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Klimawandel verschärft Hunger

Helle Jeppesen31. März 2014

Der Weltklimarat der UN warnt, dass der Klimawandel viel schneller voranschreitet als bisher angenommen. Bauern spüren weltweit seine Auswirkungen. Die Folgen sind dramatisch, warnen Hilfsorganisationen.

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Eispanzer über Apfelblüten (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Für Peter Triloff sind blühende Apfelbäume Anfang April ein unheimlicher Anblick. Der Agraringenieur bei der Marktgemeinschaft Bodensee-Obst hat beobachtet, dass die Apfelblüte am Bodensee immer früher einsetzt. Schon ein bis zwei Grad Frost können die zarten weißen Blüten zerstören. Deshalb löst das Blütenmeer in den Obstplantagen vor allem Angst aus.

Später sind es die Hagelschauer, die von Ende April bis August das Obst bedrohen. "Wir hatten vor dem Jahr 2000 so gut wie keine Hagelnetze am Bodensee. Inzwischen nutzen wir sie für fast 50 Prozent der Anlagen", erzählt er im DW-Gespräch. Pro Hektar müssen die Obstbauern rund 15.000 Euro für den Hagelschutz ausgeben. Doch auch die Dürreperioden, die immer länger werden und die Bäume austrocknen lassen, und die unregelmäßigen Niederschläge, die mittlerweile völlig unberechenbar sind, bedrohen die Existenz der Obstbauern.

Klimawandel ist längst da

Landwirte auf der ganzen Welt haben ähnliche Probleme. Neben dem schleichenden Klimawandel gibt es auch extreme Wetterphänomene: Bauern in Kalifornien erleben zurzeit die schlimmste Dürre seit mehr als 100 Jahren. Auf den Philippinen wütete im November der Taifun Haiyan: 6000 Menschen starben, Millionen wurden obdachlos. In Deutschland kam es an Donau und Elbe zum schlimmsten Hochwasser seit über 60 Jahren.

USA, Kansas Dürre 2012 mit ausgetrocknetem Maisfeld (Foto: Reuters)
Eine Dürre lässt die Preise steigenBild: Reuters

Der Klimawandel bringt viel schneller als erwartet die Jahreszeiten durcheinander und löst extreme Wetterereignisse wie Tropenstürme, Hitzewellen und Überschwemmungen aus: Das ist das Ergebnis des neuen Berichts des Weltklimarats (IPCC). Weltweit warnen Hilfs- und Umweltorganisationen vor den Folgen für Mensch und Natur.

Die Welt ist schlecht gerüstet

Die Entwicklungs- und HilfsorganisationOxfam hat in einem neuen Bericht, der sich an den wissenschaftlichen Ergebnissen des IPCC orientiert, die globale Ernährungssituation unter die Lupe genommen.

"Das Gesamtergebnis unserer Untersuchung ist, dass wir extrem schlecht dastehen", sagt Klimaexperte Jan Kowalzig von Oxfam Deutschland. "Es wird überall zu wenig getan, um mit den Folgen des Klimawandels klarzukommen, also sich an die Folgen anzupassen, die Menschen zu schützen und die Ernten abzusichern."

Millionen Menschen werden hungern, wenn knappere Ernten die Lebensmittelpreise auf den Weltmärkten in die Höhe treiben, warnt Oxfam. Sollte die globale Erwärmung ungebremst weitergehen, werden Millionen Bauern ihre Existenzgrundlage verlieren. Mittlerweile, so Kowalzig, laufen wir auf eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur von vier bis sechs Grad zu: "Das wäre eine globale Katastrophe".

Im Bericht hat die Hilfsorganisation zehn Schlüsselfaktoren aufgelistet, die zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel und damit auch zur globalen Nahrungsmittelversorgung beitragen können. Wie immer wird die Nahrungsmittelknappheit besonders Entwicklungsländer treffen, wo ohnehin drei Viertel der Armen in Dörfern leben.

Neue Feldfrüchte und tote Zonen

Die Folgen des Klimawandels werden vor allem in den tropischen und subtropischen Ländern zu spüren sein, warnt auch Sonja Vermeulen, Research-Leiterin des Forschungsprogramms zu Klimawandel, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit bei der Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung (CCAFS). "Nur rund 15 Prozent unserer Nahrungsmittel werden international gehandelt. Die meisten Menschen leben von den Produkten, die in ihrem eigenen Land wachsen."

Im DW-Interview betont die Agrarexpertin die Gefahr, dass der Klimawandel langfristig zu toten Zonen führen könnte, wo keine Landwirtschaft mehr möglich ist. "Die Farmer werden am meisten unter der Unberechenbarkeit des Wetters leiden", sagt sie. "Sie wissen nicht, wann die Regenzeit anfängt, weil sich das von Jahr zu Jahr ändert. Die Regenzeit wird von Trockenperioden unterbrochen, es wird mehr Extremereignisse wie Überschwemmungen und Dürren geben."

Lebensmittel in Afrika: Eine Marktfrau mit Gebäck (Foto: AP)
Die meisten Menschen ernähren sich von lokalen LebensmittelnBild: AP

Dazu komme der steigende Meeresspiegel: Manche Landstriche werde er ganz wegschwemmen. In niedrig liegende Gebiete werde Salzwasser eindringen und Felder für die Landwirtschaft zerstören.

Kein Kaffee aus Nicaragua

Besonders in den Tropen werden viele Anbaugebiete völlig umgestellt werden müssen. "Viele der Feldfrüchte wie Mais und andere Getreidesorten sind bereits an den Grenzen ihrer Hitzetoleranz angekommen", betont die Agrarexpertin und nennt ein Beispiel: "Für ein Land wie Nicaragua wird vorausgesagt, dass 80 Prozent der Flächen für Kaffee-Anbau in den nächsten 30 Jahren verschwinden werden."

Zum Glück, so Sonja Vermeulen, seien Menschen unglaublich anpassungsfähig. Doch die Landwirtschaft müsse sich auf die Klimaveränderungen einrichten, auch wenn es gelingen sollte, die Erderwärmung auf die zwei Grad zu begrenzen, die in den internationalen Klimaverhandlungen angestrebt werden.

Gemüse statt Obst

Für die Obstbauern am Bodensee läuft die Anpassung bereits seit Jahren: Neue Sorten haben alte abgelöst, weil sie unter veränderten Klimabedingungen widerstandsfähiger sind. In den vergangenen 12 bis 13 Jahren haben die Obstbauern hier insgesamt bis zu 40 Millionen Euro in Hagelnetze investiert, doch mit zunehmender Stärke der Hagelschauer gehen auch diese immer häufiger kaputt.

Blühende Apfelplantage (Foto: Picture Alliance)
Der Anbau von Apfelbäumen lohnt sich für Bauern am Bodensee bald nicht mehrBild: picture-alliance/dpa/WILDLIFE

Wie lange der Bodensee noch der Apfelgarten Deutschlands bleiben wird, ist ungewiss. Denn wegen der Hagelschäden und riesiger Investitionen in Notbewässerungsanlagen könnte es sich eines Tages finanziell nicht mehr lohnen, am Bodensee Obst anzubauen. Agraringenieur Peter Triloff gibt dem Obstanbau dort noch 20 bis 30 Jahre. Die Alternative, so Triloff, wären einjährige Kulturen wie Gemüse, die man dann nachsäen kann, so dass bei schlechten Wetterbedingungen nur eine Ernte verloren geht. "Beim Obst ist alles vorbei, wenn die Bäume einmal vertrocknet sind."