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Kloster der Zukunft

Anna Maciol10. Mai 2014

Viele Ordensgemeinschaften in Deutschland haben Nachwuchssorgen. Ein Grund, warum sie zu einem Tag der offenen Klöster einluden. Ein Blick hinter die Mauern eines Franziskanerinnen-Klosters in Rheinland-Pfalz.

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Symbolbild Kloster
Bild: mikesch112 / Fotolia

Wer mit der Generaloberin Schwester Edith-Maria einen Termin vereinbaren will, muss viel Geduld haben. Ihr Terminkalender ist voll. Denn zum Klosterleben gehören auch viele Geschäftstreffen, Dienstreisen und die Verwaltung der Marienhaus GmbH, eines Unternehmens mit über 50 Einrichtungen und 14.000 Mitarbeitern.

Ordenskleider werden in ihrem Kloster kaum getragen, eine Pflicht gibt es nicht mehr. Stattdessen trägt die Generaloberin ein weißes Hemd. "Wir beurteilen unseren Glauben nicht danach, wie man aussieht, sondern danach, was man macht", sagt sie. Die Philosophie und Spiritualität der Franziskaner lebt vom Austausch mit der Außenwelt. "Der Orden ist kein Selbstzweck", sagt Schwester Edith-Maria stolz.

Nachwuchsmangel

Zu kämpfen hat das Kloster mit stetig sinkenden Eintrittszahlen. Vor 20 Jahren gab es mehr als 600 Waldbreitbacher Franziskanerinnen - heute sind es nur noch rund 280. Davon sind weniger als zehn Schwestern berufstätig. In diesem Jahr ist sogar keine einzige Frau ins Kloster eingetreten. Als Eintritt wird das Ablegen des Ordensgelübdes, der sogenannten Profess, gewertet. Die letzte Profess fand 2012 statt.

Franziskanerinnen-Kloster Waldbreitbach - Copyright: Waldbreitbacher Franziskanerinnen
Vom Stift zur Stiftung: das Franziskanerinnen-Kloster WaldbreitbachBild: Waldbreitbacher Franziskanerinnen

Diese Entwicklung lässt sich zum Teil aus der Geschichte erklären: Der Franziskanerinnenorden von Waldbreitbach wurde 1836 in Zeiten der Industrialisierung gegründet. Damals entstanden viele Ordensgemeinschaften als Antwort auf die große soziale Notlage: Klöster galten als Lebensalternative.

Heute sind Frauen selbstbewusster und haben Zugang zu Bildung. "Sie brauchen dafür nicht mehr in den Orden einzutreten", sagt die Mutter Oberin. Auch junge Menschen, die sich christlich engagieren wollen, könnten dies in vielfältiger Weise tun, zum Beispiel ehrenamtlich soziale Projekte voranbringen. Ihrer Ansicht nach ist das die neue Form des Ordenlebens.

Orden öffnet sich

Die Franziskanerinnen in Waldbreitbach sind ein Beispiel dafür, wie Frauen in geistlicher Gemeinschaft leben und trotzdem den Blick für die Not der Menschen haben. Hier finde jeder seinen Platz, sagt Schwester Edith-Maria. "Auch verheiratete Frauen oder Männer können sich mit dem Orden assoziieren und eingliedern. Wir sind gerade dabei, das zu regeln." Derzeit gibt es im Kloster fünf Frauen, die in einer assoziierten Mitgliedschaft die Gemeinschaft durch aktive Hilfe oder finanzielle Beiträge unterstützenn.

Franziskanerin Edith-Maria - Copyright: Waldbreitbacher Franziskanerinnen
Schwester Edith-Maria: "Hier findet jeder seinen Platz"Bild: DW/A. Maciol

Zusammen mit Ehrenamtlichen realisiert der Orden auch zahlreiche Projekte im In- und Ausland. Ein großer Erfolg war zum Beispiel eine Initiative zur Verhütung von Kinderkriminalität in Brasilien, wo die Franziskanerinnen ebenfalls präsent sind. Mit diesem Projekt wurden Kinder von den Straßen geholt.

