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Sichere Tunneltechnik

Fabian Schmidt19. Juli 2015

Seit 50 Jahren fahren täglich tausende Autos unter dem Mont-Blanc zwischen Italien und Frankreich hin und her. 1999 kam es zu einem verheerenden Brand. Die Lehre daraus: Ein umfassendes Sicherheitssystem.

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Mont-Blanc-Tunnelröhre mit Polizeiauto (Foto: dpa).
Die Geschwindigkeit und der Abständ der Fahrzeuge werden streng kontrolliertBild: picture-alliance / dpa/dpaweb/Clatot

Der Mont-Blanc-Tunnel ist kein Autotunnel wie jeder andere. Mit einer Länge von 11,6 Kilometern war er der längste Autotunnel der Welt, als er am 19. Juli 1965 erstmals in Betrieb ging. Diesen Titel konnte er bis 1978 halten, als der etwa zwei Kilometer längere Arlberg-Tunnel in Österreich seinen Dienst aufnahm. Heute steht der Mont-Blanc-Tunnel an achter Stelle auf der Liste der längsten Straßentunnel der Welt.

Über ein Dritteljahrhundert ging alles gut - dann kam es zu einem verheerenden Tunnelbrand: Am 24. März 1999 geriet der Motor eines Lastkraftwagens - wahrscheinlich durch eine weggeworfene Zigarettenkippe, die in den Luftfilter geraten war - in Brand. Der LKW-Fahrer flüchtete zu Fuß aus dem brennenden Fahrzeug und überlebte.

Die Ladung aus Margarine und Mehl entzündete sich rasant und das Feuer wurde durch die Belüftungsanlage des Tunnels weiter angefacht. 39 Menschen, die aus den nachfolgenden Autos nicht mehr flüchten konnten, starben in Rauch und Flammen. Es dauerte länger als zwei Tage, den Brand zu löschen.

Erst drei Jahre später konnte der Tunnel nach umfassenden Reparaturen und Umbauten und mit einem völlig neu durchdachten Sicherheitskonzept wieder neu eröffnet werden.

Mont-Blanc-Tunnel nach der Katastrophe von 1999 (Foto: AP/ Patrick Gardin).
Bei dem Brand von 1999 starben 39 MenschenBild: picture-alliance/AP Photo/P. Gardin

Bessere Kommunikation der Einsatzkräfte

Die erste Schwachstelle beim Einsatz von 1999 war die mangelhafte Kommunikation zwischen italienischen und französischen Einsatzkräften. Als im Tunnel auf italienischer Seite Alarm ausgelöst wurde, erreichte dieser die französischen Rettungskräfte nicht sofort, obwohl diese geografisch dem brennenden LKW am nächsten waren. So gingen wertvolle vier Minuten verloren - die gerade im Falle eines sich gerade ausbreitenden Feuers über Erfolg und Misserfolg des ersten Löschversuches entscheiden.

Heute gibt es nur noch eine zentrale Kontrollstelle, die die Arbeit von zwei untergeordneten Steuerstellen auf italienischer und französischer Seite koordiniert. Diese ist mit allen Notfall-Rufanlagen verbunden, die alle 100 Meter stehen. Hinzu kommen 120 Videokameras, die ständig alles überschauen.

Schutzräume zur Flucht und Brandbekämpfung

Die zweite Schwachstelle waren die Brandschutzräume, die den hohen Temperaturen, die durch das Feuer in der Tunnelröhre entstanden, nicht lange widerstehen konnten. Sie waren nur für zweistündige Brände ausgelegt. Heute können die 37 Schutzräume auch für lange Zeit Temperaturen von 1000 Grad Celsius widerstehen.

Jeder Schutzraum verfügt über Kommunikationsanlagen und Löschausrüstung. Hinzu kommen 78 Brandschutznischen mit Feuerlöscheinrichtungen, aus denen die Einsatzkräfte jetzt gegen Brände vorgehen können. Dass sie immer genug Löschwasser zur Verfügung haben, stellen vier Zisternen mit jeweils 120 Kubikmetern Wasser sicher.

