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Berlin Scanner

6. Dezember 2001

Dem Erzählband "Anrufung des Blinden Fisches" von Georg Klein ist in Auszügen die Geschichte "Berlin Scanner" entnommen.

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Im Sommer hause ich in meiner Laube. Mein Eigentumsappartment nahe Ku'damm ist dann an Hauptstadtbesucher, meistens Business-Reisende, vermietet. Ich ziehe zu den Schrebergärtnern. Mein Info-Anschluß an den Draht- und Glasfaserverhau der Welt reicht bis ins Gartenhäuschen. So lieb ich mein Berlin: mit Trockenklo, mit Gaspatrone unterm zweiflammigen Kocher, mit dem Geruch der eigenen Schwitze aus ungemachtem Bett, aus den Klamotten überm Hocker.

Jeff faxte mir aus Frankfurt, daß es Arbeit gab. Die Unterlagen rutschten in der Nacht darauf per E-Mail aus seinem Penthouse in meine Schrebergartenkolonie. Im ersten Vogelzwitschern saß ich draußen und sah die ausgedruckten Seiten durch. Ich trank Kaffee mit Cognac und schnupfte meine erste Prise Altberliner Mischung. Jeffs Text ging mir mit dieser Schmierung ganz schnell und hell ins Hirn. Es war das Übliche: Produktprofil und Schwachpunkt-Topographie der Probekunden. In achtundvierzig Stunden wollte Jeff nach Berlin geflogen kommen, um noch am selben Tag dem runden Tisch der Hengste vorzusitzen. Das hieß, ich hatte nur das angebrochene Wochenende, um den Konsum der Altberliner Mischung auf Arbeitsniveau zu reduzieren. Im Sommer, in der Schrebergartenzeit, schnupfe ich deutlich mehr als sonst. Vielleicht ist es die Sonne, vielleicht sind es die schwülen Nächte in der engen, vom Tage aufgeheizten Laube, vielleicht sind es auch nur die Vögel und ihr Schreien, die mich öfter ins weißgefüllte Döschen greifen lassen.

Wir saßen weit im Kreis. Jeff ist ein Graugesicht wie ich. Seit ich ihn kenne, seit zehn Jahren, sieht er exakt wie Fünfzig aus. Nur eine mit der Zeit zu spitz pompöser Größe hochgewachsene Warze in seinen kurzgeschorenen Schädelhaaren verweist auf einen Alterungsprozeß. Der Name Konferenz der Hengste für die Verkäufersitzung stammt von ihm. Ich sah, daß er mit Ausnahme von mir nur junge Burschen eingeladen hatte, die jüngsten halb so alt wie ich. Mir was es recht. Ich weiß so gut wie Jeff, wie wenig unsere Alten taugen. Ich war topfit; mit viel Kaffee, Kaffee mit Cognac, hatte ich den Verbrauch an Altberliner Mischung in den zurückliegenden Tagen fast auf die Hälfte reduziert. Die Firma, die Jeff für das anstehende Verkaufsprojekt geschaffen hatte, trug den schlagend kompakten Namen NOGO, und das von ihr, von uns vertriebene Produkt hieß NOGO-Scanner. Jeff referierte kurz über die ausgewählten Einstiegskunden. Dann offene Teambesprechung. Die jungen Hengste suchten ihre Chance, vergaloppierten sich, wie es dazu gehört, und mit uralten Tricks, mit zwei, drei meiner miesen kleinen Fragen, brachte ich unsere Eifrigsten dahin, daß sie sich gegenseitig in die Eier bissen. Jeff hatte seinen Spaß. Ich auch. Ganze zweimal schlich ich mich raus auf Klo, um mir die Nasenschleimhaut zu bepudern.

