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Was kann der Schutzschild gegen Klimarisiken?

Jennifer Collins | Tim Schauenberg
14. November 2022

Die Initiative der G7, darunter Deutschland, will bei Klimakatastrophen schnelle Hilfe bereitstellen. Kritiker sehen darin ein Ablenkungsmanöver.

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Pakistan Überschwemmung in Manchar Lake
Bild: Fareed Khan/AP Photo/picture alliance

Deutschland will 170 Millionen Euro für die Einrichtung eines weltweiten Schutzschirms gegen Klimarisiken bereitstellen. Dahinter verbirgt sich ein Versicherungsprogramm für ärmere Länder, das im Fall von Klimakatastrophen für die Schäden aufkommen soll. 

Ziel der Initiative ist es, soziale Sicherungssysteme und die Klimarisikoversicherung zu stärken, sodass sich Regionen schnell von den Schäden erholen können und betroffenen Menschen im Fall von Umweltkatastrophen schnell zu helfen, heißt es seitens des deutschen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ). 

"Wenn es keine Sicherungssysteme gibt, dann kann eine Dürre für einen Kleinbauern bedeuten, dass er nicht nur seine Ernte, sondern seine gesamte Lebensgrundlage verliert, weil er es sich nicht leisten kann, neue Samen zu kaufen", lässt sich das Ministerium in einer Pressemitteilung zitieren. 

Ein Schutzmechanismus, der "im Falle einer Krise automatisch greift", mache sofort Geld für neues Saatgut frei und begrenze den Schaden, heißt es darin weiter. Länder wie Kanada, Irland und Dänemark haben bisher weitere 40 Millionen Euro für die Initiative zugesagt.

Sind Versicherungen das beste Instrument zur Bewältigung von Verlusten und Schäden?

Kritiker bezweifeln jedoch, dass ein Programm, das im Kern aus einer Versicherung besteht, angesichts zunehmender Wetterextreme und häufenden Klimakatastrophen überhaupt sinnvoll ist. Schon heute gelten bestimmte Orte deshalb nicht mehr als versicherbar.

"Ein Versicherungsprodukt wird nicht durchführbar sein. Wenn ich alle paar Tage einen Autounfall habe, schmeißt mich jede Versicherung irgendwann raus," sagt Harjeet Singh Politikexperte beim Climate Action Network, eine Dachorganisation tausender Nichtregierungsorganisationen. 

Einzelheiten darüber, wie die Initiative funktionieren wird, wohin das Geld fließt und wie es bei den Menschen, die es brauchen, ankommt, sind bisher "sehr vage und sehr undurchsichtig", so Singh weiter. 

Schutzschild als Antwort auf Schäden und Verluste 

Laut BMZ haben die Länder des Globalen Südens nur wenig zu den globalen Emissionen beigetragen, sind aber mit den schlimmsten Folgen einer sich erwärmenden Welt konfrontiert. Sie haben aber nicht die Ressourcen, um ihre Bürger zu schützen. Gleichzeitig, so das BMZ, müssten Industrieländer wie Deutschland als Großemittenten klimabedingte Verluste und Schäden "ehrlich ansprechen".

"Deutschland steht zu seiner Verantwortung, arme und verletzliche Staaten und ihre Menschen bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten zu unterstützen", so Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in einer Stellungnahme.

Die Initiative wurde offiziell von der G7 und der V20-Gruppe von 58 besonders betroffenen Ländern auf der Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten vorgestellt. US-Präsident Biden hatte in seiner Rede am Freitag Unterstützung für das Programm zugesagt, aber keine Details genannt.

Vor allem jene Länder, die am stärksten von Klimakatastrophen betroffen sind, fordern die Verursacher dazu auf für die Schäden und Verluste zu zahlen. 

"Mein Land, Pakistan, hat Überschwemmungen erlebt, die das Leben von 33 Millionen Menschen zerstört haben. Die Schäden und Verluste belaufen sich auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", so Munir Akram, Vorsitzender der G77-Gruppe von 134 Entwicklungsländern, bei der Eröffnungsfeier der COP27. 

Überflutete Häuser in Pakistan
In Pakistan wurde dieses Jahr eine Fläche so groß wie Großbritannien überflutetBild: Stringer/REUTERS

Die größten Emittenten der klimaschädlichen Emissionen, darunter die USA und die EU, befürchten, dass sie mit der Einwilligung teilweise für Schäden und Verluste aufzukommen, in Zukunft für gigantische Summen haftbar gemacht werden könnten. Dennoch ist dieses Jahr zum ersten Mal ein spezieller Fonds für Schäden und Verluste auf der Agenda der Weltklimakonferenz.

