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Brasilianer in deutschem Stahlwerk

Jana Wochnik-Sachtleben10. Mai 2013

Viele deutsche Unternehmen sind in Brasilien aktiv. Umgedreht sind es noch wenige brasilianische Firmen, die in Deutschland investieren. Ein Beispiel ist das Thüringer Stahlwerk, die Maxhütte.

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Elektroofen des Bausteel Edelstahlwerks in Shanghai Foto: SMS Group Bild geliefert von Franz Nawrath, Director Sales Management, PSI Metals GmbH, durch DW/Insa Wrede.
Elektroöfen wie dieser, im Edelstahlwerk Baosteel in Shanghai, haben den Energieverbrauch einer Kleinstadt.Bild: SMS Group

Vor gut einem Jahr kaufte sich der Stahlkonzern CSN aus Sao Paulo in das deutsche Unternehmen ein. Jetzt hat CSN eine Delegation brasilianischer Schmelzer ins thüringische Unterwellenborn geschickt. Die sollen sich bei ihren deutschen Kollegen darüber informieren, wie man ein solches Elektrostahlwerk betreibt. Der Grund: Schon im September soll ein ähnliches Werk in Volta Redonda in Brasilien an den Start gehen.

Lernen mit den Augen

In der Steuerbühne des Schmelzofens ist Hochbetrieb: Deutsche und brasilianische Stahlwerker sitzen dort beisammen; mit Übersetzer, ein bisschen Englisch oder mit Händen und Füßen tauschen sie ihre Erfahrungen aus. Einer von ihnen ist Jagger Amarao. Er beobachtet genau, was ihm sein Thüringer Kollege Clemens Almbach zeigt. Beide sind Schmelzer und überwachen in der Steuerbühne den Schmelzofen über Monitore.

Steuerbühne, Stahlwerk Maxhütte Unterwellenborn Foto:DW /J.Wochnik
Die Steuerbühne im Stahlwerk MaxhütteBild: DW/J.Wochnik

Vorurteile verschwinden rasch

Jagger Amarao gehört zu einer Gruppe von 24 Facharbeitern aus Brasilien, die schon bald auch zu Hause in einem solchen Elektrostahlwerk arbeiten sollen. Ihre deutschen Kollegen hier im Stahlwerk Thüringen, in Unterwellenborn, machen sie dafür fit.

Kommunikationsschwierigkeiten gibt es nicht - im Gegenteil: Tiago Bittencourt, ein Brasilianer berichtet: “Natürlich dachten wir, dass die Deutschen ein bisschen ernst und auch verschlossen sind. Aber es war wirklich eine große Freude für uns, zu sehen, wie gastfreundlich sie sind, mit wie viel Freude sie uns hier aufgenommen haben." Und sein deutscher Kollege, Steven Wagner, bestätigt: Aus einer fremden Truppe sind Freunde geworden.

Jagger Amarao verbindet mit einem Kollegen inzwischen sogar eine so enge Freundschaft, dass der Deutsche ihm ein Trikot der heimischen Fußball-Mannschaft FC Carl Zeiss Jena geschenkt hat. Stolz berichtet er, dass er jetzt genauso wie in Brasilien das Vereinslogo küssen wird - zum Zeichen seiner Freundschaft.

Der Brasilianer Jagger Amarao (vorne) mit deutschen Kollegen Foto:DW /J.Wochnik
Voneinander lernen: Der Brasilianer Jagger Amarao (vorne) mit deutschen KollegenBild: DW/J.Wochnik

Schwieriger Markt

Sieben Wochen sind die Männer hier zum Training. Das ist Teil einer neuen Zusammenarbeit. Der Stahl-Konzern CSN aus Sao Paulo hat das Thüringer Elektrostahl-Werk vor gut einem guten Jahr gekauft. Der Stahlmarkt in Europa ist zwar wegen seiner hohen Strom- und Schrottkosten schwierig, aber für die brasilianischen Eigner dennoch interessant, erklärt Werner Zink vom Stahlwerk Thüringen: "Weil er insgesamt ein sehr großes Volumen umfasst und es da für die Brasilianer durchaus interessant sein kann, sich dort einen Marktanteil zu sichern."

1200 Grad heiß ist es im Schmelzofen. Hoch schießen die Funken, der Lichtbogen glüht über dem Gelände. Wird der Ofen des Elektrostahlwerks hochgefahren, braucht das Werk soviel Strom wie eine Stadt mit 100.000 Einwohnern. Aus dem geschmolzenen Schrott werden Träger für die Baubranche gegossen, für Industriebauten, Straßen, Brücken."

Schmelzofen mit Lichtbogen, Stahlwerk Maxhütte Unterwellenborn Foto:DW / Jutta Wochnik
Schöner Moment inmitten anstrengender Arbeit: Lichtbogen über dem SchmelzofenBild: DW/J.Wochnik

Lange Tradition

Das Werk in Thüringen blickt auf eine jahrzehntelange Tradition zurück. Im 19. Jahrhundert wurde es als Maximilianshütte errichtet, doch genannt wurde sie immer nur die "Maxhütte". Sie prägte die ganze Region und mit ihren Hallen, Schloten und riesigen Gebäuden auch das Landschaftsbild. Heute arbeiten hier knapp 700 Mitarbeiter und trotzen den schwierigen Produktionsbedingungen.

"Es hat sich in der Branche in den letzten Jahren auch geändert, dass man sich nicht mehr soviel Material ins Lager legt", erklärt Werner Zink. "Wir bekommen viele kleine Bestellungen, die dann schnell erledigt werden müssen." Dennoch wirtschaftlich zu produzieren, bedeute, Kundenaufträge möglichst zu bündeln.

Thüringer Maxhütte brasilianisch

Freundschaftsspiel geplant

Mittagessen in der Kantine: Die Kollegen der deutsch-brasilianischen Trainingsgruppe sitzen beisammen. Tiago Bittencourt und seine Kollegen mussten sich erst an die deutsche Küche gewöhnen, wie sie sagen. Doch das ist inzwischen geschehen. Jetzt, kurz vor Ende der siebenwöchigen Trainingszeit, herrscht sogar ein bisschen Wehmut.

Beide Seiten sind sich einig: Sie haben sich gegenseitig bereichert. "Der Kontakt zu den Kollegen ist so eng", berichtet der Brasilianer Tiago Bittencourt. "Ich hoffe, dass er auch über den großen Ozean hinweg halten wird. Ja, ich könnte mir vorstellen, dass wir auch weiter voneinander hören."

Zum Abschluss soll es noch ein Highlight geben: Die Brasilianer haben sich ein Fußballspiel gewünscht. Die Thüringer Stahlwerker gegen die Gäste - sprichwörtlich: ein deutsch-brasilianisches Freundschafts-Spiel.