Der eigentliche Kick jedoch liegt erst im Anheben der Praxis. Die jungen Hengste haben die Hosen viel zu voll, um den Verkaufsbeginn, den Aufsprung auf den Kunden, wahrhaft und tief bis in die Mark der Lendenwirbel zu genießen. Am nächsten Tag standen wir, die Verkäufer, im morgenkühlen Parkhaus startklar um die bereitgestellten Autos. Zehn weiße Mittelklassekombis mit dem NOGO-Logo: eine offene schwarze Männerhand, deren Handteller von den Ziffern Null und Eins durchschossen ist. Jeff winkte, und wir stiegen unter letzten Scherzen ein. Starker Verkehr, der herrlich protzige Verkehr unserer Hautstadt, nahm uns auf in sein großes Schieben, in sein großes Stocken. Es dauerte, bis ich den letzten der Jungen aus dem Rückspiegel verlor. Ich hatte es nicht weit. Mein erster Kunde wohnte, wie der Witz der Praxis es zu fügen wußte, zwei Straßenzüge hinter meiner Schrebergartensiedlung. Es darf nur gute Omen geben. Wer nicht mehr an die Gunst der Zeichen glaubt, ist als Verkäufer klinisch tot und sollte abgeschaltet werden.

Spätabends, als wir nach Abgang der Jungen an der Hotelbar noch ein paar Glas Cognacs tranken, hatte mir Jeff erzählt, wie er den NOGO-Scanner aus dem Meer der unverkäuflich dümpelnden Produkte an Land gezogen hatte. Ein Deutsch-Japaner, ein Devisenhändler, mit dem Jeff schon seit Jahren dasselbe Fitness-Center und denselben Sauna-Club besucht, hatte ihn auf den anstehenden Konkurs einer kleinen Frankfurter Hightech-Firma hingewiesen. Die Eigentümer, hochbegabte Tüftler, hätten im optisch-elektronischen Bereich mit aufwendigen Einzelbauten und ausgefallenen Sonderlösungen zwar jede Menge Lorbeeren gesammelt, gingen nun aber unter der Last der aufgenommenen Kredite in die Knie. Jeff sagte mir, damals im Dampf der Sauna sei er vor allem durch den Tonfall des Tips hellhörig geworden. Der Halbjapaner schien beide Seiten der möglichen Geschäftsverbindung, Jeff, den Verramscher, und jene Electronic-Freaks, als Angehörige ähnlich halbseidener Branchen zu belächeln, und diese freundliche Geringschätzung habe ihn schlagartig spitz gemacht. Jeff nahm die Spur auf, ließ sich das unverkäufliche Gerät der trickreichen Erfinder zeigen und fand den Scanner, den er, den Namen seines Sport- und Sauna-Kameraden spielerisch verdrehend, NOGO nannte. Und jetzt war der NOGO-Scanner in Berlin, um an den Mann gebracht zu werden. Angeblich war mein erster Kunde ein bekannter Dichter. Ich war gespannt. Ich zog mir die Helle einer letzten Prise Altberliner Mischung vor das Hirn. Ich hatte im Verkauf der Jahre viel, aber noch niemals einen Schriftsteller gesehen.

Ich bade jeden Morgen, ich bade sofort nach dem Aufstehen, ich bade heiß und viel zu lang. An jenem denkwürdigen Tag war ich schon über eine Stunde in der Wanne, ließ immer wieder Wasser nach, und schließlich hieß ich Margot das Handy bringen, um diesem NOGO-Vertreter in letzter Minute doch noch abzusagen. Aber auch dazu fehlte es mir dann an Mut. Ich warf das Handy in den Schaum. Es rutschte über meine Füße auf den Wannengrund. Entsetzlich pünktlich, wie es meine Feinde meistens sind, klingelte der Vertreter an der Tür.

Ich hörte Margot öffnen und kurz darauf die ruhige, und sonore, zu meiner Überraschung in keinem Anklang penetrante Stimme des Vertreters. Vielleicht war es doch möglich, ihn eine Viertelstunde zu ertragen. Es gab ja das Gerät, auf das sich meine Augen flüchten konnten. Eventuell würde es Margot auch gelingen, dem Mann und seinem Eifer mit Tee und ihren selbstgebackenen Keksen zumindest zeitweilig den Mund zu stopfen. Ich quälte meine feuchten Füße in die Socken, ich kämmte mich sogar und zählte, um mir selber einen letzten Aufschub abzuschwindeln, die verlorenen Haare aus dem Kamm. Aber die Angst, der sichere Spürhund meines Schaffens, war diese Mal auf falscher Fährte, denn der gefürchtete Vertreter entpuppte sich als ein berlinerisch charmanter, zum Glück schon älterer Mann.

