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Gewalt gegen Polio-Impfungen in Pakistan

Shamil Shams / rb13. Januar 2016

Immer wieder stören Attentate die Impfkampagne der pakistanischen Regierung gegen Kinderlähmung. Experten vermuten militante Islamisten als Drahtzieher und befürchten eine weitere Ausbreitung der Erkrankungen.

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Anschlag bei einer Polio-Impfstation in Quetta. (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/B. Khan

In Pakistan sind mindestens 15 Menschen, Mitarbeiter eines Polio-Impfteams und Polizisten, die sie schützen sollten, bei einem Bombenanschlag auf eine Impfstation in Quetta getötet worden. Die Bewegung der pakistanischen Taliban hat sich auf Facebook und in mehreren Briefen an Journalisten zu dem Anschlag bekannt. Der Anschlag ist der jüngste in einer langen, seit Jahren andauernden Serie von Anschlägen, Übergriffen und Einschüchterungen gegen Polio-Impfteams in Pakistan.

Quetta liegt im Westen von Pakistan. (Grafik: DW)
Quetta liegt im Westen von PakistanBild: DW

Die dreitägige Impfkampagne wurde an ihrem letzten Tag von dem Anschlag erschüttert. Nach einer kurzen Unterbrechung gaben die Behörden die Fortsetzung der Kampagne bekannt. Insgesamt 2,4 Millionen Kinder unter fünf Jahren sollen gegen Polio geimpft werden. Die pakistanische Nachrichtenseite dawn zitierte einen Arzt aus der Grenzregion: "Der Terror wird unsere Bemühungen Polio auszurotten nicht aufhalten."

Grenzgebiete besonders betroffen

Dabei ist Pakistan seit Jahren weitgehend auf sich allein gestellt. Bereits 2012 gab die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) ihr Engagement gegen Kinderlähmung in Pakistan auf, nachdem die Taliban zwei WHO-Mitarbeiter in der nordwestlichen Stadt Charsadda getötet hatten. Die UN-Organisation, die sich als Partner der pakistanischen Regierung verstand, sagte damals, dass die Entscheidung, das Impfprogramm auszusetzen, aufgrund der "sehr unsicheren" Situation in Pakistan getroffen wurde. Seither versucht die pakistanische Regierung die Impfkampagnen selbst durchzuführen, stößt dabei aber auf erheblichen Widerstand der Extremisten, insbesondere im Norden, wo das Land an Afghanistan grenzt.

Der Politiker Akhon Zada Chitan aus der Grenzregion verurteilt im Gespräch mit der Deutschen Welle die Angriffe auf die Impfstation scharf. "Es ist bedauerlich, dass Pakistan es nicht gelingt, Polio auszurotten. Wir haben Fehler gemacht. Etwa, dass wir eine Verbindung zwischen Polio und Religion hergestellt haben. Wir haben muslimische Religionsgelehrte gebten, sich für die Impfungen auszusprechen, aber wir hätten Ärzte und Gesundheitsexperten fragen sollen, denn es ist ein Gesundheitsthema."

Prospekt zum Thema Polio in Pakistan (Foto: DW)
Prospekt zum Thema Polio in PakistanBild: DW/D. Baber

Impfkampagne als Trojanisches Pferd

Die militanten Islamisten sind sehr stark im Nordwesten des Landes an der Grenze zu Afghanistan, aber ihr Einfluss ist in den vergangenen Jahren auch in den Großstädten Lahore im Osten und Karachi im Süden beträchtlich gewachsen. Die Taliban haben den Mitarbeitern der Impfkampagne das Leben extrem schwer gemacht, sagen Experten. Wenn die Impfkampagne scheitert, könnte das verheerende Konsequenzen für das Land mit sich bringen, die auch die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen.

Impfkampagne als Trojanisches Pferd. (Foto: Getty Images)
Impfkampagne als Trojanisches PferdBild: Getty Images/AFP/A. Hassan

Die Islamisten fürchten, dass der amerikanische Geheimdienst CIA ihre Führer, die im Untergrund leben, durch die Impfkampagne finden und töten könnte. 2011 hattte die CIA eine Impfkampagne als Trojanisches Pferd genutzt. Damals hatte der Arzt Shakil Afridi eine Hepatitis-Impfung durchgeführt, die die CIA zu Osama bin Ladens Versteck in Abbottabad geführt hatte, wo er von US-amerikanischen Spezialkräften erschossen wurde. Afridi wird vorgeworfen mit der CIA zusammengearbeitet zu haben. Er ist heute in Pakistan inhaftiert. Die Anklage lautet auf Verrat und Mord. Seither macht die Afridi-Affäre es der Regierung schwer, weitere Polio-Impfkampagnen durchzuführen.

"Dichteste Polioviren-Zone weltweit"

Kinderlähmung oder Poliomyelitis ist eine ansteckende, von Polioviren hervorgerufene Infektionskrankheit, die hauptsächlich Kinder im Alter zwischen drei und acht Jahren befällt. Sie kann zu bleibenden Lähmungserscheinungen bis hin zum Tod führen. Rechtzeitige Impfungen können den Ausbruch der Krankheit verhindern. Polioviren werden durch schlechte Hygienebedingungen, verschmutztes Wasser oder Nahrungsmittel übertragen.

Die mangelhafte Umsetzung von flächendeckenden Imfprogrammen hat dazu geführt, dass die Fälle von Kinderlähmung in Pakistan und auch im Nachbarland Afghanistan zugenommen haben. Beide Länder sind die einzigen der Welt, wo die Krankheit noch immer endemisch ist, das heißt konstant auftritt. Die nordwestliche Provinz Khyber Pakhtunkhwa gilt als die "dichteste Polioviren-Zone der Welt" .