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Eine gute Rede zur rechten Zeit

Joachim Lenz25. Mai 2002

In seiner Rede vor dem deutschen Bundestag hat US-Präsident George Bush das Dauerhafte und Verbindende in den Beziehungen zwischen Berlin und Washington herausgestellt. Ein Kommentar von Joachim Lenz

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So manche Misstöne, die Bush aus dem Plenum entgegenschlugen, wurden durch seine klaren Worte in ihrer Bedeutung relativiert.

Der Misston kam weniger von den drei PDS-Abgeordneten im Deutschen Bundestag, als sie dem amerikanischen Präsidenten ihr Spruchband entgegenreckten: 'Mr. Bush and Mr. Schröder - stop your wars!' - war drauf zu Lesen. Der eigentliche Misston war dem Präsidenten des Deutschen Bundestags, Wolfgang Thierse, vorbehalten, der seine Begrüßungsworte im Berliner Reichstag als Gelegenheit für eine Lektion an Präsident George begriff: Alleingänge bei der Lösung globaler Probleme, der Ausstieg aus dem globalen Klimaschutz, die Abkehr vom Internationalen Strafgerichtshof - all dies tadelte ein strenger Thierse als amerikanische Fehler.

Der Bundestagspräsident hat es sicher ehrlich gemeint, er hat auch manchem aus dem Herzen gesprochen, aber seine Ausführungen schrammten knapp am Affront vorbei. George Bush rückte danach das Eigentliche, das Wesentliche und Dauerhafte in den der Beziehungen zwischen Washington und Berlin nach vorn. Es sind die gemeinsamen Werte: Freiheit, Demokratie, Toleranz. Sie gilt es gegen eine Bedrohung durch global organisierte Terroristen zu verteidigen, unbeirrt, auch mit, aber nicht nur mit militärischen Mitteln. Amerika und Europa brauchen einander bei dieser Aufgabe.

Weil Bush in der Sache unbeirrt, in den Worten aber verbindlich war, fanden sich hernach Politiker aller Parteien (mit Ausnahme der PDS) in nahezu überschwänglichem Lob vereint. Der amerikanische Präsident hat mit diesem Deutschland-Auftritt Sympathien gewonnen und manches Vorurteil vom Colt schwingenden Cowboy abgebaut.

Differenzen in der Sache werden freilich auch durch die beste Rede nicht überwunden. Aber soweit Worte Zwiste entschärfen können, ist dies gelungen. Dies umso mehr, als die Rede des amerikanischen Präsidenten störender Details sorgsam entkleidet war.

Das momentane Auseinanderdriften zwischen Europa und Washington ist nicht erst durch den 11. September entstanden und über die Frage, wie darauf zu reagieren sei. Der Streit geht weniger um die Ziele als um die Mittel, die zu deren Erreichung einzusetzen wären, und ist im Grunde so alt wie das atlantische Bündnis.

Heute kommt eines hinzu: Europa ist eben nicht ein ebenbürtiger Partner für das technologisch-militärisch singulär mächtige Amerika. Auch nicht, wenn es ersatzweise die moralische Superiorität beansprucht. Dies tut freilich auch Bush mit seinem Hinweis, gerade Europas Geschichte zeige die Gefahren, wenn dem Bösen nicht rechtzeitig und entschieden begegnet werde. 'Wunschdenken', sagte Bush, 'schafft allenfalls Behaglichkeit, aber keine Sicherheit'. Die Linie ist klar: eine militärische Aktion gegen Saddam Husseins Regime im Irak wird kommen.

Präsident Bushs Gemeinsamkeits-Appelle demonstrierten, dass er die Gefahren schleichender transatlantischer Entfremdung nicht auf die leichte Schulter nimmt, selbst wenn er im Ernstfall zum alleinigen Handeln entschlossen ist. Trotzdem dürfen die deutschen Gastgeber ein wenig entspannter auf die Beziehungen zu Washington schauen. Europa wird weiter gebraucht, es wird weiter umworben vom großen Verbündeten.