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Anschlag auf deutsches Kloster in Israel

18. Juni 2015

Auf einen berühmten christlichen Wallfahrtsort in Israel ist ein Brandanschlag verübt worden. Die Tat reiht sich ein in eine Serie von Angriffen mutmaßlich jüdisch-nationalistischer Täter auf religiöse Minderheiten.

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Einer der Mönche begutachtet nach dem Anschlag die Schäden (Foto: dpa)
Einer der Mönche begutachtet nach dem Anschlag die SchädenBild: picture-alliance/dpa/A. Safadi

Bei einem Brandanschlag ist das von deutschen Mönchen verwaltete Benediktinerkloster Tabgha am See Genezareth stark beschädigt worden. "An der Kirche brach in der Nacht ein Feuer aus", teilte die Polizei mit. "Auf den Wänden haben wir danach Schmähparolen auf Hebräisch gefunden." Aufgrund der hinterlassenen Parole geht man von einem Anschlag jüdisch-nationalistischer Täter aus. Die Polizei teilte mit, sie habe 16 jüdische Religionsstudenten aus Siedlungen im Westjordanland zunächst verhaftet und bald darauf wieder freigelassen. Ihr Anwalt sagte dem israelischen Armee-Radio, die Polizei habe keine Beweise gegen die Jugendlichen gehabt.

Ein 80-jähriger Mönch und eine 20-jährige Volontärin wurden nach dem Anschlag mit Verdacht auf Rauchvergiftung in eine Klinik eingeliefert, wie ein Sprecher der Abtei der Katholischen Nachrichten-Agentur sagte. Den Angaben zufolge wurden die Mönche kurz nach 3.00 Uhr morgens durch das Feuer geweckt. Die israelische Feuerwehr sei binnen einer halben Stunde mit zwei Löschzügen an dem entlegenen Ort am See Genezareth eingetroffen. Sie konnte jedoch nicht verhindern, dass die südlichen Teile der Klosteranlage mit Büro- und Arbeitsräumen, der Klosterpforte und einem überdachten Umgang abbrannten.

"Verurteilt den Götzendienst", sprühten die Täter auf hebräisch an eine Kirchenwand (Foto: dpa)
"Verurteilt den Götzendienst", sprühten die Täter auf hebräisch an eine KirchenwandBild: picture-alliance/dpa/A. Safadi

Der deutsche Pater Matthias vom Benediktinerorden, der die Stätte verwaltet, sagte, der Brand habe ein angebautes Atrium vollständig zerstört. Auch ein Säulengang wurde demnach stark beschädigt. "Der Kirche selbst ist - Gott sei dank - nichts passiert", sagte der Benediktermönch der Nachrichtenagentur AFP.

Die römisch-katholische Brotvermehrungskirche im Benediktinerpriorat Tabgha gilt gläubigen Christen als der Ort, an dem Jesus Christus bei der Speisung der Fünftausend eines seiner größten Wunder vollbrachte, indem er fünf Brotlaibe und zwei Fische vermehrte. Besonders ihre Mosaiken sind kulturgeschichtlich wertvoll.

"Neue Dimension der Gewalt"

Mit den hinterlassenen Parolen auf Althebräisch werden "Heiden" geschmäht; zudem wird zur "Zerstörung von Götzen" aufgerufen, wobei es sich um eine Zeile aus einem Gebet handelt, das gläubige Juden dreimal täglich an Gott richten.

Abtei-Sprecher Nikodemus Schnabel sprach von einem "enormen Schaden" und einer "neuen Dimension" der Gewalt gegen christliche Einrichtungen.

Der Brandanschlag werde unter den Christengemeinden in der ganzen Welt Empörung auslösen, sagte Wadie Abu Nasser, Berater der katholischen Bischöfe im Heiligen Land. "Das Ansehen Israels wird global beschmutzt, weil der Zusammenhang zwischen den Graffitis und dem Feuer klar ist", sagte er dem staatlichen israelischen Radio.

Israels Minister für Öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, bezeichnete den Brandanschlag als feigen Akt, der den Grundwerten Israels widerspreche. Auch der jüdische Oberrabbiner David Lau verurteilte die Tat. Der deutsche Botschafter in Israel, Andreas Michaelis, reiste am Vormittag nach Tabgha und erklärte, es müsse gewährleistet werden, dass religiöse Einrichtungen "in Israel ebenso wie in Deutschland und Europa geschützt sind und bleiben. Vorfälle dieser Art dürfen sich nicht wiederholen."

Geringe Aufklärungsquote

In jüngerer Zeit gab es in Israel und im besetzten Westjordanland häufig Anschläge auf christliche und muslimische Gotteshäuser, wobei die hinterlassenen Parolen auf Taten jüdischer Fanatiker und extremistischer Siedler hinwiesen. Die Aufklärungsquote ist sehr gering.

So wurden im April die Grabsteine auf einem maronitisch-christlichen Friedhof an der Grenze zum Libanon zerstört. Israels Staatschef Reuven Rivlin lud daraufhin die Spitzenvertreter der christlichen Kirchen in Israel ein und versprach ihnen, religiös inspirierte Hasstaten würden unterbunden.

Auch der Pilgerort Tabgha war im April 2014 kurz vor dem Papstbesuch Ziel kirchenfeindlicher Angriffe. Jugendliche Nationalreligiöse beschädigten auf dem Gelände Kreuze und griffen Geistliche an, als diese einschritten. Die Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem, zu der Tabgha gehört, wurde im Mai 2014 Ziel eines Brandanschlags. Unmittelbar nach dem Besuch von Papst Franziskus auf dem Zionsberg legten Unbekannte mit Hilfe eines angezündeten Buchs Feuer im Chorraum. Der Brand wurde nur durch Zufall entdeckt, bevor er sich ausbreiten konnte. Im vergangenen Februar gab es einen Fall von Brandstiftung im griechisch-orthodoxen Seminar ebenfalls auf dem Zionsberg. Auch dort wurden auf den Außenmauern antichristliche Graffiti angebracht.

Die ab 1980 im byzantinischen Stil neu errichtete Brotvermehrungskirche im Priorat Tabgha an der Nordwestecke des Sees Genezareth umschließt die Überreste von zwei Vorgängerbauten aus dem 4. und 5. Jahrhundert. Berühmt sind vor allem die Mosaikböden. Besonders verehrt wird ein Mosaik am Altar, das einen Brotkorb und zwei Fische zeigt. Derzeit leben in Tabgha sechs Mönche. Dem Kloster angegliedert ist ein Pilgerhaus und eine Begegnungsstätte für israelische und arabische Jugendliche. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit jungen Behinderten.

stu/se (afp, kna)