Zu meiner Überraschung war der Dichter noch nicht alt. Groß, krumm, nicht ausgesprochen fett, aber unglaublich teigig. Was es an Haut zu sehen gab, war rosig, und dieses Rosa hing in weichgefüllten Falten. Er gab mir eine kleine, heiße Hand und roch nach süßlicher Kosmetik. Ich hatte gleich den Eindruck, daß er gut zu führen sein würde. Was ich im Auge behalten mußte, auch wenn mir im Verkaufskampf nur ein Augenwinkel dafür blieb, war seine Sekretärin. Der dümmste Staubsaugervertreter weiß, daß unserer wunderbare Zweigeschlechtlichkeit der Königsweg der Übertölpelung ist, daß man jedoch in tolle Bocksprünge, in Quer- und Rückschläge katastrophaler Art geraten kann, wenn man ein Dreieck spannt. Die Sekretärin sah so aus, wie angeblich die reinrassigen Polenweiber aussehen: die Becken- und Backenknochen hoch und breit. Der Dichter siezte sie, nannte sie aber dauern Margot und schaffte es, den drögen Namen seltsam flötend auszusprechen. Aus krummer Höhe schielte er so zwiespältig intim auf sie herab, daß mir die Bettgenossenschaft der beiden auf der Hand zu liegen schien.

Ich brauchte ein Hilfsgerät; der NOGO-Scanner war mir in höchstem Maße vonnöten. Die Anzeige der Firma hatte Margot in einer von mir geschätzten Kulturzeitschrift entdeckt. Das war ein gutes Omen. Von NOGO-Frankfurt hatte ich mir erste Unterlagen schicken lassen, schließlich, nach langem Lippennagen, einen Vorführtermin vereinbart, den ich, auf eine widerwärtig eindeutige Weise tief erregt, seit Tagen kaum erwarten konnte. Die Zeit war reif für die Maschine. Ich konnte und mußte mir NOGO-Scanner leisten.

Von Anfang an erschien mir der Vertreter als eine Perle seines Fachs. Er nahm das Ganze in die Hand, der Apparat war ihm vertraut wie seine Westentasche, und augenzwinkernd gab er zu verstehen, daß er es wohl zu schätzen wisse, wenn seine Kunden Menschen mit Vorsicht und Skrupeln und Widerständen seien.
Ich habe keinen Schimmer, wie NOGO-Scanner wirklich funktioniert. Jeff hatte uns nur einen Abend lang in die Bedienung eingeführt. Die bloße Handhabung ist kompliziert genug; letztendlich will ich gar nicht wissen, wie dieses Teufelszeug die aufgenommene Handschrift in Ziffernfolgen und in Bildschirmtext verwandelt. Jeff hatte klargestellt, daß es hier in Berlin genug Verrückte gibt, die so etwas zu brauchen meinen.

Nach zehn Minuten Fummelei war NOGO-Scanner startbereit. Die Sekretärin legte eine Probeseite auf sein Glas, und ich spürte, wie sie dabei ihr breites Becken, diskret und eindeutig zugleich, an mich, den vor dem Bildschirm Sitzenden, zu pressen wußte.
Margot legte, entscheidungsfreudig, wie sie ist, ein Blatt mit meiner Handschrift auf den Scanner. Die ganzen letzten Jahre habe ich stets mit weichem Bleistift auf schweres, nicht zu glattes Briefpapier geschrieben. Margot kann meine Handschrift halbwegs lesen. Ich selber auch. Allerdings nur, solange das Geschriebene frisch ist. Schon zwei, drei Tage nach der Niederschrift werden mir meine Krakel zunehmend zu Hieroglyphen, und spätestens nach einer Woche starre ich, fast analphabetisch hilflos, auf den eigenen Text. Mit zwei, drei Mausklicken machte der NOGO-Mann das Eingescannte auf dem Bildschirm sichtbar. In Pixeln war meine Schande aufgemalt. Was mußte dieser aufrechte Vertreter, der, bodenständig und gelassen, seiner hochtechnischen Beratungstätigkeit wie einem Handwerk nachging, von meiner Arbeit denken! Zum Glück nahm Margot mir den engeren Umgang mit ihm ab.

