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Politik

Von der Leyens Antrittsbesuch bei den Nachbarn in Afrika

Bernd Riegert Addis Abeba
7. Dezember 2019

Klimawandel, Migration, Digitalisierung - dafür will Ursula von der Leyen Afrika als Partner gewinnen. Und so besuchte die neue EU-Kommissionspräsidentin als erstes die Afrikanische Union. Von Bernd Riegert, Addis Abeba.

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Ursula von der Leyen und Moussa Faki Mahamat in Addis Ababa
Kommissionspräsidenten von der Leyen (li.) und Faki: "Wir teilen ein Schicksal"Bild: Reuters/T. Negeri

Ein Nachtflug von Europa nach Äthiopien, dann 17 Stunden am Boden in der Hauptstadt Addis Abeba, randvoll angefüllt mit Gesprächen und Empfängen. Dann wieder ein Nachtflug zurück nach Brüssel. Die gestresste neue EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen hat für Entspannung oder einen Besuch bei normalen Bürgern in Addis Abeba keine Zeit.

"Ich habe Afrika als Ziel meiner ersten Reise außerhalb von Europa gewählt. Ich hoffe, diese Reise sendet ein starkes politisches Signal, weil uns Afrika und die Afrikanische Union in der EU und in der Kommission wichtig sind", sagte Ursula von der Leyen nach ihrem Gespräch im pompösen Gebäudekomplex der Afrikanischen Union (AU), die in Addis Abeba ihren Sitz hat.

"Wir sind mehr als Nachbarn, wir teilen ein Schicksal", sagte von der Leyen vor einem großen goldenen Afrikasymbol vor dem sie mit dem Vorsitzenden der Kommission der AU, Moussa Faki, für die Presse posiert. Mehr Zeit für diesen Antrittsbesuch war trotzdem nicht drin, denn die Kommissionspräsidentin, die gerade einmal eine Woche im Amt ist, erwartet in Brüssel eine übervolle Arbeitswoche, inklusive EU-Gipfel. "Ich bin ja gekommen, um erst einmal zuzuhören", meint die leicht übermüdete von der Leyen lächelnd. "Ich habe keinen großen fertigen Plan."

Zusammenarbeit mit Afrika verbessern

Vom Vorsitzenden der AU-Kommission, die so eine Art kleine Schwester der EU-Kommission ist, will von der Leyen wissen, wie man die bislang eher schleppende Zusammenarbeit verbessern kann. Für Moussa Faki ist vor allem der Terrorismus ein zentrales Thema. Die derzeitigen Konflikte in Afrika, so Faki, seien keine Kriege zwischen Staaten mehr, sondern Aufstände von meist religiös motivierten Terrormilizen.

Afrikanische Union AU Gebäude
Blick vom Büroturm der Afrikanischen Union auf ein neues "Gipfel-Hotel": Pompöser GebäudekomplexBild: DW/B. Riegert

"Ich glaube, es notwendig, noch enger mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, um die internationale Gemeinschaft im Kampf gegen eine Bedrohung zu mobilisieren, die die Stabilität einzelner Länder und den Frieden in der Welt gefährdet", sagte Faki seiner Besucherin. "Unsere Partnerschaft mit Europa hat viele Formen und ist sehr weit entwickelt. Wir glauben, dass wir 2020 weitere Fortschritte machen können." Denn Ende Februar soll es eine gemeinsame Sitzung der Europäischen Kommission und der Kommission der Afrikanischen Union geben. Im Oktober dann ein Gipfeltreffen aller afrikanischen und europäischen Regierungschefs in Brüssel.

Chinesische Konkurrenz

Beide Kommissionen, EU und AU, sind jeweils für einen Kontinent zuständig, die afrikanische Kommission mit nur acht Mitgliedern hat allerdings weniger Macht und eher Koordinierungsaufgaben. Sie spielt anders als die EU-Kommission bei der Gesetzgebung keine Rolle. Auch ist sie nicht, wie die Brüsseler Variante, für die Einhaltung von Verträgen durch die Mitgliedsstaaten zuständig. Allerdings gibt es auch wie in der EU Gipfeltreffen der 55 Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union. Dafür wird in Addis Abeba eigens ein Luxushotel mit 55 Präsidentensuiten gebaut.

Straßenszene in Addis Abeba
Straße unweit der AU-Zentrale: Trotz Aufschwung immer noch große ArmutBild: DW/B. Riegert

Laut den Schildern an der Baustelle sind vor allem chinesische Firmen und Finanziers an dem gigantischen Bau beteiligt. Dass Europas strategischer Konkurrent China in Äthiopien und vielen anderen afrikanischen Staaten mächtig Einfluss durch wirtschaftliche Kooperation und Kreditvergabe hat, weiß Ursula von der Leyen natürlich. Sie glaubt, dass die EU da einiges aufzuholen hat. Diplomaten der AU machen in Hintergrundgesprächen aber klar, dass die Afrikaner selbst entscheiden, mit wem sie zusammenarbeiten und mit wem nicht. Sie haben auch nichts dagegen sowohl mit der EU als auch China Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte anzugehen, je nachdem wer die besseren Bedingungen bietet.