Sozialcharitative GmbH

Die Sozialarbeit und die Missionstätigkeit waren immer der Motor des Ordens. Um diese Ziele nachhaltig zu fördern, haben die Ordensschwestern schon 1903 die Marienhaus GmbH als Rechtsträger ihrer ersten sozialcharitativen Einrichtungen gegründet. "Das war eine Innovation, die Schwester haben die Verantwortung für Trägerschaft gesehen." Im Laufe der Jahre hat sich die Marienhaus GmbH zu einem der größten Rechtsträger in der Sozialwirtschaft in Deutschland entwickelt: Sie ist Träger von Krankenhäusern, von Altenhilfe- und Jugendeinrichtungen, ambulanten Diensten, Hospizen und prominenten Bildungseinrichtungen. Das Unternehmen ist heute in vier Bundesländern tätig.

Seit über 30 Jahren arbeitet hier Frank-Ulrich Kron als Leiter des Margaretha-Flesch-Hauses, einer Senioreneinrichtung. Ein anderer Arbeitgeber ist für ihn schwer vorstellbar. "Mein Herz schlägt für die Franziskanerinnen", sagt Kron. Viele Menschen seien so lange dabei, weil sie sich mit den Werten und Zielen des Franziskanerordens Waldbreitbach identifizieren können.

Eine Waldbreitbacher Franziskanerin pflegt eine ältere Dame im Krankenhaus - Copyright: Waldbreitbacher Franziskanerinnen
Soziales Engagement prägt heute das OrdenslebenBild: Waldbreitbacher Franziskanerinnen

Grundsätze und Umsätze

Trotzdem hat der Orden vor zwei Jahren nach einem langen Prozess das Marienhaus in eine Stiftung eingebracht und somit in andere Hände gelegt. Im Stiftungsvorstand sind aber immer noch drei Schwestern. Wegen ihres fortgeschrittenen Alters waren sie nicht mehr in der Lage, so eine große Einrichtung allein angemessen zu verwalten. Dass die Kirche als Unternehmen tätig ist, stört Schwester Edith Maria wenig. "Die Kirche hat auch geschäftliche Ambitionen. Es geht um Grundsätze und Umsätze. Die Kirche ist auch ein großer Arbeitgeber", so die Oberin.

"Ich wünsche mir eine Kirche, die - wie Papst Franziskus sagt - selbst in sich schlicht ist und arme Menschen in Blick hat, unabhängig von deren Leistung und vom Geld", sagt Schwester Edith-Maria. Und Frank-Ulrich Kron fügt hinzu: "Die Leute müssen sich mit der Kirche identifizieren können. Nur auf diese Weise können sie sich öffnen."

Christliche Werte

Je stärker die Ordensgemeinschaften aktuelle Themen aufgreifen, desto mehr Anhänger finden sie. Man braucht sie heute auch aus einem anderen Grund: "Ein Zeichen unserer hochzivilisierten Gesellschaft ist Einsamkeit", so die Generaloberin. "In München sterben jedes Jahr über 700 Leute anonym und einsam. In einer Gemeinschaft geschieht das nicht."

Eine Waldbreitbacher Franziskanerin spricht mit einer älteren Dame im Seniorenheim - Copyright: Waldbreitbacher Franziskanerinnen
Die Marienhaus GmbH umfasst über 50 soziale Einrichtungen mit 14.000 MitarbeiternBild: Waldbreitbacher Franziskanerinnen

Für Kron ist das Wichtigste dabei, dass nachhaltig Werte vermittelt werden. Nur die Form habe sich verändert, fügt die Generaloberin an. Trotz Nachwuchsmangels schaut sie positiv in die Zukunft: "Der Schwerpunkt liegt jetzt auf den assoziierten Mitgliedern und engagierten Mitarbeitern, die christliche Werte weiter pflegen und bewahren. Nur dadurch überlebt der Glauben."