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Wie schafft die Welt den CO2-Ausstieg?

Gero Rueter26. November 2015

Die Erderwärmung soll auf maximal zwei Grad begrenzt werden. Kohle, Öl und Gas müssen deshalb weltweit als Energieträger ersetzt werden. Kann das gelingen? Ein aktuelles Szenario zeigt, dass es bis 2050 möglich ist.

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Kohlekraftwerk Mehrum
Bild: picture-alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Die Energieversorgung kann weltweit bis 2050 fast vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Nach dem aktuellen "Energie-(R)evolution"-Szenario soll dies technisch möglich und finanziell attraktiv sein. Zudem könnten so Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.

Das Energie-(R)evolution-Szenario wurde von Greenpeace in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erstellt und basiert auf einer Fülle von Einzelstudien. Es ist das derzeit umfassendste globale Szenario für eine nachhaltige und klimaverträgliche Energieversorgung und liefert vor der Klimakonferenz in Paris Fakten für den möglichen Weg.

Der Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft gilt als wichtigstes Element zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad. Drei Viertel der globalen Treibhausgase entstehen derzeit bei der Gewinnung und Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, ein Viertel durch Abholzung und Landwirtschaft.

"Die Erneuerbaren Energien sind inzwischen erwachsen und können mit klimaschädlichen Kohlekraftwerken und riskanten Atommeilern konkurrieren", sagt Sven Teske von Greenpeace und Hauptautor der Studie.

Solarpark in China
China hat die Chancen erkannt und setzt auf den AusbauBild: picture-alliance/dpa

"Eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien ist in allen Sektoren machbar. Jetzt müssen wir rasch den Weg in eine saubere, sichere und wirtschaftliche Energiezukunft gehen."

Nachhaltige Energie für 9,5 Milliarden Menschen

Das Szenario beschreibt auf 364 Seiten einen kostengünstigen Weg für saubere Energie mit immer weniger CO2 in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr.

Weitere Quellen für CO2-Emissionen wie den internationalen Luft- und Seeverkehr und prozessbedingte Emissionen der Industrie, die zum Beispiel bei der Zementherstellung entstehen, blieben in der Studie unberücksichtigt. "Ihr Anteil an den globalen CO2-Emissionen liegt immerhin bei etwa zehn Prozent, ihre Einbeziehung hätte den Umfang der Studie jedoch gesprengt", erklärt Thomas Pregger vom DLR. Zudem seien hier Maßnahmen für eine weitgehende CO2-Reduktion "schwieriger zu bewerten".

Die Autoren untersuchten dafür die verschiedenen Technologien und die unterschiedlichen Entwicklungen in allen Weltregionen sehr genau. Sie zeigen auf, wie eine nachhaltige Energieversorgung für rund 9,5 Milliarden Menschen bis 2050 ermöglicht werden kann.

Infografik Wie schafft die Welt den CO2-Ausstieg? Deutsch
Nachhaltige Energie für 9,5 Milliarden Menschen. Die Erderwärmung könnte so auf unter zwei Grad begrenzt werden.

Geringere Kosten und mehr Jobs

Einen großen Schub zur CO2-freien Energieerzeugung gibt es vor allem durch den Boom von Wind- und Solarenergie: Allein im vergangenen Jahr wurden 250 Milliarden US-Dollar (234 Milliarden Euro) hier weltweit investiert. Fallende Kosten beschleunigen weiter den Ausbau und vor allem bei der Solarkraft ist kein Ende von sinkenden Preisen in Sicht.

Nach Angaben der Autoren kann deshalb der Ausbau klimafreundlicher erneuerbarer Energien schneller als bislang voranschreiten. Für die weltweite Energiewende sind laut Szenario jährliche Investitionen von durchschnittlich etwa 1000 Milliarden US-Dollar bis 2050 erforderlich. Gleichzeitig würden jedoch Brennstoffkosten in Höhe von rund 1070 Milliarden US-Dollar pro Jahr eingespart.

Positiv ist laut Studie der Umbau auch für den Arbeitsmarkt. Bis 2030 können so weltweit 19 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Während die Zahl der Beschäftigten in der Energiebranche ohne beschleunigte Energiewende bis zum Jahr 2030 weltweit auf 27 Millionen leicht sinken würde, wäre eine beschleunigte Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien auch für den Arbeitsmarkt von Vorteil: 46 Millionen Menschen hätten dann im Jahr 2030 im Energiesektor einen Job.

Strom statt Öl im Verkehr

Eine große Herausforderung ist nach Ansicht der Autoren die CO2-Reduktion im Verkehr. Rund 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen entstehen durch die Verbrennung von Öl in Motoren und Triebwerken. "Wir brauchen hier eine Transportrevolution, nicht nur Elektroautos und mehr Elektromobilität, auch müssen wir neue Transporttechnologien entwickeln und synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien", erklärt Teske.

Das Grundprinzip heißt Strom statt Öl: Mit Hilfe von Strom aus Wind-, Solar- und Wasserkraft können nicht nur Batterieautos und Züge fahren, sondern lassen sich mit der sogenannten Power-to-Gas-Technologie auch synthetische Kraftstoffe herstellen, eine Technologie die bereits funktioniert. Die synthetisch erzeugten Kraftstoffe ersetzen so Gas, Diesel und Kerosin, das klimaschädliche Erdöl wird so nicht mehr gebraucht.

Power-to-Gas-Pilotanlage Gasfahrzeug Rapperswil Schweiz Energie Umwelt
Power-to-gas: Mit Solarstrom wird in der Elektrolyse klimafreundliches Auto-Gas erzeugtBild: HSR

Für eine Verkehrswende empfehlen die Autoren Maßnahmen der Politik: So sollten Regierungen zum Beispiel Anreize geben, damit Menschen kleinere Autos nutzen, zudem müsse der Transport effizienter werden. Als wichtiger Schritt gilt zudem der Ausbau des öffentlichen Verkehrs mit Bus und Bahn.

Handeln mit Gewinn

Mit dem Szenario zeigt Greenpeace, dass eine nachhaltige Energieversorgung für 9,5 Milliarden Menschen bis 2050 möglich ist, "große ökonomische und technische Hindernisse gebe es nicht", so das Fazit.

Mit Blick auf die Klimakonferenz empfehlen die Autoren ein schnelles und entschlossenes Handeln von Politik und Wirtschaft. Jetzt käme es darauf an, Industrie, Verbraucher und die Märkte für mehr erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu stimulieren.

Ein wichtiger Schritt sei auch der zügige Abbau von Subventionen für Kohle, Öl und Gas. Im letzten Jahr erhielten diese alten Energien laut Internationaler Energieagentur (IEA) knapp 500 Milliarden US-Dollar aus den Staatskassen.

Greenpeace-Chef Kumi Naidoo empfiehlt das Szenario als Lektüre vor allem auch den Skeptikern, die eine zügige Energiewende für nicht möglich halten: "Hier erfährt man, dass es geht, getan werden muss und am Ende alle davon profitieren."