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Politik

Studentenproteste in Südafrika

Martina Schwikowski
5. Oktober 2016

Gebühren für das Studium sind in Südafrika für viele unerschwinglich, gerade für die oft ärmere schwarze Bevölkerung. Studenten protestieren und geraten mit der Polizei aneinander. Der Hochschulbetrieb liegt lahm.

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Südafrika Proteste Studenten Universität
Bild: Getty Images/AFP/M. Safodien

Gewalttätige Auseinandersetzungen in Südafrika

Tränengas und Rauchgranaten nebeln den Campus der Witwatersrand Universität in Johannesburg ein, als die Polizei gegen demonstrierende Studenten vorrückt. Dabei fliegen Gummigeschosse und Steine durch die Luft, Studenten gehen in Deckung. Polizisten stürmen mit Schutzhelmen und Kampfausrüstung auf die wütenden Studenten zu. Viele der jungen Demonstranten sind bei den Unruhen an der Lehranstalt verletzt worden. Was als Protest gegen Studiengebühren geplant war, gerät am Dienstag zu einem gewalttätigen Zusammenstoß mit der Johannesburger Polizei.

Gewalt von Polizei und Studenten

Thato Mokoena ist Ratsmitglied der Studentenvertretung bei der Witwatersrand Universität, genannt Wits. "Ursache für diesen Zusammenprall mit der Polizei war ein Streit mit den entsandten Hundertschaften, nachdem wir uns auf dem Campus singend versammelten", sagt er. "Wir haben alle ein Recht zu protestieren, aber wir wurden brutal behandelt", ärgert sich der Studentenführer. Die Polizei sei gewaltsam gegen sie vorgegangen, daraufhin hätten sich die Studenten gerächt und Steine auf sie geworfen. Auch an anderen Universitäten wie in Kapstadt kam es zu Gewalt zwischen Polizei und aufgebrachten Studenten.

Südafrika Proteste Studenten Universität
Gewalt und Chaos bei den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Studenten an der Witwatersrand Universität Bild: Getty Images/AFP/M. Longari

Damit eskaliert ein wochenlanger Konflikt an Südafrikas Hochschulen. Die Demonstration war Teil einer landesweiten Kampagne gegen Studiengebühren, die vor allem vielen schwarzen Studenten eine Hochschulausbildung nur schwer zugänglich macht. Bereits im Vorjahr kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen bei ähnlichen Protesten. Seit September war die jüngste Protestwelle an den Universitäten des Landes gewachsen. Die Studenten fordern ein Ende der Studiengebühren für mehr soziale Gerechtigkeit und höhere Bildungschancen. Bildungsminister Blade Nzimande hatte dagegen empfohlen, die Gebühren für 2017 zu erhöhen.

Hoffnung auf Uni-Alltag ohne Gewalt

An vielen Universitäten findet wegen der Proteste seit Wochen kaum Unterricht statt. So auch an der Wits. Die Universität hatte Sicherheitskräfte engagiert, damit die seit Tagen angespannte Lage auf dem Campus unter Kontrolle bleibt. Doch jetzt sucht die Institutsleistung nach einer neuen Lösung, die wieder einen normalen Uni-Alltag ermöglicht. Sie ließ Polizei und Sicherheitspersonal vom Gelände abziehen. "Wir haben die Zusagen von allen beteiligten Gruppen, dass es zu keinerlei Gewalt kommen wird", sagt Shirona Patel, Sprecherin der Universität im DW-Interview. Dann könne der Universitäts-Betrieb am kommenden Montag wieder starten.

Ein Graffiti an der Universität Kapstadt. Auch hier finden seit einiger Zeit Studentenproteste statt.
Ein Graffiti an der Universität Kapstadt prangert den Ausschluss schwarzer Studenten vom Bildungssystem anBild: picture-alliance/epa

Vorher, am Freitag, solle auf einer Vollversammlung die Problematik diskutiert werden, die zum Zündstoff der Proteste führte: "Die Universität will sich zur Frage des Zugangs für die qualitative Fortbildung der Armen und Mittelklasse äußern."

Studenten wollen lernen

Laut Patel hat eine Umfrage unter den Wits-Studenten diese Woche ergeben, dass über drei Viertel wieder in der Klasse sitzen möchten. "Wir haben die Unterstützung der Mehrheit, doch viele fühlen sich eingeschüchtert und schweigen. Das können wir nicht zulassen", sagt Patel.

Eine neue Kampagne hatte in den letzten Tagen Zuspruch gewonnen: Die "TakeBackWits" Twitter-Kampagne, die sich für das Weiterführen des Unterrichts einsetzt. Ihre Vertreter stehen der radikaleren Gruppe der "FeesMustFall" Initiative gegenüber, die freien Hochschulzugang fordert. "Wir sollten alle zusammenstehen und dem Bildungsministerium zeigen, dass wir alle, Schwarze und Weiße, zu kämpfen haben", sagt Khutso Kganyago, Studentin an der Witwatersrand Universität.

Aber die Proteste an den Universitäten hätten sich nach Hautfarben ausgerichtet, bestätigt Uni-Sprecherin Patel. Doch Studenten aller Hautfarben wollten nun auch zum normalen Uni-Betrieb zurückkehren, um dieses akademische Jahr nicht aufs Spiel zu setzen.

Die Lösung: Gebühren schrittweise anpassen?

Auch wenn der Unterricht weitergeht - das Gebührenproblem ist nicht gelöst. Der Hochschulbetrieb sei mehr als zwei Jahrzehnte unterfinanziert worden, sagt Patel. Die Gebührenkommission bei Wits brauche zu lange. Aktuell betragen die Gebühren an der Uni zwischen 1930 Euro und etwa 3800 Euro pro Jahr, ohne Unterkunft und Studienmaterial. Insbesondere viele junge Schwarze, die aus ärmeren Haushalten stammen, können diese Gebühren kaum bezahlen. Sie sehen sich häufig gezwungen, Schulden zu machen oder ihr Studium abzubrechen.

Südafrika Proteste Stellenbosch Universität
Studiengebühren sind Dauerthema in Südafrika - und seit langer Zeit Anlass für Proteste und Demonstrationen, wie schon 2015 an der Universität Stellenbosch Bild: Reuters/M. Hutchings

Bildungsminister Blade Nzimande hatte kürzlich die Steigerung der Gebühren an südafrikanischen Unis um acht Prozent empfohlen. Er sieht in der inflationsbedingten Anhebung einen Mittelweg: Die Studiengebühren sollen steigen, doch für die zusätzlichen Kosten soll bei Studenten aus Elternhäusern mit einem geringen Einkommen (knapp 39.000 Euro im Jahr) der Staat aufkommen. Nzimande schätzt, dass 70 bis 80 Prozent der an den Hochschulen Eingeschriebenen betroffen sind. "Wir können nicht unsere Universitäten zerstören, um Gebührenerhöhungen für die Reichen zu vermeiden", erklärte er in südafrikanischen Medien.

Die Wits-Uni steht dem Modell offen gegenüber. Ein Vorschlag könnte sein, die Gebühren über die nächsten zwei, drei Jahre anzupassen und so zu einem freien Zugang zu Bildung zu gelangen, sagt Wits-Sprecherin Patel. Das wird den Studenten der "FeesMustFall"-Bewegung vermutlich nicht gefallen. Doch die Frage, wie ein Uni-Betrieb ohne Gebühren finanziert werden soll, ist noch nicht beantwortet. Wits-Sprecherin Patel: "Die Studenten wollen ab sofort keine Gebühren mehr zahlen, das ist nicht machbar."

Mitarbeit: Marc Caldwell