Mit Margots Hilfe installiert, erwies sich die Software als idiotensicher. Jeff hatte nicht zuviel versprochen. Zügig klickte ich mich durch die Arbeitsschritte des Programms; aber ein NOGO-Profi hätte dennoch bemerkt, wie wenig Erfahrung ich hatte. Margot erfaßte schnell, worum es ging.

Nach einer Weile überließ ich ihr die Maus, und zuschauend wurde mir klar, daß sie als Tippse tiefer in der Text- und Bildverarbeitung verwurzelt war als ich, der flüchtige Verkäufer. Allein der Umgang mit dem Kunden ist mir eingefleischt. Mein Dichter stand am Fenster und drehte uns den Rücken zu. Ich war mir sicher: Gerade weil er so krampfhaft Abstand hielt, war er rettungslos scharf auf den NOGO-Scanner. Noch kochte er im eigenen Saft, aber es konnte jeden Augenblick geschehen, daß es ihn ans Gerät riß. Also sah ich zu ihm hinüber und tätschelte, im Blindgriff und soweit es der Bürostuhl zuließ, Margots Hintern. Alles lief, wie es laufen sollte. Ich überlegte schon, ob es wohl möglich wäre, vor dem Verkaufsfinale noch eine Prise Altberliner Mischung in die Nebenhöhlen hochzujagen.

Mit Margots Hilfe habe ich das Trinken aufgegeben. Ich rauche nur noch dreimal täglich eine Filterzigarette, und mit dem peinigenden, oft kläglich ergebnislosen Hand-an-mich-Legen ist es vorbei, seit Margots leichter Schlaf über mein Lager wacht. Das einzige, was mich als Tick noch manchmal überkommt, ist das verfluchte Nägelbeißen. Ich stand am Fenster, während Margot und der Vertreter unseren PC für den NOGO-Scanner präparierten, und nagte mir die Nägel ab. Ich hätte mir die Finger im Nu wie in den schlimmsten Zeiten blutig aufgebissen, wäre ich nicht von Margot hinzugerufen worden. Der NOGO-Vertreter machte mir vor dem Bildschirm Platz. Er schob mir einen dicken Stift zwischen Daumen und Zeigefinger meiner Rechten und bat mich, ein paar Probesätze auf ein silbriges Plastikpölsterchen zu schreiben. Es fiel mir nicht leicht! Ich, der ich sonst halbe Tage, die Hände zwischen die Knie geklemmt, vor dem Papier verharre, schrieb flüssig und mit zunehmender Lust auf eine Kunststoffunterlage, auf eine Fläche, die nichts von meinem Stift, nicht einmal eine Rille vom Druck der Spitze, anzunehmen schien. Und alles, was mir unter der Hand erspart blieb, kehrte, im rechten Maß erleuchtet, auf dem Bildschirm wieder. Über die großen Krakel legte sich läuternd die Transkription. Ich schrieb und schrieb, ich schrieb dorthin. Ich sah verzückt hinüber auf den Fluß der Wörter. Der NOGO-Mann fragte nach der Toilette, Margot wies ihm den Weg und ging selbst in die Küche, um Tee zu holen.

Die Sekretärin kam mir nach aufs Klo. Sie kratzte an der verschlossenen Tür, gerade als ich mir das zweite Nasenloch mit Altberliner Mischung vollgepudert hatte. Nicht mal den Rotz wischte ich mir von der Oberlippe; es mußte affenfix gehen. Der Schriftsteller war ganz gewiß von gestern. Aber wer noch ein Restgefühl für den Verfall der Zeit besitzt, ist auch zu Mißtrauen in der Lage. Der Raum war eben groß genug, daß Margot es mit mir im Liegen machen konnte. Der rote Läufer reichte bequemerweise genau von ihrem Scheitel bis an meine nackten Knie. Ansonsten schützte mich die halbherabgelassene Hose vor den eisigen Bodenfließen. Ganz unbestreitbar ist es ein Nachteil der Altberliner Mischung, daß sie so kältefühlig macht. Ich spürte Gänsehaut auf meinen Hinterbacken. Der Blutgeschmack im Mund war absolut normal. Die Nasenschleimhaut eines Altberliner Schnupfers ist chronisch gereizt, und etwas Blut läuft immer in den Rachen.

