Hurrican Otis am 25.10.2023
Länder wie Mexiko benötigen viel mehr Mittel, um sich an klimabedingte Katastrophen wie den Hurrikan Otis anzupassenBild: Marco Ugarte/AP Photo/picture alliance

Angesichts schwerer Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen in den letzten Monaten fordert ein neuer Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) dringend mehr Geld für Anpassungsmaßnahmen gegen Klimaextreme.

Der  "Adaptation Gap Report 2023 Underfinanced. Underprepared"weist darauf hin, dass entsprechende Investitionen im Jahr 2021 zurückgingen, und die Anzahl neuer Projekte seit einem Jahrzehnt stagniert, obwohl die Auswirkungen der Klimakrise schlimmer werden.

Die Finanzierungslücke ist inzwischen auf 194 bis 366 Milliarden US Dollar (183 bis 345 Milliarden Euro) pro Jahr gewachsen, das ist doppelt so viel wie vor der Studie angenommen worden war. Laut UNEP geht ein Teil der fehlenden Finanzen zurück auf die wirtschaftlichen Folgen der COVID-Pandemie und der russischen Invasion in die Ukraine.

Der Bedarf an Anpassungsfinanzierung in klimagefährdeten Entwicklungsländern liegt der Analyse zufolge zehn- bis 18-mal über dem Betrag, den sie derzeit erhalten. "Das ist eine äußerst besorgniserregende Verlangsamung", so UNEP-Chefin Inger Andersen.

"Wir befinden uns in einem Anpassungsnotstand. Wir müssen handeln und jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Anpassungslücke zu schließen", betont UN-Generalsekretär António Guterres in einer Mitteilung zu dem Bericht.

Die Anpassungsfinanzierung könne einen großen Unterschied machen, wenn sie jetzt erfolge, schreiben die Autoren des Berichts. Wenn jährlich 16 Milliarden US-Dollar in eine hitze- und dürreresistente Landwirtschaft investiert würden, etwa in besseres Wassermanagement oder Wiederaufforstungsprogramme, könnten rund 78 Millionen Menschen vor Hunger oder chronischer Unterernährung bewahrt werden.

Jeder Dollar, der in die Anpassung an Küstenüberschwemmungen investiert würde, könnte wirtschaftliche Schäden in Höhe von 14 Dollar verhindern, die durch extreme Stürme und Anstieg des Meeresspiegels verursacht werden.

Doch 2021 stellten internationale Finanzierungsmechanismen nur 21 Milliarden US Dollar für Klimaanpassung in Entwicklungsländern bereit, 15 Prozent weniger als im Vorjahr.

Dürre im  Amazonas. Mann mit Boot im fast ausgetrocknetem Flussbett in Careiro da Varzea, Brazilien.
Die Suche nach Wasser während einer historischen Dürre im Amazonas im Oktober 2023. Ohne zusätzliche Mittel für Klimamaßnahmen steigen die Folgekosten noch schneller. Bild: Bruno Kelly/REUTERS

Ein Teil des Problems bestehe darin, dass Regierungen und private Geldgeber in Krisenzeiten vor allem Geld für die Katastrophenhilfe geben und langfristige Anpassungsmaßnahmen nicht ausreichend finanzieren, erklärt Hauptautor Henry Neufeldt.

Dieser reaktive Ansatz werde Klimafonds in der Zukunft dazu zwingen, deutlich höhere Anpassungskosten zu zahlen. Gleiches gelte für Verluste und Schäden (Loss and Damage) sowie die Klimakompensationen, die die größten Verursacher von Treibhausgasen zahlen müssten, einem zentralen Thema der diesjährigen UN-Klimakonferenz COP 28 in Dubai.

UNEP-Leiterin Andersen fordert, dass die Konferenz "der Moment (wird) in dem sich die Welt dazu verpflichtet, einkommensschwache Länder und benachteiligte Gruppen vor schädlichen Klimaauswirkungen zu schützen".

"Viele Auswirkungen können noch verhindert werden"

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen identifiziert sieben Möglichkeiten zur Erhöhung der Finanzmittel, unter anderem durch Inlandsausgaben, internationale Finanzmittel und den Privatsektor.

