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Wie zum CO2-Ausstieg?

Gero Rueter13. September 2015

Die Weltgemeinschaft will die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen. Deshalb muss der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid schnell sinken. Wie soll das gehen? Studien zeigen einen Weg für Deutschland.

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JUWI Wind PV und Solaranlagen NEU
Bild: JUWI/Fotograf: Jan Hosan

Auf der UN-Klimakonferenz in Paris soll Ende des Jahres eine neue Vereinbarung getroffen werden, um die Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal zwei Grad zu beschränken. Nach Angaben des Weltklimarates (IPCC) kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn die Emissionen von allen Treibhausgasen in diesem Jahrhundert gegen Null gehen.

Heute entstehen laut IPCC rund drei Viertel aller Klimagase durch die Verbrennung von fossilen Energien und ein Viertel durch die Abholzung von Bäumen und durch Landwirtschaft. "Diese Erkenntnis bedeutet, dass wir bis zur Mitte des Jahrhunderts die Energiesysteme vor allem in den Industrieländern substanziell umbauen müssen und sehr stark auf erneuerbare Energien stellen“, erklärt IPCC-Autor Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts. "Der Einsatz fossiler Energieträger muss so bis zur Mitte des Jahrhunderts auf fast Null zurückgeführt werden."

Energieversorgung ohne CO2

Im Rahmen der UN-Initiative Deep Decarbonization Pathways Projekt (DEEP) untersuchen Wissenschaftler aus der ganzen Welt Wege zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Unter Leitung von Fischedick wurde jetzt der Report "Wege zu einer weitgehenden Dekarbonisierung Deutschlands" veröffentlicht. In diesen Wochen sollen weitere Länderberichte von der UN-Initiative folgen, darunter USA, China, Indien, Russland, GB, Brasilien und Südafrika.“

Die Schlüssel zum Erfolg

Das Wuppertal Institut für Klima Umwelt und Energie untersuchte drei Szenarien für den Umbau der Energieversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2050. Diese wurden von der Bundesregierung in Auftrag gegeben oder orientieren sich am deutschen Regierungsziel, die Treibhausgase bis 2050 gegenüber 2014 um 73 bis 93 Prozent zu senken.

Alle drei Szenarien sehen die Energieeinsparung als ein zentrales Element, "ohne die es wenig Chancen gibt, die Ziele zu erreichen", so Fischedick. Im Vergleich zu 2014 sehen die Szenarien für 2050 eine Senkung des Energiebedarfs für Strom, Wärme, Verkehr und Industrie um 40 bis 47 Prozent vor.

Infografik Emissionen von Treibhausgasen in Deutschland 2015
Bis 2050 will Deutschland die Treibhausgase stark senken. Im Vergleich zu 2014 um 73 bis 93 Prozent.

Den verbleibenden Energiebedarf sollen dann vor allem die erneuerbaren Energien übernehmen. Laut den Szenarien liegt 2050 der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energiebedarf bei 51 bis 73 Prozent.

Der Anteil der erneuerbaren Energien beim Strom soll im Jahr 2050 dagegen schon wesentlich höher liegen. Von derzeit 32 Prozent würde er auf 80 und 98 Prozent steigen. Den größten Anteil hätte dabei die Wind- und Solarenergie.

Fortschritte und Defizite

Deutschland sei beim Energieumbau im Stromsektor bereits auf einem guten Weg. "Die beiden letzten Jahrzehnte haben gezeigt, wie der Ausbau erneuerbarer Energien gelingen kann. Diese Dynamik muss fortgesetzt werden", so der Report des Weltklimarates.

Power-to-Gas-Pilotanlage Gasfahrzeug Rapperswil Schweiz Energie Umwelt
Power-to-Gas: Aus Solarstrom wird erst Methan. Damit kann dann ein Auto fahren.Bild: HSR

Defizite sehen die Autoren jedoch bei der Energieeffizienz und beim Einsatz von fossilen Energien beim Heizen und im Verkehr. "Bei der Energieeinsparung hapert es. In Deutschland und auch der EU wird die Energieeffizienz immer wieder betont aber in der praktischen Umsetzung hängt man hinterher", so Fischedick. "Auch bei Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien und beim Kraftstoff sind wir nicht substanziell nach vorne gekommen."

Öl und Gas aus Strom

Alle Szenarien sehen vor, dass klimafreundlicher Strom zunehmend für die Heizung genutzt wird. Genauso wie auch für die Produktion von Kraftstoffen für Industrie und Verkehr.

Mit der sogenannten Power-to-Gas-Technologie lassen sich inzwischen alle Erdölprodukte ersetzen. Mit Hilfe von Strom wird dabei in der Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und in weiteren Schritten Gas, Diesel oder Kerosin. "Diese Technologie hilft andere Sektoren zu dekarbonisieren, wie die Industrie und der Verkehr", erklärt Fischedick. In diesen Sektoren fehlten häufig die direkten Einsatzmöglichkeiten von erneuerbaren Energien.

Manfred Fischedick
IPCC-Autor Professor Manfred FischedickBild: DW/K. Danetzki

Eine weitere Strategie zur Treibhausgasminderung in der Industrie ist laut Report die CO2-Speicherung unterhalb der Erde CCS (Carbon Capture and Storage CCS). CO2-Emissionen , die vor allem bei der Produktion von Zement entstehen, ließen sich damit vermeiden.

Umbau erfordert langen Atem

Nach Ansicht der Autoren ist die angestrebte Minderung von Treibhausgasen in Deutschland möglich und auch ökonomischen vorteilhaft. "Wenn man die entstehenden Schäden durch CO2 einbezieht, dann sind die Entwicklungspfade mit erneuerbaren Energien und Effizienz billiger als eine Entwicklung mit 'business as usual'", erklärt Fischedick. Allerdings müsse die Gesellschaft beim Umbau des Energiesystems in der Anfangsphase in Vorleistung gehen.

Nach Ansicht der Autoren ist es vor allem wichtig stabile Investitionsbedingungen zu schaffen und die Gesellschaft in den tief greifenden Veränderungsprozess wie durch Aufklärung einzubinden. "Ohne geeignete politische, institutionelle, kulturelle und soziale Rahmenbedingungen ist eine Dekarbonisierung nicht möglich", betont Fischedick.

Die Studie macht zudem deutlich, dass der Energieumbau konsequentes politisches und gesellschaftliches Handeln über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten erfordert. "Den langen Atem dafür bekommt man nur, wenn wir aufhören uns ausschließlich mit den potenziellen kurzfristigen Nachteilen beschäftigen", erklärt Fischedick. Stattdessen müsse viel stärker der Mehrwert betont werden. Positive Effekte seien neben dem Klimaschutz eine geringere Abhängigkeit von Energieimporten, eine bessere Luftqualität, mehr Innovationsdynamik und Exportmöglichkeiten für die Wirtschaft. Genug Rückenwind für mutiges politisches Handeln lautet das Fazit.