1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Wer zahlt für die Corona-Pandemie?

9. Februar 2021

Lockdown und kein Ende. Corona-bedingt gibt der Staat viele Milliarden aus. Irgendwer muss am Ende dafür aufkommen. Aber wer? Vielleicht die Reichen? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

https://p.dw.com/p/3p7az
Rückseite einer deutschen Ein-Euro-Münze
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Es gibt eine Frage, die dem Bundesfinanzminister seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie immer wieder gestellt wird: Wie lange kann sich Deutschland den Lockdown leisten? "Wir können uns das leisten, was notwendig ist", pflegt der Sozialdemokrat Olaf Scholz darauf stets zu antworten.

Ist das so? In der zweiten Infektionswelle sind unter anderem die Gastronomie, Fitnessstudios, Theater und Museen nun im vierten Monat in Folge geschlossen. Mitte Dezember mussten auch große Teile des Einzelhandels ihre Ladentüren schließen. Der Staat zahlt Kurzarbeitergeld, damit die Beschäftigten nicht entlassen werden müssen. Die Unternehmen bekommen Überbrückungshilfen, damit sie nicht in die Pleite rutschen.

Jeder Tag kostet zusätzliche Milliarden

Bis zu 50 Milliarden Euro sind allein für die Wirtschaftshilfen zwischen November 2020 und Juni 2021 eingeplant. Dazu kommen die übrigen Kosten der Pandemie, angefangen von der Gesundheit bis hin zur Unterstützung von Familien. 2020 musste sich der Bund mit 130 Milliarden Euro neu verschulden, in diesem Jahr sind Kredite bis zu 180 Milliarden Euro eingeplant.

Wird das reichen, auch angesichts einer möglichen dritten Infektionswelle, die in den nächsten Wochen dafür sorgen könnte, dass der Lockdown noch viel länger dauern muss? Auf einer Konferenz in Berlin wiederholte Olaf Scholz kürzlich, dass sich Deutschland leisten könne, was notwendig sei. Er fügt aber hinzu: "Wir sollten uns nicht in die Lage begeben, etwas nicht zu tun, das wir zur Krisenbekämpfung und zur Sicherung der Zukunft unseres Landes richtig finden."

Von der Autobahn abgebogen

Tatsächlich ist in der Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD ein Streit über die Kosten der Pandemie entbrannt. Im März muss der Finanzminister die Eckpunkte für den Haushalt 2022 und die Finanzplanung für die Jahre danach vorlegen. Durch den Konjunktureinbruch ist Wirtschaftskraft verloren gegangen, Einnahmen sind nachhaltig ausgefallen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit Maske
Bundesfinanzminister Olaf Scholz muss neu rechnenBild: Fabrizio Bensch/dpa/picture alliance

Das, so klagt Scholz, sei vielen aber leider noch nicht bewusst. "Viele Leute sehen das so: Wir sind auf der Autobahn unterwegs, da gibt's jetzt eine Baustelle. Dann werden wir abgeleitet, fahren über ein paar Dörfer, und dann fahren wir auf die Autobahn zurück und damit auf der gleichen Straße weiter, von der wir abgebogen sind." Das sei aber nicht der Fall.

Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus

Einnahmeprognosen aus der Vorkrisenzeit sind Makulatur. Stattdessen müssen noch länger Löcher im Staatshaushalt gestopft werden. Doch wie, wenn rein rechtlich ab 2022 wieder die Schuldenbremse gilt und Scholz keine zusätzlichen Kredite aufnehmen darf? Noch gibt es Rücklagen. Im vergangenen Jahr wurden weniger Schulden gemacht, als ursprünglich gedacht. Da die Kredite vom Bundestag bewilligt wurden, können sie auf die kommenden Jahre übertragen werden. Es könnte aber sein, dass das Geld wegen eines längeren Lockdowns schon 2021 gebraucht wird.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier trägt eine Maske und hält eine Grafik mit dem Konjunkturverlauf in den Händen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hofft, dass die Konjunktur schnell wieder anziehtBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance/dpa

Im Finanzministerium, im Haushaltsausschuss des Bundestages, aber auch in den Parteizentralen werden derzeit alle Optionen durchgespielt, wie der Haushalt 2022 finanziert werden kann. Über Ausgabenkürzungen möchte mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen im September niemand sprechen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schlägt vor, die Beteiligungen des Bundes beispielsweise an der Post und der Telekom zu verkaufen. Die Aktien hätten eine erhebliche Wertsteigerung erfahren.

Das Grundgesetz ändern und die Schuldenbremse abschaffen?

Im Ergebnis wäre das aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Effektiver wären Steuererhöhungen oder eine Vermögensabgabe von zehn bis 20 Prozent auf alle Nettovermögen in Deutschland. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) preschte kürzlich mit dem Vorschlag vor, das Grundgesetz zu ändern und die Schuldenbremse auf diesem Weg gleich für mehrere Jahre auszusetzen.