Ich werde dieses Zimmer, das größte Zimmer unserer Altberliner Wohnung, ganz für den NOGO-Scanner räumen lassen. Ein Segen, daß ich das Geld zur Anschaffung des Wunders habe. Ein falscher Hochmut hinderte mich bislang, die Preise, die Tantiemen, alle prosaischen Früchte meiner Arbeit recht zu schätzen. Allein die respektierte Welt wird leicht, und nur geachtet leuchten ihre Dinge. Gewiß wird auch auf Margot die Zukunft nicht mehr so bleiern liegen. Zu lang war ihr zuviel von meinem Handkram aufgeladen. Da kommt sie mit dem Tee und mit Gebäck. Schon hat sich ihr das Neue erregend mitgeteilt, sie geht beschwingt, und ihre Wangen sind auf ganzer Breite stark gerötet. Der biedere Vertreter kommt vom Klo zurück. Auch er wirkt angenehm erfrischt. Bestimmt ahnt er, daß NOGO-Scanner mich im Handumdrehen gewonnen hat. Wir trinken Tee. Margot und der Vertreter sitzen auf der Chaiselongue und essen tüchtig von den Keksen. Ich ziehe mich mit meiner zweiten Tasse wieder an den Arbeitsplatz zurück. Die beiden dulden es gelassen, fachsimpeln noch ein bißchen und sehen die Vertragspapiere durch. Margot bringt mir zwei Blätter an den Rechner. Noch einmal muß ich einen Kugelschreiber in die Rechte nehmen. Skurril, wie aus der Zeit gefallen, kommt mir das kabellose, von NOGO-Scanner isolierte Utensil schon vor. Ich kann mein Glück, ich kann das Glück der Kunst kaum fassen.

Ich hatte Schweineglück. Der Blutsturz überraschte mich erst unten, erst im Auto. Ich hatte den Wagen schon gestartet, war aber noch nicht auf die Fahrspur eingefädelt. Die Soße, die mir aus den Nasenlöchern spritzte, versaute mir Krawatte, Hemd, Jackett. Sogar die Hose, jedoch blieb durch die Gunst des Zufalls der Sitz des Firmenwagens unbefleckt. Ich schaffte es, die Schweinerei nicht anzufassen, schleckte mir bloß den Blutrotz von den Lippen und rollte im Schrittempo noch Haus. Der Eingang meiner Schrebergartensiedlung lag nur drei Ecken weiter. Vor meiner Laube ließ ich mich, besudelt, wie ich war, auf eine Gartenliege fallen. Ich zog das Döschen aus der Tasche, aber ich schnupfte nicht, sondern rieb mir die gute Altberliner Mischung nur aufs Zahnfleisch und vorsichtig mit spuckennassem kleinem Finger in die wunden Nasenlöcher. Dann holte ich das Telefon ins Freie und füllte Jeff mit Vogelgezwitschern in sein Ohr, daß ich den ersten NOGO-Scanner fünfzig Prozent über dem abgesprochenen Richtpreis losgeschlagen hatte. Ich wußte, daß er die jungen Hengste über die ausgegebenen Handys mit dieser frohen Botschaft peitschen würde.

Es war knapp Mittag. Ich stand auf. Die Sonne, inzwischen steil über dem Silbersmog der Stadt, hatte mein Hemd schon fast getrocknet. Ich zog es mir über den Kopf und warf es in den Müll. Nach kurzer Prüfung ließ ich Sakko und Hose folgen. Ich saß noch eine Weile drinnen auf dem Bett, in der gemütlichsten, weil fensterlosen Ecke. Es kam noch zweimal eine Spur von Blut. Aber inzwischen ist meine Nase wieder auf der Höhe. Ich schnüffle in die Laube. Ich rieche meinen Schweiß, ich rieche den Urin vom Trockenklo. Ich fühle mich zu Höherem inspiriert. Ich bin ein As. Ich bin ein altes abgewichstes Aas. Ich bin der beste Mann für NOGO-Scanner. Die Vögel schreien. Bei Gott, so lieb ich mein Berlin.