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Kulturrevolution: 20 Jahre Smartphone

Silke Wünsch15. August 2016

Der kleine Kasten galt anfangs als Statussymbol. Wer eins dieser Telefone mit Schreibmaschinen-Tastatur besaß, war technisch auf dem neuesten Stand und wirkte "wichtig". Heute gilt man als Sonderling, wenn man keins hat.

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USA Laguna Beach junge Frau mit Smartphone im Gras liegend (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/Bildagentur-online/Tetra-Images/Isakson

Es ist längst kein wirkliches Statussymbol mehr. Und es ist auch nicht mehr denjenigen vorbehalten, die aufgrund ihres Jobs auf ein Telefon mit Textverarbeitung, Message-Funktion und Internetverbindung angewiesen sind. Das Smartphone gehört längst zum Alltag, ist ein ständiger Begleiter. Aber: Es ist immer noch ein Telefon. Und gleichzeitig eine Kamera, ein MP3-Player, Navigationsgerät, Spielecenter, Kalender, Wetterfrosch, Wecker und eine riesige digitale Bibliothek.

Google ist allgegenwärtig, das Internet per Smartphone so gut wie immer erreichbar. Mit den richtigen Apps kann man aus dem geschmeidigen Gerät einen Alleskönner machen: Von Bildbearbeitung und Videoschnitt über Textprogramme bis zu kleinen Helfern wie Kompass und Wasserwaage.

Digitales Teufelszeug

Viele Bücher wurden von besorgten Wissenschaftlern verfasst; Ärzte fanden eine neue Krankheit - den Handy-Daumen - und warnen bis heute davor, das Gerät ständig "am Mann" zu haben. Psychologen prangern an, dass das Smartphone das selbständige Denken abschaffe. Und immer wieder kommt der Hinweis darauf, dass das Smartphone die soziale Kompetenz beeinträchtige - schließlich rede man ja nicht mehr miteinander.

Dafür ermögliche das Smartphone eine ständige Erreichbarkeit, von der man sich allzuschnell unter Druck setzen ließe. Und schließlich: Smartphones verursachen Verkehrsunfälle, machen internetsüchtig und sind unkontrollierbare Einfallstore für Datendiebe.

Deutschland Konzertbesucher hoch(Foto: dpa)
Smartphones statt freier Blick auf die Bühne: Ewiges Ärgernis bei Konzerten.Bild: picture-alliance/dpa/M. Christians

Zu den gesundheitlichen und sozialen Nachteilen kommt noch der Faktor Ausbeutung, sowohl der Natur als auch des Menschen: In afrikanischen Minen werden unter schlimmsten Bedingungen Rohstoffe abgebaut, in asiatischen Fabriken werden Arbeiter ausgebeutet, die die Geräte zusammenschrauben. Tonnenweise Elektroschrott wird jährlich durch neue Smartphones produziert, weil in immer kürzeren Abständen immer tollere Geräte auf den Markt geworfen werden. Die alten wandern auf den Müll.

Lebensretter für Notfälle

Der praktische Nutzen von Smartphones ist jedoch enorm. Es kann lästige Wartezeiten erheblich verkürzen, durch Spielen, Mails lesen, Facebook besuchen (auch wenn Pessimisten sagen, man verlerne auf diese Weise das Warten und damit Geduld und ein Gefühl für Zeit). Google schaut gleich nach, falls es eine Frage gibt. Karten-Apps können genervte Autofahrer um Verkehrsstaus herumleiten, Ortungsfunktionen können helfen, vermisste Gegenstände oder gar Menschen zu finden.

Das Smartphone kann einen aus wirklich brenzligen Situationen befreien. Es gibt Apps, die vor plötzlichen Unwettern und Naturkatastrophen warnen. Man kann sich das nächstgelegene Krankenhaus oder die nächste Polizeiwache anzeigen lassen. Seit vielen Monaten kommen Flüchtlinge aus weltweiten Krisengebieten nach Europa. Ihr wichtigstes Gepäckstück ist das Smartphone. Es hilft ihnen, Kontakt mit anderen Flüchtlingen aufzunehmen, mit Helfern oder auch mit ihrer Familie zu Hause.

Flüchtlinge aus Syrien knipsen Selfie an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn bei Roszke (Foto: Reuters)
Flüchtlings-Selfie an der Grenze zwischen Serbien und UngarnBild: Reuters/M. Djurica

Kultur & Lifestyle

Vieles, was im sozialen Netz existiert, wäre ohne Smartphone nie erfunden worden. Die Fotocommunity Instagram etwa hat die mobile Fotografie revolutioniert. Was dort gepostet wird, sind nicht nur Handyfotos oder Urlaubsselfies. Hier herrscht auch Fotokunst. Agenturen, Museen und Profifotografen präsentieren ihre Bilder, viele Künstler toben sich - oft auf alberne und witzige Art und Weise - aus. Selbst der chinesische Exilkünstler Ai Weiwei hat einen Instagram-Account. Das Smartphone hat eine neue digitale Kultur entstehen lassen: Das schnelle Weiterreichen von Kunst, Augenblicken und Erlebtem - via Instagram, Twitter, Snapchat & Co.

Ein Smartphone ist auch ein Stück Lifestyle. Ob Samsung Galaxy oder iPhone von Apple - die Geräte werden immer schicker. Accessoires runden das Bild ab, wie etwa Schutzhüllen mit dazu passendem Nagellack oder feinstem Ledertäschchen. Von Beginn an war das Mobiltelefon auch eine kleine Spielekonsole. Angefangen hat es mit dem Nokia-Spiel "Snake": Eine stetig wachsende Schlange musste auf einem immer enger werdenden Spielfeld Hindernisse umgehen. Je größer die Schlange, umso schwieriger.

Nokia Communicator 9000, das erste Smartphone der Welt. Copyright: dpa/Nokia
Der Communicator 9000, 1996 das erste Smartphone der WeltBild: dpa/Nokia

Und die Spielkultur auf dem Smartphone hat 2016 einen neuen Höhepunkt erreicht: "Pokémon Go" ist der Hit des Sommers. Millionen Menschen treibt es auf die Straße, um dort an einem realen Ort ihr Handy vors Gesicht zu halten - denn auf dem Display erscheint genau der gleicht Ort - virtuell - an dem man eine Pokémon-Figur finden kann.

Und schließlich ist das Smartphone - oder besser dessen Nutzer - ein dankbares Ziel von Satirikern und Karikaturisten. Im Netz sind viele Film- und Fotoprojekte sowie Cartoons und Memes zu finden, in denen der typische Smartphone-User aufs Korn genommen wird, weil er zwar am Puls der Zeit hängt, gleichzeitig jedoch nicht mehr merkt, was um ihn herum geschieht.