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Wo ist Windstrom sinnvoll?

8. Dezember 2021

Wind- und Solarstrom sind günstig, klimafreundlich und sollen künftige Hauptpfeiler der Energieversorgung werden. Doch der Energieertrag ist je nach Region sehr unterschiedlich. Welcher Mix ist der beste?

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Windkraftanalgen bei Sonnenuntergang in den Niederlanden
Bild: picture alliance / Goldmann

Wie günstig ist Windstrom?

Moderne Windanlagen sind deutlich effizienter und erzeugen bis zu 20-mal mehr Strom als vor 25 Jahren: Sie sind höher, größer und haben längere Flügel. Das senkt auch den Preis. Laut Investmentbank Lazard kostet die Erzeugung von Windstrom aus neuen Anlagen heute 72 Prozent weniger als 2009.

Der Strom aus windreichen Regionen an der Küste kostet damit heute nur noch 4 bis 5 Eurocent pro Kilowattstunde (kWh), an Orten mit schwächerem Wind sind es 6 bis 8 Cent, laut Studie von Fraunhofer ISE. Bei Offshore-Anlagen im Meer kostet eine Kilowattstunde etwa 10 Cent, weil die Installation und Wartung der Anlagen sehr aufwendig und damit teurer ist. 

Infografik: Was kostet Strom aus Photovoltaik, Windkraftanlagen, Atomkraft in 2030

Zum Vergleich: Auch die Kosten für die Photovoltaik sind stark gesunken - seit 2009 um rund 90 %. Eine kWh aus einem Solarpark kostet heute 2 bis 6 Cent/kWh. Neue Kraftwerke für andere Energieträger haben sich zwar technisch auch weiterentwickelt, der erzeugte Strom ist aber deutlich teurer: So kostet Strom aus Erdgas rund 11 Cent/kWh, Kohlestrom 16 Cent und Atomstrom 14-19 Cent pro kWh.

Energieforscher gehen davon aus, dass Wind- und Solarstrom bis 2030 sogar noch um 20 bis 50 Prozent günstiger wird, weil die Technik weiterentwickelt wird.

Wie viel Windkraft für Klimaneutralität?

Wind- und Solarenergie könnten laut Forschung künftig den gesamten globalen Energiebedarf zu über 95 Prozent decken. Doch je nach Region sind unterschiedliche Kombinationen sinnvoll - mit Wasserkraft, Batterien, Elektrolyseuren zur Wasserstoffproduktion und synthetischen Kraftstoffen sowie anderen Speicher- und Umwandlungstechniken, sagt Professor Christian Breyer von der LUT in Finnland. Sein Team füttert Hochleistungsrechner mit Daten zu Technologien, Kosten und regionalen Wetterdaten. Das Ergebnis: Der günstigste Energiemix für die jeweilige Region.

Die  LUT-Studie wurde im Fachblatt Energy veröffentlicht. Demnach wäre es am günstigsten, mit Solarkraft künftig etwa 76 Prozent des globalen Energiebedarfs zu erzeugen, und 20 Prozent mit Windkraft. In sonnenarmen Regionen würde allerdings der Anteil von Windenergie dabei deutlich höher liegen: In nördlichen Teilen von Russland bei über 90 Prozent, im mittleren Westen der USA bei 81 Prozent, etwa 72% in Nordchina, sowie rund 50 Prozent in Ländern Mittel- und Nordeuropas wie Polen, die Niederlande, Großbritannien und Frankreich. In Deutschland läge demnach der Anteil der Windenergie zur Deckung des kompletten Energiebedarfs bei 31 Prozent. Dort ist besonders im Winter die Sonneneinstrahlung schwach und Windstrom dann günstiger.

"In Europa ist deshalb die Windkraft eine absolut zentrale Säule der Energieversorgung. Man braucht hier komplementär die Windkraft für eine möglichst gleichmäßige Energieversorgung von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Wenn wir nicht besonders gute Sonnentage in Europa haben, dann haben wir im Regelfall sehr gute Windtage und das ergänzt sich gut", erklärt Breyer gegenüber DW.

Infografik mit Weltkarte: Wie viel Windkraft für Klimaneutralität in den Regionen der Welt?

Welche Windtechnik ist effizient?

Sehr leistungsstarke Windkraftanlagen sind heute bis zu 180 Meter hoch und die Flügel bis zu 80 Meter lang. An Land hat eine große Windturbine eine Leistung von bis zu 7200 Kilowatt - und erzeugt damit bis zu 29 Millionen kWh Strom im Jahr. Damit kann mit nur einer Anlage der private Strombedarf von 16.000 Menschen in Deutschland und von 140.000 Menschen in Indien gedeckt werden.

Eine große Windkraftanlage kostet bis zu 12 Millionen Euro, die Technik hat sich in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt: Die vor 15 Jahren aufgestellten Anlagen sind ca. 70 Meter hoch und erzeugen mit kürzeren Flügeln in geringerer Höhe und kleineren Generatoren (1300 Kilowatt) im Vergleich zu Großanlagen von heute am selben Standort nur etwa ein Zehntel des Stroms.

