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Ölpreise fallen - auch ohne Iran

Rolf Wenkel30. Juli 2015

Die Ölpreise sinken weltweit - und das nicht erst seit gestern, sondern seit gut einem Jahr. Dass der Iran nach der Einigung im Atomstreit wieder die Bühne als Öllieferant betreten wird, ist nur ein kleiner Mosaikstein.

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Symbolbild Ausfall der Ölpreise
Bild: picture-alliance/dpa

Alexander von Gersdorff vom Mineralöl-Wirtschaftsverband in Berlin erinnert sich noch genau: "Vor einem Jahr lag der Preis für die Nordsee-Sorte Brent, ein Barrel sind 159 Liter, bei rund 110 Dollar. Jetzt liegen wir bei 55 Dollar – also glatt eine Halbierung", so von Gersdorff zur DW. Amerikanisches Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) ist kürzlich sogar unter die Marke von 50 Dollar gefallen – und das, noch bevor der Iran einen einzigen Tropfen Öl zusätzlich exportiert hat.

Bis der Iran nach der Einigung im Atomstreit mit dem Westen wieder Erdöl in nennenswertem Umfang exportiert, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen. Zuerst müssen die stillgelegten Förderanlagen und Transporteinrichtungen nach drei Jahren Stillstand wieder flott gemacht werden. Rohstoffexperten der Commerzbank gehen davon aus, dass der Iran bis Mitte 2016 rund eine halbe Million Barrel pro Tag fördern kann. Zum Vergleich: Derzeit fördern die OPEC-Staaten deutlich mehr als 30 Millionen Barrel pro Tag. Der Iran spielt also für die Preisgestaltung beim Rohöl kaum eine Rolle.

Alexander von Gersdorff vom Mineralöl-Wirtschaftsverband hält denn auch andere Gründe für den Ölpreisverfall für wesentlich gravierender: Die steigende Ölproduktion in den USA und schwächelnde Nachfrage in China. "In den USA nimmt die Ölförderung wider Erwarten nicht ab. Sie ist auf einem sehr hohen Niveau, auf einem Niveau wie Anfang der 70er Jahre."

USA drosseln Förderung nicht

Allein im vergangenen Jahr haben die USA ihre Förderung um über 16 Prozent auf 516 Millionen Tonnen pro Jahr ausgedehnt. Sie sind damit nach Saudi-Arabien und Russland der drittgrößte Erlölförderer überhaupt, obwohl fast die Hälfte dieser Förderung mit dem teuren und umstrittenen Fracking-Verfahren bewältigt wird, dem Herauspressen von Rohöl aus porösen Gesteinsschichten.

"Und da haben wir auf der anderen Seite China, wo sich die Wirtschaft wohl nicht so stark entwickelt wie zunächst angenommen", ergänzt von Gersdorff. "Und das hat eben auch Folgen für die Ölnachfrage, die in China nicht so hoch ist wie gedacht." Hinzu kommt noch, dass in vielen Schwellenländern die Konjunktur stottert und damit auch dort, beispielsweise in Russland oder in Brasilien, die Nachfrage nach Energie gedämpft wird.

Und hinzu kommt, dass die OPEC, das Kartell der erdölexportierenden Staaten, eine andere Politik fährt als früher. In der Vergangenheit hat das Kartell immer hohe Preise auf dem Weltmarkt erzielen können, indem seine Mitglieder eine gewisse Förderdisziplin einhielten: Sie produzierten einfach weniger als technisch möglich war. So wurde das weltweite Angebot verknappt – und das Kartell konnte hohe Preise realisieren.

Auch die OPEC hält die Fördermengen hoch

Heute ist das Kartell aber nicht mehr so mächtig wie früher, weil es mit 1,7 Milliarden Tonnen pro Jahr nur noch rund 40 Prozent zur globalen Rohölversorgung beiträgt. Trotzdem spielt das Kartell nach Ansicht von Gersdorff immer noch eine wichtige Rolle: "Es sorgt gerade - und das offenbar sehr bewusst - für dieses sehr hohe Angebot, um zu sehen, ob man nicht andere Anbieter aus Markt drängen kann. Das zumindest sagen Beobachter, die sehr nah dran sind."

Mit "anderen Anbietern" sind ganz offensichtlich die USA gemeint. Früher hatte Saudi Arabien seine Produktion stets zurück genommen, um den Preis zu stabilisieren. Heute bleibt das Land bei einer Förderung von rund zehn Millionen Barrel pro Tag - angeblich, um den Ölpreis so weit zu senken, dass sich das Fracking in den USA und Kanada nicht mehr lohnt.

Langfristig steigt der Bedarf

Neben dem überreichlichen Angebot und der schleppenden Nachfrage spielen jedoch noch andere Faktoren eine Rolle. So haben sich - zumindest in den Industriestaaten - das Wirtschaftswachstum und der Rohölverbrauch, Größen, die früher eng zusammenhingen, mittlerweile fast völlig entkoppelt. "Das kann man auch ganz konkret an den Zahlen sehen", sagt von Gersdorff vom Mineralölwirtschaftsverband. "Hier in Deutschland verzeichnen wir ein leichtes Wirtschaftswachstum. Der Benzinverbrauch im ersten Halbjahr 2015 ist aber um zwei Prozent zurück gegangen. Benzin und Diesel werden immer effizienter eingesetzt. Hier haben wir diesen Zustand bereits. Aber er gilt nicht so sehr weltweit.

Weltweit gelte viel mehr, dass das Nachfragewachstum nach zusätzlicher Energie in den kommenden 20 Jahren um 35 bis 50 Prozent zunehmen wird, schätzen Experten. Allerdings: Mit dem Nachfragewachstum geht jedoch auch eine wundersame Vermehrung der globalen Rohölvorräte einher: "Es ist in der Tat so, dass die Ölvorräte trotz des hohen Verbrauchs von 90 Millionen Barrel Öl pro Tag weltweit Jahr für Jahr größer werden und nicht kleiner."

Und das liege, so von Gersdorff, sowohl an konventionellen Ölfunden, beispielsweise im Atlantik vor beiden Küsten, vor Afrika und vor Südamerika, als auch an neuen Technologien wie dem Fracking. Dabei spiele neben den USA auch Kanada eine wichtige Rolle. "Drei Millionen Barrel pro Tag kommen aus Kanada, und das liegt an den so genannten unkonventionelle Techniken, die zunehmend zum Einsatz kommen."