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Wen der Hopfen einmal kratzt…

Insa Wrede14. Mai 2014

...den lässt er nicht mehr los, sagt ein bayrisches Sprichwort. In der Familie Barth hat es immer wieder gekratzt - inzwischen seit acht Generationen. Um Weltmarktführer zu bleiben, reicht Tradition aber nicht aus.

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Hopfenanbau in Hallertau Deutschland
Bild: Kreklau/Barth

Anfang Mai ragen die mit einem Drahtgitter bespannten meterhohen Stangen, noch kahl gen Himmel. Wer jetzt in die Hallertau fährt, der ahnt noch nichts von den grünen Hopfenpflanzen, die sich im Spätsommer in bis zu sieben Metern Höhe um die Gerüste ranken werden. Neben den USA befindet sich hier, im Städtedreieck zwischen München, Regensburg und Ingolstadt, das größte Anbaugebiet für Hopfen weltweit. In nur zwei Monaten reift hier die Seele des Bieres. Denn der Hopfen sorgt für Geschmack, mit ihm wird Bier lagerfähig gemacht, er wirkt antibakteriell und sorgt dafür, dass auf dem Bier die unerlässliche Schaumkrone thront.

Die Druckbranche im Wandel

"Meine Familie hat bis 1976 ein Hopfengut in der Hallertau gehabt und im Sommer waren wir immer bei der Großmutter bei der Hopfenernte", erzählt Stephan Barth. "Wenn man ab Ende August, September durch die Hallertau fährt, riecht man überall den Hopfen und diesen sehr würzigen, erdverbunden Geruch, den habe ich immer geliebt - auch als Kind schon." In den USA aufgewachsen, wurde Barth dieses Kratzen nicht mehr los und kehrte Ende der 80er Jahre zurück nach Deutschland. Heute ist er einer von drei Geschäftsführern des Familienunternehmens Joh. Barth & Sohn. Das Unternehmen handelt und verarbeitet Hopfen - hauptsächlich für Brauereien. Auch wenn immer wieder nach andere Abnehmer geschaut wird. "Es gibt kein anderes Mittel, das den Hopfen im Bier ersetzen könnte", so Barth. Dagegen könne bei allen anderen potentiellen Einsatzzwecken Hopfen auch durch chemische oder pharmazeutische Mittel ersetzt werden, die billiger seien.

Stephan Barth Hopfenhändler
Stephan BarthBild: Kreklau/Barth

Der Weg an die Weltmarktspitze

Zwischen den Brauereien und denjenigen, die den Hopfen anbauen, sitzen bis heute die Händler. Einer der zwei Weltmarktführer ist das Familienunternehmen Joh. Barth & Sohn. Rund 30 Prozent des weltweit gehandelten Hopfens geht durch die Hände der Deutschen. Das war nicht immer so. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es rund 360 Hopfenhändler in Nürnberg, dem deutschen Zentrum des Hopfens. Im Laufe der Zeit wurden es immer weniger. Zu stark wurde die Konkurrenz aus den USA, später vermieste die amerikanische Prohibition das Geschäft und schließlich trieben die Nationalsozialisten viele der oft jüdischen Hopfenhändler in den Tod oder ins Exil.

In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg hat sich beim Hopfenanbau manches geändert. "Man hat über die Jahre unglaubliche züchterische Fortschritte erzielt, die dazu geführt haben, dass eine Brauindustrie, die heute rund das Zehnfache größer ist als noch vor hundert Jahren, von der Hälfte der Fläche versorgt werden kann", sagt Stephan Barth. Denn lange wurde hauptsächlich leicht gehopftes Standardbier ohne Ecken und Kanten getrunken und dafür brauchen die großen Brauereien nur noch sehr wenig Alphasäure, die im Bitterhopfen vorkommt. So kam es, dass obwohl immer mehr Menschen auf der Welt Bier trinken, lange Jahre zu viel Hopfen produziert wurde, die Preise im Keller waren und die Zahl der Händler und auch der Pflanzer sich weiter reduzierte.