Die Schutzschild-Initiative ist dabei ein Schritt, solche Finanzierungsfragen anzusprechen. Ghanas Finanzminister Kenneth Nana Yaw Ofori-Atta nannte dies "lange überfällig".

"Es war nie eine Frage, wer für Verluste und Schäden aufkommt, denn wir zahlen dafür", sagte Ofori-Atta. "Unsere Volkswirtschaften zahlen dafür in Form von entgangenen Wachstumsaussichten, unsere Unternehmen zahlen dafür in Form von Geschäftsunterbrechungen, und unsere Gemeinden zahlen dafür in Form von verlorenen Leben und Existenzen."

Seit dem Jahr 2000 haben die V20-Staaten rund 525 Milliarden Dollar durch die Auswirkungen des Klimawandels verloren. Nehmen diese Desaster weiter zu, laufen die V20 Gefahr, sich weiter zu verschulden - da ein großer Teil der für einkommensschwache Länder vorgesehenen Klimafinanzierung in Form von Krediten erfolgt.

Recherchen der V20 zeigten auch, dass 1.5 Milliarden Menschen in ihren Ländern keinerlei finanzielle Absicherung wie etwa eine Versicherung haben. Ofori-Atta sagte, dass ein Fokus auf Versicherungen den Ländern dabei helfen würde, neue Schulden zu vermeiden.

Die Schulden der V20-Länder werden sich in den nächsten vier Jahren bereits auf etwa eine halbe Billion US-Dollar summieren. 

Versicherungen sind kein Patenrezept für betroffene Länder

Die Länder brauchten einen klaren Mechanismus zur Finanzierung, so Singh vom Climate Action Network. Langsam fortschreitende und durch den Klimawandel verursachte Risiken wie zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels oder die Wüstenbildung würden von Versicherungen nicht abgedeckt. 

Außerdem werde im Falle einer Katastrophe oft zu wenig oder gar nicht gezahlt, so Singh weiter. Laut einer DW-Analyse von 2018 kamen die Klimarisikoversicherungen damals in Afrika gerade mal für 9,4 Prozent der klimabedingten Schäden auf. 

Versicherungen allein werden auch nicht ausreichen, um die jährlichen wirtschaftlichen Verluste des Klimawandels abzudecken. Bis Mitte des Jahrhunderts könnten diese über eine Billionen Dollar pro Jahr betragen.

"Bei der Bewältigung von Klimakatastrophen spielt die Versicherung eine sehr, sehr begrenzte Rolle. Versicherungen nehmen allerdings einen großen Teil der Diskussion ein", sagte Singh. "Ich bin nicht gegen die Versicherung, aber sie wird als Allheilmittel dargestellt".

Schutzschild ein "guter Anfang"

David Ryfisch von der Bonner Umweltorganisation Germanwatch findet dagegen, der "Global Shield" sei ein "echter Versuch, wirklich etwas in Sachen Finanzierung zu bewegen". 

Außerdem sei die Versicherung zwar eine Schlüsselkomponente der Initiative, sie enthalte aber eine Klausel für Naturkatastrophen. Unter bestimmten Umständen können Darlehen im Falle von Naturkatastrophen ausgesetzt werden. Die Mittel sollen dann stattdessen in die Katastrophenhilfe fließen. 

Darüber hinaus haben die V20-Staaten einen speziellen Fond für Verluste und Schäden eingerichtet, in den ein Teil der "Global Shield"-Finanzierung fließen wird. 

"Das ist eine interessante und wichtige Entwicklung, denn viele Nichtregierungsorganisationen haben kritisiert, dass es sich hier um ein reines Versicherungssystem handelt", so Ryfisch. " Die Instrumente, die der Global Shield abdecken soll, sind viel vielfältiger geworden." 

Das bisher bereitgestellte Geld sei ein "guter Anfang", so Ryfisch, aber angesichts des Ausmaßes der zu erwartenden Schäden, sei es nicht mehr als das.

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Der Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt und nach der offiziellen Vorstellung des Global Shields überarbeitet.

Redaktionelle Mitarbeit: Tim Schauenberg.