Mehr Geld für Äthiopien

Vom sehr selbstbewussten und dynamischen Ministerpräsidenten Äthiopiens, Abiys Ahmed, zeigt sich die EU-Kommissionspräsidentin beeindruckt. Ahmed geht mit von der Leyen in einem Park spazieren, um sie von seinen Reformplänen für sein Land zu überzeugen. "Wir brauchen mehr Geld, weil wir sehr ambitioniert sind," gibt Abiys Ahmed Ursula von der Leyen mit auf den Weg. Die hat 170 Millionen Euro an frischer Unterstützung als eine Art Gastgeschenk mitgebracht. 10 Millionen davon sind für die transparente und faire Durchführung der nächsten Wahlen vorgesehen, die Ministerpräsident Ahmed jetzt für Mai angekündigt hat.

Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin (li.) und die Staatspräsidentin von Äthiopien Sahle Worke Zewde beim Empfang im Präsidentenpalast in Addis Abeba
Präsidentinnen von der Leyen und Sahle-Work Zewde: Genderbalance und FrauenförderungBild: DW/B. Riegert

Am kommenden Dienstag wird Ahmed, der mit innenpolitischen Gegnern hart ins Gericht geht, den Friedensnobelpreis in Oslo entgegennehmen. Den erhält er für die Aussöhnung mit dem ehemaligen Kriegsgegner Eritrea. Zu diesem Preis hat Ursula von der Leyen dem Ministerpräsidenten gratuliert, zur politischen Lage in Eritrea äußerst sich die Kommissionschefin nicht weiter öffentlich. Auffällig für die mitreisende Presse ist, dass sich Abiys Ahmed an diesem Tag nicht den Fragen der Journalisten stellt. Und auch im Rahmen der Nobelpreisverleihung in Oslo wird er wohl keine Interviews geben.

Papiertiger und Löwen

Klimawandel, Ausbildung und Arbeit für die jungen Menschen, Migration. Das sind nach Auffassung der europäischen Gäste die dringenden Aufgaben, die jetzt schneller als bisher angegangen werden sollen. "Ehrlich gesagt, habe ich nicht alle Antworten für all diese Herausforderungen. Aber ich bin überzeugt, dass wir zusammen Antworten finden können", sagte Ursula von der Leyen in Addis Abeba. "Zusammen können wir gute Lösungen finden, die sowohl für Europa als auch für Afrika funktionieren."

Die künftige Partnerschaft soll mehr konkrete Ergebnisse und sichtbare Veränderungen bringen, wünscht sich die EU-Kommissionspräsidentin. Auch die Arbeit mit der Afrikanischen Union könne verbessert werden. "Es gibt Fortschritte, aber nicht in der Geschwindigkeit, wie wir uns das immer vorstellen. Mir ist wichtig, dass wir die Projekte so betrachten, was hat funktioniert und was hat nicht funktioniert. Die Erfolge in der Wirklichkeit trennen von den Papiertigern, die es auch gibt", antwortet von der Leyen auf eine Frage der DW.

Eingang zum Präsidentenpalast in Addis Abeba, Äthiopien
Ausgestopfter Löwe im Präsidentenpalast: "Olalala!"Bild: DW/B. Riegert

Im Präsidentenpalast in Addis Abeba stößt die Kommissionschefin dann nicht auf einen Tiger, sondern einen ausgestopften Löwen. Der liegt quer auf dem roten Teppich in der Eingangshalle des Palastes, den der frühere Kaiser Haile Selassie einrichten ließ. "Olalala!" ruft Ursula von der Leyen lachend als sie in der Eingangshalle von der Präsidentin Äthiopiens Sahle-Worke Zewde empfangen wird und den Löwen entdeckt.

Sahle-Worke Zewde ist zurzeit das einzige weibliche Staatsoberhaupt Afrikas. Von der Leyen ist die erste Präsidentin der EU-Kommission. Beide Frauen sprechen über Gender-Balance und die Frage, wie Mädchen und junge Frauen in Afrika besser gefördert werden können. Äthiopiens Regierungschef hat ein nach Geschlechtern paritätisch besetztes Kabinett vorzuweisen. Auch das ist weltweit noch die krasse Ausnahme. Ursula von der Leyen hat dieses Ziel in ihrer Kommission nicht ganz erreicht. "Auch hier kann man noch von Äthiopien lernen", meint ein afrikanischer Diplomat augenzwinkernd.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union