Doch zunächst müsse die Anpassung eine Schlüsselkomponente einer umfassenderen internationalen Klimafinanzierung sein, die sich auch auf Minderung der Erwärmung sowie Verluste und Schäden konzentriere. Diese öffentliche Finanzierung sollte die Bedürfnisse und Prioritäten der Entwicklungsländer und insbesondere von Frauen und benachteiligten Gruppen berücksichtigen. Dafür seien zudem viel mehr private Investitionen erforderlich.

Auf der Klimakonferenz 2021 in Glasgow hatten sich die Staaten verpflichtet, die internationale Finanzierung zur Klimaanpassung bis 2025 auf 40 Milliarden zu verdoppeln. Bis 2030 müsse nun diese gemeinsame Klimafinanzierung noch "erheblich" erhöht werden, betont UNEP.  

Doch selbst wenn die bisher beschlossene Erhöhung erreicht würde, werde das die Lücke im Bedarf nur zu "fünf bis zehn Prozent" decken, erklärt Neufeldt.

Harjeet Singh von der Denkfabrik Climate Action Network (CAN), betont den Nutzen höherer Mittel für Anpassung. "Es gibt immer noch viele Auswirkungen, die verhindert werden können, wenn wir unsere Häuser nachrüsten und klimaresistentes Saatgut haben."

Singh schlägt vor, dass das Finanzierungsdefizit teilweise ausgeglichen werden könnte, "wenn wir anfangen, fossile Brennstoffe und umweltverschmutzende Industrien zu besteuern und zu bestrafen".

"Es ist schockierend und zugleich ironisch, dass Unternehmen für fossile Brennstoffe, die für die Entstehung und Verschärfung der Klimakrise verantwortlich sind, weiterhin Gewinne in Höhe von Hunderten von Milliarden Dollar machen", so Singh gegenüber der DW.

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Bisher zahlen die Verursacher für die Klimaschäden nicht. Mit entsprechenden Maßnahmen ließe sich das ändern

Ziel sei es zudem nicht nur, dringend benötigte Anpassungsbemühungen im globalen Süden zu finanzieren, sondern auch den sogenannten "gerechten Übergang" von Öl und Gas zu sauberer Energie in ärmeren Ländern.

Studienautor Neufeldt ist überzeugt, dass sich "der mangelnde Ehrgeiz der Regierungen des globalen Nordens zur Unterstützung der Anpassung" ändern muss, um die massive Finanzierungslücke zu schließen.

Der Bericht stellt fest, dass die Anpassungsplanung und -umsetzung derzeit weitgehend stagniert. Zwar haben inzwischen fünf von sechs Ländern mindestens ein nationales Anpassungsplanungsinstrument, darunter auch naturbasierte Lösungen wie Wiederaufforstung zur Verbesserung der Ernährungssicherheit, doch verlangsamte sich die Planung für weitere Maßnahmen.

So verringerte sich laut Bericht 2022 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Anpassungs-Projekte, die von vier internationalen Klimafonds unterstützt wurden.

"Wir müssen den Prozess neu beleben", so Neufeldt. "Die Klimaauswirkungen nehmen zu, unsere Investitionen jedoch nicht".

Jetzt investieren verhindert mehr Schäden in der Zukunft 

Die schleppende Finanzierung der Anpassung und fehlende Klimaschutzmaßnahmen führten zu erhöhten Verlusten und Schäden, heißt es in dem UN-Bericht.

"Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass wir mehr Verluste und Schäden erleben werden, wenn wir uns jetzt nicht anpassen", sagt Singh.

Neufeldt betont, dass Anpassung längst nicht mehr nur Vorbereitung für die Zukunft in einer schlimmer werdenden Krise sei.

"Sehen sie die Waldbrände an, die Überschwemmungen in Pakistan letztes Jahr, die Überschwemmungen in China dieses Jahr", so Neufeldt." Je weniger wir uns anpassen und die Klimaerwärmung abbremsen, desto mehr Verluste und Schäden müssen wir verkraften. Das ist viel teurer, als sich jetzt anzupassen."

Der Beitrag erschien zuerst auf Englisch und wurde von Gero Rueter adaptiert. Redaktion: Anke Rasper

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.