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Kanakisch, dem ubernhaupt krassestem Sprak

15. Januar 2002

Es ist ganz einfach: Man nehme dem Dativ, spreche sich mit "Alde" oder "Tuss" an und würze das Ganze mit viel rrrollendem R. Kapierst Du?

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Kaya Yanar, der Kanak-ExperteBild: Sat1

Mitte der 90er Jahre boomte überwiegend in Akademiker-Kreisen das Thema der "political correctness". Angestrengt und in oft peinlicher Manier wurde versucht, sprachlichen Manifestationen des Rassismus etwas entgegenzusetzen. Nicht selten verbarg sich hinter dieser Angestrengtheit eben jene überhebliche Distanz, die es zu überwinden galt.

Das Phänomen "Kanakisch"

In diesem Jahr hat in Deutschland eine Entwicklung besonderer Art ihren Lauf genommen: Kanakisch, ein Mix aus Deutsch mit unterschiedlichen türkischen und arabischen Akzenten ist zum Inbegriff einer neuen deutschen Jugendsprache geworden.

Ein Vorläufer für dieses Phänomen ist das "Black English" schwarz-afrikanischer Jugendlicher in den USA. Sie trugen es in den Hip-Hop und die Rap-Musik hinein, sahen ihre Sprache als ein Medium der Selbstdarstellung.

Kanakisch, von Nicht-Kanaken immer als gehässige Bezeichnung der gebrochenen Sprache vor allem türkischer Immigranten gebraucht, ist nun durch die Kinder der Gastarbeiter salonfähig geworden. Der deutsch-türkische Schriftsteller Feridan Zaimoglu hat 1998 bereits einen entscheidenden Beitrag geleistet: Er übertrug Bekenntnisse junger Männer türkischer Abstammung aus der "Kanak-Sprak" - so auch der Titel seines Buchs - in ein lesbareres Deutsch.

Richtig durchgestartet mit dem Döner-Deutsch ist allerdings Kaya Yanar in seiner Comedy-Show "Was guckst du?!". Deutsche, Türken, Araber, Italiener und Inder kichern vor den Bildschirmen, wenn der Frankfurter türkisch-arabischer Abstammung die Multikulti-Gesellschaft aufs Korn nimmt.

Der Shooting-Star der kanakischen Comedy

Kaya Yanar
"Was guckst du?!"Bild: SAT.1

Kaya Yanar, der Superstar der deutsch-türkischen Comedy ist zur Lichtfigur aufgestiegen. Kulleräugig mit unsäglichem Charme, schlüpft er für den Privatsender SAT.1 seit Ende Januar in unterschiedliche Migranten-Rollen:

Mal ist er Yilderim, der Fahrlehrer aus Köln, der ohne einen eigenen Führerschein zu besitzen, seit 15 Jahren eine türkische Fahrschule führt. Oder Harkan, einer der gefragtesten Türsteher Frankfurts mit einer Vorliebe für BMW Cabrios. Oder Tarek, der Sohn eines steinreichen Ölscheichs aus Dubai. Oder Süleyman, Francesco und Ranjid.

Immer gelingt es dem 28-Jährigen die Liebe zu seinen Figuren mit vollkommen präziser Satire zu verbinden. Obwohl er selbst kein Wort türkisch oder arabisch spricht, verinnerlicht Kaya Yanar in seinen Parodien alle Eigenarten seiner Landsmänner.

Ärger mit türkischen Zuschauern gab es wenig. Ein Mädchen schreibt ihm in sein Gästebuch im Internet: "Deine Sendung ist sooooo witzig, dass sogar mein türkischer Vater sich vor lachen nicht mehr einkriegt und das hat schon was zu bedeuten!!!"

Auch die Quoten haben ihm seinen Erfolg bestätigt. Und nicht nur die: Der Komödiant hat in diesem Jahr einige Fernseh-Preise im In- und Ausland eingeheimst. Der jüngst vergebene Civis Medienpreis ehrt ihn für die Thematisierung des "Facettenreichtums - Chancen und Probleme - einer Gesellschaft der kulturellen Vielfalt".

Wörterbuch und Märchen in Kanakisch sind hip

Beflügelt durch das Erfolgs-Rezept Yanars hat Michael Freidank beim Eichborn Verlag ein kanakisch-deutsches Wörterbuch veröffentlicht, dessen Verkaufszahlen sich sehen lassen können: rund 100. 000 Mal ist das Buch bereits über den Ladentisch gegangen.

Ein Erfolg, der sich ausdehnen lässt. Eichborn, der Verlag mit der Fliege, hatte bereits in den 80er Jahren mit jugendsprachlichen Umdeutungen Grimm'scher Märchen die Lacher auf seiner Seite.

Mittlerweile kursieren Freidanks Märchen in Kanakisch allerorts in der Republik und im Internet. Die berühmten Titel der uralten Märchen lauten jetzt: "Wem is dem geilste Tuss in Land?" oder "Vom Dem Rolf un dem siebn Geiseln". "Rotkäppchem" beginnt folgendermaßen:

Da war mal eim geilen Tuss, dem hat immern so pervers rote Wollmütze aufgehabt, isch schwör! Dem seim Muttern hat dem ma gesagt dem soll zu besoffene Omma latschen un konkrete Weissbrot un Flaschem Schnaps dem besorgen, isch schwör!

Versteht sich beinahe von selbst, dass "Rotkäppchem" sich nicht durch den Wald locken lässt, sondern zu dem krasse Typ in sein Benz steigt.

Fortsetzung folgt

Auf dem Buchmarkt ist also einiges los. Fürs kommende Jahr stehen bei Amazon bereits neue Titel von Feridan Zaimoglu und Michael Freidank zur Bestellung bereit.

Kaya Yanar allerdings hat die Entscheidung getroffen, mit "Was Guckst Du?!" vorerst aufzuhören. Seine letzten Sendungen sind im Dezember zu sehen. Statt dessen möchte er 2002 mit einem zweiten Bühnenprogramm durch Deutschland touren. Seine Späßchen über die Multi-Kulti-Gesellschaft bleiben uns erhalten.

So mag unter dem Signum des Kanakischen etwas losgebrochen zu sein, was es bislang unter dem überstrapazierten Begriff des Multikulturellen nicht gab: Herzhaftes Lachen! Ein Trend, der sich hoffentlich auch nach dem viel beschworenen Ende der Spaßgesellschaft, fortsetzt. (cg)