Hopfenanbau in Hallertau Deutschland
Bild: Kreklau/Barth

Dienstleistungen um den Hopfen werden wichtiger

Die große Herausforderung war sich trotz der abnehmenden Hopfennachfrage zu behaupten. "Wären wir nur ein Händler wie früher, der also praktisch Rohware einkauft und verkauft, bräuchte es uns überhaupt nicht", erklärt Barth. Da die Brauer nur zwei bis drei Prozent des Hopfens in der ursprünglichen Rohwarenform verwenden, sei die Verarbeitung des Hopfens unheimlich wichtig geworden. Heute wird aus Hopfen beispielsweise Extrakt gewonnen oder er wird zu Pellets gepresst. Neben der Verarbeitung des Hopfens, garantiert Barth auch eine hohe Qualität der Ware und bietet Dienstleistungen für Hopfenpflanzer und Brauern. "Wir helfen den Pflanzern, günstiger, besser und umweltschonender das zu produzieren, was der Markt benötigt", sagt Barth. Beispiel Bewässerung. "Nicht jeder könne auf seinem Feld einen Brunnen graben, um sein Feld zu bewässern." Da die Israelis besonders effizient mit Wasser umgehen, sei Barth schon früh mit israelischen Firmen in Kontakt getreten "und da nehmen wir unsere Pflanzer mit, damit die davon lernen können."

Klare Sicht dank Laser-OP

Symbolbild - Bier
Standardbiere brauchen nur noch wenig BitterhopfenBild: Fotolia/kolotype

Auch Innovationen sorgen für Abstand zur Konkurrenz. Bei einem Bekannten, der an Bäckereien verkauft, habe Stephan Barth eines Tages eine Versuchsküche gesehen. Seine Idee: "Wir müssen eigentlich unseren Kunden, den Brauern, mehr über ihr Produkt erzählen können, anstatt ihnen Hopfenprodukte zu liefern und zu sagen: 'Erzählt uns mal, wie es gewirkt hat.' So entstand in den 90er Jahren eine Versuchsbrauerei, die erste ihrer Art überhaupt. "Hier probieren wir für uns selber Dinge aus", sagt Barth. Aber auch Brauer könnten die Anlage mieten und sich von den Barth-Mitarbeitern beraten lassen.

Deutschland Wirtschaft Sudhaus der Forschungsbrauerei Sankt Johann
Seit 1997 können Brauere in der Forschungsbrauerei ihre eigenen Kreationen testen.Bild: Joh. Barth & Sohn

"Revolution der Kleinen"

Zugute kommt Barth in jüngster Zeit ein neuer Biertrend. Nachdem die Massenbiere bis Ende der 90 weltweit dominiert haben und auch immer noch den Hauptbierdurst der Menschen stillen, ist in den letzten 30 Jahren eine neue Bierbewegung vor allem in den USA entstanden. Sie heißen Drunken Sailor, Detox, Delirium Tremens oder Holy Shit Ale. Und so fantasievoll ihre Namen sind, so unterschiedlich ist der Geschmack der sogenannten Craft Biere. "und da schaut man überhaupt nicht auf die Alphasäure, sondern die Craft Brewer interessiert nur Aroma und zwar möglichst unterschiedlich, möglichst innovativ", sagt Otmar Weingarten vom Verband deutscher Hopfenpflanzer. Und dieses Aroma bekommen sie durch die sogenannten Aromahopfensorten. Und davon brauchen sie viel. Teilweise werden Craft Biere mit bis zu 20 mal mehr Hopfen gebraut, im Vergleich zu Standardbier. Während die Preise für Bitterhopfen aus dem die Alphasäure gewonnen wird, immer noch im Keller sind, sind die für den sogenannten Aromahopfen in die Höhe geschossen.

Bierflaschen von Crew Republic
Craft Biere haben lustige Namen und schmecken nach allem möglichenBild: DW/I. Wrede

Mittlerweile würde knapp 8 Prozent des in den USA getrunkenen Bieres, Craft Bier sein. Dafür verwenden die Brauer aber bis zu 60 Prozent des gesamten US-Hopfenverbrauchs. In Amerika gab es Mitte der 70er Jahre gerade noch an die 50 Brauereien. "Inzwischen marschieren wir stramm auf die 3.000 zu. Da ist geradezu eine Revolution der vielen Kleinen im Gange", so Barth. Angepeilt haben sie 20 Prozent des US-Biermarktes zu erobern. Überall auf der Welt sprießen Craft Brauereien aus der Erde, in Lateinamerika ebenso wie in Europa. Selbst in China, dem weltweit größten Biermarkt ist ein erstes Umorientieren weg vom Standardbier im Gange. Gut für die Händler, freut sich Stephan Barth. "Bier ist wieder in. Vor allen Dingen ist Bier: Vielfalt und Geschmacksvielfalt. Und das sehr wir überall auf der Welt."

150 Jahre Heineken Mönch Rangun
Noch löscht das Gros der Chinesen seinen Bierdurst mit StandardbierenBild: picture-alliance/dpa