1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Wert der Steine steigt in der Krise

Karin Jäger24. Dezember 2011

Edelsteinliebhaber geraten in der Stadt an der Nahe in Ekstase. Mineralien werden zwar seit fast 150 Jahren nicht mehr geschürft im Hunsrück, aber man findet dort noch die schönsten, teuersten und seltensten Fundstücke.

https://p.dw.com/p/134da
Besucher vor einer Schmuckvitrine in Idar-Oberstein (Foto: dpa)
Von der Mine in die VitrineBild: dapd

Anette Fuhrs Steinreich liegt in einer prunkvollen Gründerzeitvilla. Die gelernte Edelsteinkauffrau leitet das Deutsche Edelsteinmuseum in Idar-Oberstein. Passend zur blauen Bluse trägt sie eine Kette aus blauen Achatsteinen. "Edelsteine haben für mich einen hohen Stellenwert. Sie schmücken. Sie können erfreuen, in dem man sie in die Vitrine stellt. Es gibt Tierfiguren, Schalen oder Gebrauchsgegenstände, die aus Edelsteinen hergestellt werden", zählt Anette Fuhr auf. Und als Heilsteine werden sie auch getragen - wenn man daran glaube, fügt sie hinzu.

Anette Fuhr, Edelsteinkauffrau und Leiterin des Deutschen Edelsteinmuseums in Idar-Oberstein (Foto: DW)
Anette Fuhr im "Steinreich"Bild: DW

Auch Susanne Minn ist im Museum tätig. Ihr fehlte das handwerkliche Geschick, das Vater und Großvater als Edelsteingraveure auszeichnete. Also lernte sie Edelsteinkauffrau. Im Museum fädelt sie Perlen nach eigenen Kreationen auf oder peppt Schmuckstücke auf, während deren Besitzer einen Rundgang durch die Ausstellung machen. Sie trägt Ohrringe und eine Kette aus Botswana-Achaten. "Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne Schmuck aus dem Haus zu gehen", freut sie sich.

Susanne Minn, Edelsteinkauffrau, kreiert Ketten im Deutschen Edelsteinmuseum, Idar-Oberstein (Foto: DW)
Lebt mit Steinen - Susanne MinnBild: DW

Anette Fuhr nickt zustimmend. Gerade im Moment der Euro- und Finanzkrise würden verstärkt Gelder in Edelsteine angelegt, weil der Wert eines Steines auch in zehn, zwanzig Jahren der gleiche sei, eher noch etwas höher, je nach Steinart, kalkuliert die Fachfrau. Und wenn dann noch die Minen leer seien, keine Steine mehr gefördert werden, dann steigt der Wert eines Edelsteins enorm.

In Idar-Oberstein gebe es wohl niemanden, der nicht mindestens einen Schlüsselanhänger, einen Flaschenöffner oder irgendein anderes Utensil aus Edelsteinen besitze, verrät Anette Fuhr.

Die ganze Stadt hat eine Beziehung zu Edelsteinen

Die Hotels tragen Namen wie "Achat", "Amethyst" oder "Kristall", in dem alle Gebäude überragenden Hochhaus werden an der "Edelstein-Börse" Steine gehandelt. Und hinter jeder zweiten Fassade schleifen und polieren Steinkünstler einzelne Rohsteine, kreieren Schmuckstücke, gravieren Figuren oder schneiden herausragende Motive, sogenannte Gemmen, aus dem Stein. Die glitzernden Dekogegenstände werden bei Scheichs, Königen und Botschaftshäusern einziehen, die Diademe werden Königinnenhäupter zieren, die Ketten Schöne und Reiche schmücken. Es gibt nur wenige Orte auf dieser Welt, die so dominiert werden vom Geschäft mit Klunkern und Juwelen wie Idar-Oberstein, obwohl 1870 der kommerzielle Abbau eingestellt wurde.

Unter Tage die besondere geographische Lage verstehen lernen

Immerhin 400 Jahre hatten Einheimische in den düsteren Minen am Steinkaulenberg kniend und liegend nach Achaten, Amethysten, Bergkristallen, Jaspisen und anderen Quarzen gegraben, um sie dann zu bearbeiten. Entstanden sind die Edelsteine vor 270 Millionen Jahren, wie Philipp Hahn bei einer Führung unter Tage erklärt.