Kanzleramtsminister Helge Braun ist auf einem Bildschirm auf dem digitalen CDU-Bundesparteitag zu sehen
Kanzleramtsminister Helge Braun wurde für seinen Vorstoß zur Schuldenbremse in der CDU hart kritisiertBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

In seiner Partei erntete Braun dafür harsche Ablehnung. Viele Christdemokraten fordern eine schnelle Rückkehr zur schwarzen Null, also zum ausgeglichenen Haushalt. Braun wurde unterstellt, sich mit diesem Vorschlag bei den Grünen anbiedern zu wollen, die nach der Bundestagswahl als Koalitionspartner für CDU und CSU in Frage kommen könnten.

Die SPD möchte Reiche zur Kasse bitten

Mit mehr Schulden hätte auch der Bundesfinanzminister wenig Probleme, und auch ihn treiben bei seinen Überlegungen parteipolitische Beweggründe an. Olaf Scholz wird für die SPD als Kanzlerkandidat antreten. Die Sozialdemokraten setzen auf Umverteilung und fordern in ihrem Wahlprogramm die Einführung einer Vermögenssteuer. "Es ist völlig ausgeschlossen, dass man ohne ein gerechtes und faires Steuersystem in der Lage ist, die Zeit zu überstehen, bis wir wieder auf normalen Wachstumspfaden sind und uns gewissermaßen die Wirtschaftsleistung hilft, mit unseren Schulden klarzukommen", sagt Scholz.

Neben der Vermögenssteuer könnte man sich in linken Parteikreisen auch eine Vermögensabgabe vorstellen. Im kriegszerstörten Deutschland wurde so etwas 1952 in Form eines Lastenausgleichs erhoben. 2012 schlugen die Grünen im Bundestag (erfolglos) eine Vermögensabgabe von 1,5 Prozent über zehn Jahre vor, um die in der Finanzkrise aufgehäuften Schulden abzubauen.

Kostbare Teppiche und Goldbarren im Keller?

Der Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts in München, hält eine Vermögensabgabe von zehn bis 20 Prozent der Nettovermögen aber für übertrieben. "Wir hatten nach dem Krieg eine unglaubliche Zerstörung von Wohnungen und Infrastruktur, Zuwanderung von Millionen Menschen, die nichts hatten", erklärte er kürzlich in einem Online-Vortrag. Die Corona-Krise sei "schlimm, aber nicht annähernd damit vergleichbar".

Die Spitzenkandidaten der Grünen für die NRW-Landtagswahl, Sylvia Löhrmann gießt am Mittwoch (02.05.2012) einen vertrockneten Strauch, der schlecht ausgestattete Schulen, zu wenige Kitaplätze und einen mangelhaften Nahverkehr symbolisieren soll. Dahinter wird ein Schild in die Höhe gehoben, auf dem Vermögen besteuern steht.
Die Grünen forderten 2012 eine VermögensabgabeBild: picture alliance/dpa/

Für die Erhebung einer Vermögensabgabe, aber auch für die Einführung von Vermögenssteuern sei zudem ein massiver Eingriff in die Privatsphäre nötig. "Man müsste bei jedem zuhause schauen, gibt es da einen schönen Teppich oder hat jemand Goldbarren im Keller liegen oder sonst welche Vermögensgegenstände", so Fuest.

Wenn Kapital flüchtet, fehlt das Geld in Deutschland

Von einigen Ausnahmen abgesehen erhebe kaum noch ein Land eine Vermögenssteuer. Daher würde sicherlich eine Kapitalflucht ausgelöst. Hohe Vermögen, auf die man abziele, seien zudem vor allem Betriebsvermögen. Das Geld sei dann nicht mehr für Investitionen und Arbeitsplätze da. "Das würde zu weniger Wachstum und weniger Einnahmen aus anderen Steuerquellen führen", so Fuest. Wenn man die Einnahmen erhöhen wolle, wäre es besser, die Einkommensteuer oder Umsatzsteuer leicht anzuheben.

Deutschland Berlin | Clemens Fuest, ifo Institut
ifo-Präsident Clemens FuestBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Viele Wirtschaftswissenschaftler sind außerdem der Meinung, dass sich der Bund 2022 noch einmal zusätzlich verschulden sollte - auch um Zeit zu gewinnen, bis die Konjunktur wieder anspringt. "Für Deutschland erscheint ein Herauswachsen aus den Schulden ohne größere Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen realistisch, wenn sich das Wirtschaftswachstum belebt", argumentiert Ifo-Präsident Fuest.

Wie entscheidet sich die Regierungskoalition?

Bundesfinanzminister Olaf Scholz drängt derweil auf schnelle politische Entscheidungen. Er warne seit Monaten davor, dass mit der Haushaltsvorlage im März die Stunde der Wahrheit schlage. Die Koalition müsse sich damit auseinandersetzen, "was die fiskalischen Herausforderungen der Pandemie sind und was das für die nächsten Jahre bedeutet". Niemand könne so tun, als wenn man sich davor drücken könne.