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Viel gemeinsam und doch verschieden

4. Oktober 2011

Beide wuchsen in Deutschland auf, beide sind brillante Fußballer, beide tragen mittlerweile das Trikot von Real Madrid. Mesut Özil und Nuri Sahin haben viel gemeinsam – und gingen doch unterschiedliche Wege.

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Der Deutsche Mesut Özil und der Türke Nuri Sahin (l) kämpfen am 08.10.2010 im EM-Qualifikationsspiel Deutschland - Türkei um den Ball (Foto: dpa)
Teamkollegen und Gegner: Özil (r.) und Sahin im DuellBild: picture-alliance/dpa

Es war eine große Geste, gerade weil es keine war. Statt überschwänglichem Jubel über sein Tor huschte nur ein kurzes Lächeln über sein Gesicht, dann neigte er den Kopf nach unten und trabte zurück zur Mittellinie, so als sei nichts geschehen. Was geschehen war? Mesut Özil hatte den Ball im Tor versenkt, spielerisch leicht wie fast immer. Aber weil es das Tor der türkischen Nationalmannschaft war, stand seine Reaktion unter besonderer Beobachtung.

Mesut Özil jubelt (Foto: dapd)
Kein Freund großer Worte, aber großer Taten: Mesut ÖzilBild: dapd

Denn Özil ist Sohn türkischer Einwanderer nach Deutschland und entschied sich, sehr zum Ärger der türkischen Fans, für die deutsche Nationalelf. Und so gellten an diesem Abend im Oktober 2010 Pfiffe durch das weite Rund des Berliner Olympiastadions, in dem die fast 40.000 Anhänger der Türkei in der Überzahl waren. Weil sie seine Entscheidung für die deutsche Auswahl als Verrat betrachteten, pfiffen die überwiegend in Deutschland lebenden Türken im Stadion Özil gnadenlos aus. Doch der Mittelfeldstar quittierte all das nur mit seinem stillen, kaum wahrnehmbaren Torjubel und verzichtete auf jegliche Schadenfreude.

Özil lässt lieber den Ball sprechen

"Aus Respekt vor dem Land meiner Vorfahren“, erklärte Özil seine "spontane Entscheidung, nicht groß zu jubeln“. Diese für ihn charakteristische Zurückhaltung hat Özil viel Respekt eingebracht – auch bei den türkischen Fans. Denn mittlerweile hat er den Eindruck, dass die Türken stolz auf ihn seien, auf einen Weltstar bei Madrid mit türkischen Wurzeln. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir Respekt dafür entgegen gebracht wird. Viele Leute akzeptieren und respektieren gleichzeitig meine Entscheidung, für Deutschland zu spielen", sagte Özil, der kein Freund der großen Worte ist und viel lieber den Ball sprechen lässt.

Nuri Sahin im Trikot von Real Madrid (Foto: firo)
Noch kein Pflichtspiel in weiß - Sahin im VerletzungspechBild: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto

Nuri Sahin ging einen ähnlichen und doch anderen Weg. Wie Özil wuchs er im Westen Deutschlands auf, wie Özil durchlief er die Ausbildung in einem Bundesligaclub: Özil auf Schalke, Sahin beim Erzfeind in Dortmund. Beide zeigten schon im Teenageralter ihr riesiges Potential: Özil als A-Jugendmeister mit Schalke 2006 und Sahin als bester Spieler bei der U-17-EM 2005 in Italien. Doch Sahin entschied sich anders als Özil nicht für die Nationalelf seines Geburtslandes, sondern für das seiner Eltern: die Türkei. Er sei auf beide Seiten stolz, erklärte Sahin, die deutsche und die türkische. "Ich sehe mich als Bindeglied zwischen beiden Nationen."

Nuri Sahin – der jüngste Bundesliga-Spieler aller Zeiten

In der Türkei feiern sie den Mittelfeldspieler, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, als den Gestalter einer hoffentlich großen Zukunft des türkischen Fußballs. Die Art und Weise, wie der inzwischen 23-Jährige seinen Ex-Club Borussia Dortmund als Spielgestalter zur Meisterschaft führte, ließ Fans wie Fußballexperten ins Schwärmen geraten. Debütiert hatte er dort in der Bundesliga bereits mit 16 Jahren und 355 Tagen und wurde somit zum jüngsten Spieler der Liga-Geschichte. Schon damals war sein Spiel geprägt von einer Reife und Übersicht, die man von so einem jungen Spieler kaum kennt.

Nuri Sahin jubelt über sein Tor gegen Deutschland 2005 (Foto: AP)
Ausgerechnet gegen Deutschland trifft Sahin 2005Bild: AP

Bei seinem Länderspieldebüt für die Türkei im Jahr 2005 traf er prompt ins Tor – ausgerechnet gegen Deutschland. Zwar kam der Wechsel im vergangenen Sommer zu den "Königlichen" von Real Madrid in den Augen vieler etwas zu früh in der Karriereleiter des Nuri Sahin, doch er selbst ist von sich überzeugt und zeigt dies anders als Mesut Özil auch sehr offen: "Ich gehe das (den Wechsel nach Madrid, Anm. d. Red.) mit großem Selbstvertrauen an und bin zu einem Spieler gereift, der sich bei Real durchsetzen kann."

Unglücklicher Start bei Real

Bislang ist ihm das aber nicht gelungen, denn seit seinem Start bei Real verfolgt ihn das Verletzungspech: Erst eine Bänderdehnung, dann Knieprobleme setzten ihn außer Gefecht. Mittlerweile trainiert Sahin aber wieder und hofft nun auf seine Pflichtspiel-Premiere im weißen Dress der "Galaktischen". Dort wird er es angesichts des Überangebotes von Weltklasse im madrilenischen Mittelfeld schwer haben, einen Stammplatz zu ergattern.

Doch das haben sie auch damals über Özil gesagt, als der im Sommer 2010 von Werder Bremen in die spanische Hauptstadt wechselte. Und Özil hat es allen gezeigt: "Den kleinen Zidane" nannte ihn kürzlich Spaniens Sportzeitung "Marca" und der gebürtige Gelsenkirchener scheint kaum wegzudenken aus dem teuren Gefüge von Real. Angesichts dieser Tatsache konnte Özil dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei im Stadion von Galatasaray Istanbul gelassen entgegen sehen: "Es ist gut möglich, dass wieder Leute pfeifen, aber das belastet mich nicht." Wegen seiner Achillessehnenreizung zählte Özil aber kurzfristig nicht zum Kader.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Wolfgang van Kann