Philipp Hahn (li.) führt durch die Edelsteinmine am Steinkaulberg in Idar-Oberstein (Foto: DW)
Ehrenamt statt Familientradition: Philipp HahnBild: DW

"Damals herrschte hier eine rege vulkanische Aktivität. Es gab unzählige Vulkane und heiße Lava, so dass die ganzen Felswände hier aus vulkanischem Gestein bestehen." Die Edelsteine bildeten sich nur durch einen günstigen Zufall. Sie entstanden beim Abkühlen der Lava, in Blasen aus Wasser und Kohlendioxid. Die Lava wurde schließlich zu festem Gestein und konnte so diese Blasen einschließen. In diesen Hohlräumen, den Blasen, entwickelten sich Edelsteinkristalle, weil dort Säuren und Sulfate, Schwefelverbindungen, eindrangen. Das dauerte Jahrmillionen, erzählt Philipp Hahn, dessen Familie in der fünften Generation Diamanten schleift. Er selbst glaubt, dass das Handwerk keine Zukunft hat und studiert Sozialpädagogik. Die Führungen durch die Mine macht er ehrenamtlich und zeigt mit einer Taschenlampe auf die zahlreichen Edelsteine, die eingewachsen sind im Fels der Mine.

Steinreich, aber nicht wohlhabend

Von diesem Schatz in Gestein konnten nicht viele Idar-Obersteiner profitieren. Um 1800 herrschte große Not in der Stadt. "Da gingen einige Idar-Obersteiner Bürger, darunter auch Edelstein-Schleifer, nach Brasilien, um dort ihr Glück zu versuchen", sagt Gerhard Risch bei der nächsten Station "auf den Spuren der Geschichte der Steine", an der Weiherschleife, die eigentlich Weiherschleiferei heißen müsste.

Goldschmied Gerhard Risch hält eine Achatschale unter eine Lampe in der historischen Weiherschleife in Idar-Oberstein (Foto: DW)
Zwei Millimeter dick - Gerhard Risch zeigt eine Achat-SchaleBild: DW

Einerseits klingt in Rischs Worten Bedauern durch, andererseits hört man Stolz heraus, wenn er davon berichtet, dass die Pioniere in Südamerika auf große Edelsteinvorkommen stießen. "Sie fanden Achat-Geoden, die runden Rohsteine, am Flussufer. Die mussten sie nur aufheben."

1834 erreichte die erste Fracht mit Achaten aus Brasilien Idar-Oberstein. Damals gab es unzählige, durch Wasserkraft betriebene Schleifereien in der Stadt. Dort wurden die Steine erst mit Hammer und Meißel bearbeitet und dann in Form geschliffen. Der Transport aus Übersee und die Bearbeitung im Hunsrück wurden zunehmend günstiger als der Abbau der Steine in den Minen in Idar-Oberstein.

Gold, Edelsteine und Kochtöpfe als krisenfeste Wertanlage

Auch in diesen Tagen ist die Arbeit des gelernten Goldschmieds Gerhard Risch von der Kosten-Nutzen-Kalkulation geprägt. "Viele Spekulanten legen ihr Geld statt in Aktien jetzt in Gold an. Dadurch wird Gold für uns Goldschmiede Mangelware und der Preis steigt für das Rohmaterial und die fertigen Schmuckstücke", beklagt Risch und schaut lächelnd auf die Kinder, die mit Sieben und Schaufeln im Sandfeld neben der historischen Schleiferei nach Mineralien graben und deren Augen ebenso funkeln wie die Steine, die sie finden.

Kantharos, ein antikes, griechisches Trinkgefäß aus Achat, aufgenommen im Deutschen Edelsteinmuseum in Idar-Oberstein (Foto: DW)
Trinkgefäß aus AchatsteinBild: DW

Kinder und Erwachsene können sich auch beim Besuch im Deutschen Edelsteinmuseum an rund 10.000 Objekten erfreuen, die auf vier Stockwerken verteilt ausgestellt sind - darunter riesige ungeschliffene Rohsteine aus violett funkelndem Amethyst oder Bergkristall, eine afghanische Königskette aus blauem Lapis, filigrane Gefäße und Tierfiguren aus Achat, die heute noch heimische Schmuckschleifer und Graveure für Königshäuser in aller Welt anfertigen.

Kochtopf der in Idar-Oberstein ansässigen Firma Fissler. Verziert mit 18 Karat Goldgriffen und Diamanten von 13 Karat Gesamtgewicht, ausgestellt im Deutschen Edelsteinmuseum in Idar-Oberstein (Foto: DW)
"Hochkarätiger" KochtopfBild: DW

Besondere Prunkstücke glänzen und funkeln in Vitrinen hinter Sicherheitsglas wie der teuerste Kochtopf der Welt mit 18 Karat-Goldgriffen. Rund 270 Brillianten wurden in den Deckel und in die Griffe eingearbeitet. "Er wäre sogar spülmaschinengeeignet", fügt Anette Fuhr hinzu. Und dass die Töpfe durchaus Abnehmer finden, weiß Anette Fuhr auch. Sieben Töpfe seien schon im asiatischen Raum verkauft worden. Zu 150.000 Euro - pro Edelsteinstahlstück.