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Weinverlies im Luxuskeller

18. August 2010

Winzer Christian Ress bietet Weinliebhabern und Geschäftleuten einen besonderen Service. In einem eigens dafür gebauten Keller können sie Schließfächer mieten, die wie Zellen aussehen, um dort ihre Schätze zu lagern.

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Winebank-Verlies; Weingut Balthasar Ress in Hattenheim (Foto: wineBANK Hattenheim)
Bild: DW

Hattenheim liegt 50 Kilometer westlich von Frankfurt im sogenannten Rheingau. Denn der mächtige Fluss bestimmt hier die Landschaft. Es ist ein malerischer kleiner Ort mit gerade mal 2200 Einwohnern. Hier gibt es nicht nur Cafés und Restaurants für die Kaffee-und-Kuchen-Touristen, hier finden sich auch renommierte Winzer in hoher Dichte wegen der guten Böden. Die Oberliga des deutschen Weinbaus ist reichlich vertreten, und auch findiger Geschäftssinn. Dem ist seit einigen Monaten eine Einrichtung der besonderen Art zu verdanken: die Hattenheimer "wineBANK" im Weingut Ress.

Flüssige Anlage

Weingut Balthasar Ress in Hattenheim (Foto: wineBANK Hattenheim)
wineBANK von außenBild: Winebank Hattenheim

Fast könnte man den Weinkeller wegen des unscheinbaren Eingangs übersehen, wäre da nicht die stattliche Leuchtreklame der "wineBANK". Klar, dass hier keine alte Holztür knarrt, sondern das Signal eines elektronischen Schlosses piept. Jeder, der hier ein Fach besitzt, bekommt eine Art Scheckkarte: der Schlüssel zum Flaschenverlies. Dann geht 's die Treppe runter und schon steht man in einem stattlichen Gewölbe mit jeder Menge Metallkäfigen. Ein Geldinstitut ist die "wineBANK" nicht, eine Geldanlage wohl schon. Zumindest muss man erst mal reichlich investieren.

49 Euro Miete kostet das kleinste Schließfach im Monat. Hinein passen 35 Flaschen.

Für den exklusiven Geschmack hat Winzer Christian Ress auch größere Fächer zu bieten. Die Luxusobjekte im ausgebauten historischen Weinkeller sind dann schon keine Fächer mehr, sondern begehbare Verliese, allesamt mit massiven Türen aus Stahlgittern versehen. Hier können die Besitzer mehrere tausend Flaschen lagern, wenn sie wollen. Eine der unterirdischen Gefängniszellen für Flaschen ist an einen Amerikaner vermietet, der in Washington lebt, berichtet Christian Ress. Damit etwas drin liegt, hat der dann beim Weingut auch gleich mal 1700 Flaschen gekauft. Nur einmal im Jahr kommt der Geschäftsmann, der auch in Frankreich noch einige Weinschätze lagert, in den Rheingau.

Weingut Balthasar Ress in Hattenheim (Foto: wineBANK Hattenheim)
Die wineBANK von innenBild: Winebank Hattenheim

Repräsentativ sollte es sein

Über den Preis der größeren Weinkammern ist Stillschweigen vereinbart. Und auch zum Projekt im Ganzen ist Christian Ress nur Ungefähres zu entlocken: "Also Zahlen nenne ich nicht, aber man könnte sagen, dass man sich für den Keller auch ein schönes Reihenhäuschen bauen könnte."35.000 Flaschen passen insgesamt hinein, alles gut versichert natürlich. Im Dezember 2009 ist die "wineBANK" eingeweiht worden, gut die Hälfte der Schließfächer ist inzwischen vermietet.

Keller gibt’s in dem idyllischen Winzerörtchen viele, aber wohl kaum einen mit solch nüchternem Architektenchic wie diesen. Schweres Material wurde hier verbaut, Bimsbetonplatten und viel Stahl, alles mit indirekter Beleuchtung in Szene gesetzt. Im Hintergrund läuft coole Lounge-Musik. Bei den meisten Baudetails wurde auf den regionalen Bezug geachtet. Auf dem Boden liegt Schiefer aus dem nahen Bacharach, dazu Quarzitkies, wie er in den Weinbergen zu finden ist.

Einige Kellerteile stammen aus dem 16. Jahrhundert. Der Rest aus verschieden Jahrhunderten danach. Ganz bewusst sollte das historische Gewölbe mit den modernen Einbauten kontrastieren. Nennen könnte man die Einrichtung "Betreutes Wohnen für edle Flaschen". Aussehen tut es wie ein unterirdischer Weinknast. Auf die Idee kam die Winzerfamilie durch den Wunsch vieler Kunden, Flaschen mit großem Alterungspotential anderswo zu lagern als im heimischen Keller. Aber dann wurde mehr daraus.

Exklusive Begegnungsstätte

Weingut Balthasar Ress in Hattenheim (Foto: wineBANK Hattenheim)
Begehbares KellerverliesBild: Winebank Hattenheim

"Die meisten nutzen das hier als Ort, um sich mit Geschäftsleuten zu treffen. Das sind viele Unternehmer, die Kunden empfangen und mit etwas Besonderem überraschen wollen." Im Keller gibt’s dann vor dem abendlichen Dinner einen Aperitif, und nach dem Essen in einem von Hattenheims Lokalen noch mal einen Absacker mit einer guten Flasche Wein. Gläser, Nüsschen und Wasser werden jeden Tag frisch in die geräumige Kellerbar gestellt. Wer möchte, kann aber auch eine Currywurst bestellen, 24 Stunden am Tag. Die kostet allerdings 30 Euro. Besser und teurer gibt’s aber auch. Frankfurt ist nah, und somit viele Banken und Banker.

Das Ganze umweht ein Hauch von Dekadenz, ist aber für Weinliebhaber mit entsprechendem Geldbeutel eine praktische Sache, vor allem jedoch eine trendige Location für marketingbewusste Geschäftsleute, die ihren Kunden etwas bieten wollen nach dem Motto "Je abgefahrener, desto besser". Deshalb weist Christian Ress wohl zu Recht darauf hin, dass es für Geschäftsleute in der Region "nicht verkehrt ist", hier ein Fach zu haben. Ein Partykeller soll aus der "wineBANK" nicht werden, betont Christian Ress, wohl aber ein Ort, an dem man sich trifft – und natürlich Wein trinkt.

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Conny Paul