1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aus der Vogelperspektive

Elisabeth Friedgen / Shelby Granath 7. Mai 2012

Ein neuer Trend erobert die USA: "FPV-Fliegen". Die Abkürzung steht für first person view und meint Fliegen mit Modellflugzeugen aus der subjektiven Perspektive. Die Begeisterung packt immer mehr Hobby-Tüftler.

https://p.dw.com/p/14qE3
Modellflugzeug am Himmel. Foto: picture-alliance/chromorange
Bild: picture-alliance/chromorange

Fliegen wie ein Vogel – obwohl man festen Boden unter den Füßen hat. Die Technik des FPV-Fliegens eröffnet neue Möglichkeiten. Das Konzept ist verblüffend einfach: mit einer speziellen Videobrille kann der Pilot das Videosignal aus einer Kamera empfangen. Die ist eingebaut in seinem ferngesteuerten Modellflugzeug. So erlebt der Pilot den Flug wie aus dem Cockpit des Fliegers, obwohl er am Boden in seinem Sessel sitzt.

Erschwingliches Hobby

Was sich aufwendig und teuer anhört, ist in Wirklichkeit ein recht erschwingliches Hobby. Rund 800 bis 1000 Dollar kostet eine Grundausstattung für FPV-Hobbyflieger – inklusive Brille, Modellflugzeug, Sender und FPV-fähiger Kamera. Auch in Europa hat das FPV-Fliegen bereits viele Anhänger, die Digitalkameras in ihre Modellflieger einbauen. "Besonders in den vergangenen zwei Jahren ist die Ausstattung immer günstiger geworden", erklärt Tim Nilson. Der gebürtige Deutsche lebt seit Jahren in den USA und hat das FPV-Fliegen vor zwei Jahren zu seinem Nebenberuf gemacht. Modellflugzeuge haben ihn zwar schon vorher interessiert, doch heute fliegt er jedes Wochenende in der New Yorker Umgebung umher. Nilsons Schätzung zufolge gibt es weltweit mittlerweile rund 50.000 FPV-Flieger. Die Gemeinde der Hobbypiloten wächst rasant schnell.

Auch in Deutschland gibt es eine begeisterte Gruppe von FPV-Fliegern. Die "FPV-Community" hatte im vergangenen Jahr noch 2500 Mitglieder. Heute sind es bereits 7360. Heiko Mey aus Mainz hat die community 2008 gegründet. Auf seiner Seite tauscht er sich heute mit Gleichgesinnten aus ganz Europa aus, es gibt sogar Jahrestreffen für FPV-Flieger. Am Wochenende steuert Mey seinen Flieger nahe Bodenheim bei Mainz. Sein größter Traum: einmal in den USA zu fliegen, wie Tim Nilson es tut. "Beim FPV-Fliegen vergisst man alles um sich herum. Am Boden in seinem Sessel zu sitzen und dabei alles aus dem Cockpit zu sehen, das ist schon fast wie eine außerkörperliche Erfahrung. Das muss man mal erlebt haben", sagt Mey.

Tim Nilson mit seinem FPV-Modell. Foto: Michael Hill
Hobbypilot und FPV-Flieger Tim NilsonBild: M. Hill

Wie regelt man den neuen Trend?

Die Modellflugzeuge sind mittlerweile so gut entwickelt, dass sie mit starken Batterien weite Strecken zurücklegen können – der aktuelle Rekord liegt bei rund 87 Kilometern. Auch darum sind weltweit Behörden auf die FPV-Flieger aufmerksam geworden. Im US-Bundessaat Utah ist laut dem US-Sender Fox News gerade eine Diskussion zwischen FPV-Fliegern und den Behörden im Gange, ob die Modellflugzeuge über Nationalparks gesteuert werden dürfen. Die Hobbypiloten wollen die Schönheit der Natur zeigen, die Behörden fürchten um die Sicherheit der Touristen, die sich in der Natur entspannen wollen.

New York Flieger # 03.05.2012 # für die Kulturredaktion

Die nordamerikanische Vereinigung der Modellflieger in den USA, die "Academy of Model Aeronautics", kurz AMA, hat verschiedene Regeln für FPV-Flüge aufgestellt. Unter anderem dürfen die Modellflugzeuge nicht höher als 400 feet (ca. 120 Meter) fliegen, nicht schwerer als 5 Kilogramm sein und nicht schneller als 60 Stundenkilometer. Sowohl in den USA als auch in Europa darf der Pilot sein Flugzeug nur über offiziell ausgewiesene Fluggebiete steuern, niemals durch Städte oder über Eisenbahnstrecken. Immer muss ein sogenannter „spotter“ an der Seite des Piloten sein. Das ist eine zweite Person, die das Modellflugzeug während des gesamten Flugs mit bloßem Auge beobachtet. Falls nämlich das Videosignal einmal aussetzt, muss der Pilot erst seine Brille ausziehen und kann das Flugzeug in der Regel nicht schnell genug ausmachen. Durch den „spotter“ können Unfälle verhindert werden.

Leider komme es immer wieder vor, dass andere Hobbypiloten sich damit brüsteten, unerlaubt durch Städte zu fliegen, berichtet Heiko Mey. "Das ist schade, denn solche Leute schaden unserem Hobby", sagt der 22-Jährige. Bürger in Städten wurden aufgeschreckt, wenn die Modellflugzeuge dicht an ihnen vorbeiflogen oder vor ihnen landeten. Einige Male riefen Leute die Polizei. Was den normalen Betrieb von Flugplätzen angeht, gibt es auch in Deutschland strenge Auflagen für die Hobbypiloten.

Zu Artikel Aus der Vogelperspektive Hikers make their way to Sunset Point from Thors Hammer Sunday, Sept., 6, 2009, in Bryce Canyon National Park, Utah. Both Zion and Bryce were formed millions of years ago when the Earth's crust violently heaved, leaving behind stunning, unique arrays of rock formations. (ddp images/AP Photo/Ross D. Franklin)
Was für ein Blick: So sieht der Bryce Canyon National Park in Utah aus der Vogelsperspektive ausBild: AP

Seine Flieger, sagt Tim Nilson, seien zum Glück noch niemandem auf den Kopf gefallen. Allerdings hatte er selbst einmal einen Unfall. Als er grade an einem seiner Modellflugzeuge herumschraubte, ging der Motor an, der Propeller schnitt in die Haut seines Arms. Das musste dann mit 11 Stichen genäht werden, die Narbe sieht man heute noch. "Seitdem weiß ich ganz genau, warum Sicherheitsbestimmungen wirklich wichtig sind bei diesem Hobby.“ In den USA sind alle FPV-Piloten versichert.

Auch wenn gewisse Risiken bleiben und auch die Modellflugzeuge nicht immer unbeschadet von einem Flug heimkehren, bleibt das FPV-Fliegen für Heiko Mey, Tim Nilson und all die anderen weltweit Begeisterten eine Faszination. Denn sie sehen die Schönheit der Welt von oben, was bislang nur für reale Piloten möglich war.