Vervollständigt wird das ganze durch drei Evakuierungskanäle, die gleichzeitig als Frischluftzufuhr dienen und unter der Fahrbahn liegen. Einer davon verbindet alle Schutzräume miteinander. Hinzu kommt ein eigener Kanal, durch den das Löschwasser geführt wird und ein weiterer großer Kanal zur Rauchabsaugung - gespeist von je einem Absaugkanal für alle 100 Meter Tunnelröhre. 76 Edelstahl-Strahlventilatoren sorgen dafür, dass Rauch und Abgase zügig aus der Tunnelröhre entfernt werden können.

Mitten im Tunnel ist jetzt eine kleine Feuerwache untergebracht - also eine Garage mit Lösch- und Rettungsfahrzeug. Der Weg der Rettungskräfte zum Einsatzort verkürzt sich damit von fast sechs Kilometern auf nur noch knapp zweieinhalb.

LKWs fahren in den Mont-Blanc-Tunnel ein (Foto: Pierre Clatot/ AP).
LKWs, die in den Tunnel einfahren, werden zuvor mit einer Wärmebildkamera auf Überhitzung geprüft.Bild: Getty Images/AFP/Clatot

Sensorik zur Gefahrvermeidung

Mindestens genauso wichtig, wie eine Brandbekämpfung ist allerdings die frühzeitige Erkennung von Gefahren, wie etwa Schwelbränden. Nur rasches Handeln kann nämlich verhindern, dass überhaupt ein richtiges Feuer entsteht. Dabei helfen Sensoren, die ihre Daten an das Kontrollzentrum senden.

Ganz am Anfang stehen Hitzedetektoren. Fahrzeuge, die in den Tunnel einfahren möchten, werden damit abgescannt. Deutet etwas auf eine Überhitzung - etwa des Motors - hin oder gar auf eine Hitzeentwicklung der Ladung, werden diese Fahrzeuge aussortiert, bevor sie in den Tunnel einfahren können.

Die Tunnelröhre selbst ist durchzogen mit Brandmelde-Kabeln: 3860 Sensoren sind darin verbaut, also mehr als einer für alle drei Meter Tunnel.

Langsame Fahrt und genügend Abstand

Neben der Kontrolle der Fahrzeuge vor der Einfahrt in den Tunnel, lassen sich Gefahren am besten vermeiden, wenn der Verkehr langsam und gesittet fließt. Daher herrscht im Mont-Blanc-Tunnel grundsätzlich Tempo 70.

Infografik Sicherheitstechnik im Mont-Blanc-Tunnel (Grafik: DW).

Das reicht aber noch nicht zur Sicherheit. Die Autofahrer müssen mindestens 150 Meter Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Auto halten. Dass die Fahrer sich an beide Regeln halten, kontrollieren 20 Radaranlagen. Zudem wird der Zufluss des Verkehrs in den Tunnel beschränkt. Besser es staut sich mal vor der Tunnelröhre als dass es drinnen zu Verstopfungen führt.

Kommt es doch mal zu einem Problem kann durch 20 Ampeln je Fahrtrichtung sofort das Signal zum Anhalten gegeben werden. Und im ganz schlimmen Fall gehen dann dort auch noch die Schranken runter. Gehen dann die Warnsignale an den Schutzraumtüren an, müssen alle Autofahrer die Tunnelröhre verlassen.

Über 12 verschiedene UKW-Kanäle werden Autofahrer im Tunnel zudem über die Lage informiert. Wer das Autoradio einschaltet, kann diese Meldungen also praktisch nicht verpassen.

Der Transport von Gefahrgütern unterliegt strengen Beschränkungen. Besonders gefährliche Chemikalien dürfen dort überhaupt nicht transportiert werden.

Vierzehn Jahre sind seit der Wiederinbetriebnahme des Tunnels vergangen, seitdem ohne schwerere Unfälle.