1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neuer US-Präsident, neue Ära: US-Künstler hoffnungsvoll

Sven Töniges
21. Januar 2021

US-Kulturschaffende sind erleichtert. Sie hoffen, dass das Präsidententeam Joe Biden und Kamala Harris im Weißen Haus ein neues Kapitel aufschlägt.

https://p.dw.com/p/3oEq6
Jeffrey Eugenides
Der US-amerikanische Schriftsteller Jeffrey EugenidesBild: picture alliance/Effigie/Leemage

Immerhin einen letzten kulturellen Akzent setzte Donald Trump am letzten Tag seiner Präsidentschaft. Er begnadigte den schwarzen Rapper Lil Wayne und setzte die Haftstrafe für dessen Kollegen Kodak Black herab. Beide waren wegen Verstößen gegen Waffengesetze verurteilt worden. Davon abgesehen blicken Kulturschaffende erschöpft und entsetzt auf die vergangenen vier Jahre und setzen viel Hoffnung auf die neue Ära von US-Präsident Joe Biden und seiner Vize-Präsidentin Kamala Harris."Joe Biden ist nicht so ein guter Redner und auch nicht so schick und cool angezogen wie Barack Obama", sagte US-Schriftsteller Jeffrey Eugenides der DW, bekannt geworden vor allem durch die Romane "Virgin Suicides" (Die Selbstmord-Schwestern, 1993) und "Middlesex" (2002).

Pulitzer-Preisträger Jeffrey Eugenides sitzt auf einem Balkon und hält seinen Roman "Middlesex" aufgeschlagen in der Hand
Pulitzer-Preisträger Jeffrey Eugenides setzt große Hoffnungen in Joe Biden Bild: BILD/picture-alliance

Eugenides: "Das Schiff stabilisieren" 

Doch wenn jemand damit beginnen könne, dieses Landes zu heilen, dann sei es Joe Biden. Er sei eine ruhige Person, die mit ihrem Pragmatismus "das Schiff wieder stabilisieren" könne, so hofft es Eugenides."Wir haben ein Riesenproblem mit Misstrauen und Desinformation in den USA. Das Internet hat den Menschen viel Gutes gebracht, aber es hat auch viel Misstrauen gesät." In seiner Kindheit und Jugend, betont der Pulitzer-Preisträger, habe es drei oder vier Fernsehprogramme und eine gemeinsame Realität gegeben, über die die Menschen in den USA reden konnten. Damit sei es aber schon lange vorbei. Das Problem einer Zersplitterung sieht Eugenides auch im Kulturbereich. So etwas wie "die eine amerikanische Literatur" gebe es nicht mehr. "Jeder oder jede hat so seine eigene Lektürevorlieben." Es fehle eine Plattform der gemeinsamen Verständigung.

Vier Jahre lang die Luft angehalten 

Dirigentin Marin Alsop lächelt in die Kamera. Sie trägt kurzes Haar und einen gestreiften Pullover.
Dirigentin Marin Alsop ist erleichtertBild: Robert Jaeger/picture alliance

Marin Alsop ist Dirigentin des Baltimore Symphony Orchestra. Auch sie ist erleichtert, wie sie im DW-Interview betont. "Ich denke, für uns alle war es ein großes Luftholen, nachdem wir vier Jahre lang den Atem angehalten haben, weil wir nie wissen konnten, was noch alles kommt." 

Die vor allem für ihre Zeichnungen bekannte bildende Künstlerin Chloé Piene erwartet nicht, dass das Land über Nacht geheilt werden könne. "In den vier zerstörerischen Jahren unter Trump wurde zu viel Gift in die amerikanische Landschaft injiziert", sagt sie.

US-Jazz- und Opernsängerin Jocelyn B. Smith verbrachte die letzten vier Jahre in Berlin. Auch sie hofft auf eine "Heilung" der USA. "Wenn ich als Künstlerin auf meine Heimat blicke, sehe ich eine große Widerstandsfähigkeit unseres Landes. Da ist eine Stärke, auf die wir stolz sein können. Das stimmt mich sehr optimistisch." "Kunst ist nicht nur für die Seele gut", sagt Jocelyn B. Smith. "Die Kunst sorgt für 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ich glaube, das machen wir nicht deutlich genug."

Sängerin Jocelyn B. Smith in einem roten Outfit mit Mikrofon auf der Bühne.
Jocelyn B. Smith lebt derzeit in BerlinBild: Eventpress Hoensch/picture alliance

Wirtschaftsfaktor Kultur 

Jawole Willa Jo Zollar, Gründerin der Tanz-Kompanie "Urban Bush Women" in New York, hat konkrete politische Wünsche an die neue Regierung. "Viele Menschen wünschen sich von der Biden-Regierung, dass sie im Kabinett einen Posten für Kunst und Kultur schafft. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben."

Nach den vier verheerenden Jahren und den ökonomischen Schäden der Corona-Pandemie sei es nun an der Zeit für den neuen US-Präsidenten Joe Biden, zur Kenntnis zu nehmen, wie viele Kulturschaffende es in den USA gibt. "Wir schaffen Jobs, wir sorgen für Bildung!", sagt Jawole Willa Jo Zollar selbstbewusst. "Nun bietet sich die Gelegenheit, wieder in einen Dialog zu treten mit Künstlern überall in der Welt. Es ist ein neues Kapitel. Und ich kann kaum erwarten, dass es beginnt."