Besonders leistungsstark sind die Windkraftanlagen im Meer (offshore), wo der Wind kontinuierlicher und kräftiger weht. Die Offshore-Anlagen haben derzeit eine Leistung von bis zu 10.000 Kilowatt, in wenigen Jahren sollen es sogar 15.000 Kilowatt sein. Dann kann eine einzelne Anlage an einem sehr guten Standort den privaten Strombedarf für rund 40.000 Menschen in Deutschland erzeugen oder für 370.000 in Indien. 

Die Installation und Wartung von Windparks im Meer ist jedoch aufwendig. Deshalb ist die Stromerzeugung dort derzeit noch doppelt so teuer wie mit Anlagen an Land. Dazu kommen die Kosten für Stromkabel auf dem Meeresgrund zur Küste. Trotzdem sind auch Offshore-Windparks in dicht besiedelten Regionen der Welt eine Option für die klimaneutrale Energieversorgung.

Sieben Prozent des globalen Strombedarfs werden inzwischen mit Windkraft gedeckt. Im letzten Jahr wurden neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 93 Gigawatt (GW) neu aufgestellt, die installierte Gesamtleistung lag 2020 bei 743 GW.

Offshore-Anlagen haben einen Anteil von 34 GW, die meisten stehen in den Gewässern von Großbritannien (10 GW), China (8 GW) und Deutschland (8 GW). Der größte Offshore-Windpark weltweit ist seit 2013 das London Array vor der Themsemündung. Er hat eine Leistung von 0,6 GW, 175 Anlagen, kostete umgerechnet 2,5 Milliarden Euro und deckt den privaten Strombedarf von 1,7 Millionen Briten.

Offshore-Windparks gibt es bislang vor allem in flachen Gewässern mit einer Wassertiefe von bis zu 50 Meter. Die Anlagen stehen auf einem Fundament im Meeresboden. Doch viele Küstengewässer auf der Welt sind sehr viel tiefer und dort sind Windparks mit Fundament keine Option. Aus diesem Grund werden schwimmende Windkraftanlagen nun auch auf Pontons im Hafen montiert, dann ins Meer gezogen und dort mit langen Ketten am Meeresboden fixiert. Die weltweit ersten schwimmenden Anlagen wurden 2017 vor der schottischen Küste installiert, dann vor den japanischen, französischen und portugiesischen Küsten. Heute haben alle Anlagen zusammen eine Gesamtleistung von 0,1 GW. Die Erwartung sind jedoch hoch, dass auch diese junge Technik boomt. Der Global Offhore Wind Report rechnet mit einer installierten Leistung von 6,3 GW bis 2030.

Den stärksten Zuwachs wird es jedoch auch weiter mit Windanlagen an Land geben, da diese auch in Zukunft den günstigsten Windstrom produzieren. Für eine klimaneutrale Energieversorgung, die neben der Energie für Strom auch die für Verkehr, Heizung und Industrie einschließt, müsste sich sich die global installierte Windkraftleistung laut LUT-Studie im Vergleich zu heute verzehnfachen auf rund 8039 GW und in Deutschland vervierfachen auf 244 GW.

Infografik: Wie viel fehlt für Klimaneutralität? Wie viel ist schon installiert? USA, China, Russland, Deutschland, Spanien & Portugal, GW/Irland, Indien, Welt

E-Fuels aus Strom, Wasser und Luft

Windstrom wird besonders günstig an windstarken Orten erzeugt. Doch wenn dieser Strom dann noch viele Hundert Kilometer transportiert werden muss, steigen die Kosten und können den Preis für den Abnehmer sogar verdoppeln. Darum lohnt sich der sehr weite Transport von Strom trotz sehr günstiger Erzeugungskosten oft nicht. 

Trotzdem kann die Stromerzeugung an weit abgelegenen Regionen sinnvoll sein, wenn dort der Strom zur Produktion von sogenannten E-Fuels direkt genutzt wird. Das sind synthetische Kraftstoffe die Erdölprodukte wie Kerosin, Diesel und Benzin in Zukunft ersetzen sollen und spezielle Grundstoffe für die Chemieindustrie.

Hergestellt werden sie mittels Elektrolyse aus Strom, Wasser, sowie CO2 und Stickstoff aus der Luft. Mit großen Tankschiffen, Pipelines oder auch Zügen können diese weit transportiert werden wie Erdöl. Wichtig für die Herstellung dieser E-Fuels ist der möglichst niedrige Strompreis. Die erste kommerzielle Anlage zur Produktion wird derzeit im Süden von Chile errichtet. In einem Gemeinschaftsprojekt wollen dort internationale Unternehmen wie Porsche und Siemens Energy den starken Wind zur günstigen Stromerzeugung nutzen und dann E-Fuels produzieren, ab 2026 rund 550 Millionen Liter pro Jahr. "Mit dem Projekt in Patagonien kann man jetzt sehen, was in zehn Jahren globaler Standard sein wird", prognostiziert Breyer. "In zehn Jahren werden wir Dutzende solcher Projekte pro Jahr sehen, die wie Pilze aus dem Boden schießen, klimaneutraler Treibstoff aus Strom, Wasser und Luft."  

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion