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Politik

Kolumbiens Jugend will den Frieden retten

Tobias Käufer
6. Oktober 2016

Nach dem Nein zum Friedensvertrag sprechen die zerstrittenen Lager miteinander. Auf der Straße fordern die Menschen Einigung und Versöhnung. Tobias Käufer hat mit ihnen gesprochen.

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Kolumbien Friedensdemo
Bild: Kaeufer/Moser

"Wir sind für den Frieden hier. Gemeinsam. Wir stehen nicht auf der Seite des Ja-Lagers, aber auch nicht auf der Seite der Nein-Sager. Wir stehen auf der Seite des Friedens für unser Land“, sagt Studentin Laura Torres (24) in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Sie trägt ein weißes T-Shirt und hält eine weiße Kerze in der Hand - wie fast alle der vielen tausend, überwiegend jungen Menschen, die dem Marsch des Friedens gefolgt sind. Sie wollen dem Friedensprozess in ihrem Land neuen Schwung verleihen, nachdem eine knappe Mehrheit der Kolumbianer einen Friedensvertrag per Referendum abgelehnt hatte. Fast vier Jahre lang war verhandelt worden. Vor allem zu geringe Strafen für schwere Verbrechen der linken Rebellen und ihre Integration in die politischen Strukturen des Landes störten die Gegner des Abkommens.  

Torres wünscht sich eine politische Lösung, eine Versöhnung der beiden Lager. Der hauchdünne Wahlsieg des Nein-Lagers hat für eine tiefe Polarisierung im Land gesorgt. Aber auch für einen Weckruf, glaubt Torres. "Wir müssen einen Weg finden, wie wir gemeinsam zu einem Abkommen finden, das alle unterschreiben können."

Das ist auch die Motivation von Santiago Jaimes. Er versucht in deutscher Sprache zu erklären, was zum Frieden fehlt: "Eigentlich wollen ja beide Seiten einen Friedensvertrag mit der FARC. Das Ja- und das Nein-Lager. Jetzt müssen wir einen Kompromiss finden", sagt der 26 Jahre alte Student im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er hat sich ein weißes Stirnband mit dem Schriftzug "Paz", also Frieden, um den Kopf gebunden. 

 

Kolumbien Friedensdemo
Einfach Frieden - das ist es, was die Studenten wollenBild: Kaeufer/Moser

Neue Dynamik und ein wichtiges Treffen

Das Nein zum Friedensvertrag hat eine Dynamik in die Debatte um eine nachhaltige Lösung des Konfliktes gebracht. Am Mittwoch sorgte die Ankunft von Ex-Präsident Alvaro Uribe vor dem Präsidentenpalast für hektische Betriebsamkeit. Der rechtskonservative Hardliner ist der prominenteste Gegner des Friedensvertrages. Er regierte Kolumbien von 2002 bis 2010. Nach dem Sieg seines Lagers erwartet die Regierung nun konkrete Vorschläge. Hunderte Journalisten warteten mit Spannung auf das Krisentreffen mit Präsident Juan Manuel. Es ist das erste direkte Aufeinandertreffen der ehemaligen politischen Mitstreiter seit fast sechs Jahren.

Kolumbien Juan Manuel Santos und Alvaro Uribe
Sprechen immerhin über ein Friedensabkommen: Präsident Santos (r.) und der Gegner des bisherigen Abkommens, UribeBild: Picture-Alliance/E. Herrera/Colombia's presidencial press office

Am Ende bedankt sich Santos dafür, dass "Uribe und seine Begleiter zur Verfügung stehen", um einen Weg aus der Krise zu finden. Und Uribe sieht bei Santos Bewegung, um Korrekturen in den Vertrag einzubauen. "Ein Frieden, in den das ganze Volk involviert ist, ist besser als ein schwaches Abkommen nur mit der Hälfte der Bürger." Bogotas immer noch populärem Ex-Bürgermeister Antanas Mockus geht das nicht weit genug. Er rief Uribe dazu auf, endlich zu agieren, statt ständig zu kritisieren. Das Volk habe ihm mit der Abstimmung den Auftrag gegeben, sich aktiv einzubringen in diesen Friedensprozess.

Kolumbien Friedensdemo
Die Zahlen machen es deutlich: Kolumbien will FriedenBild: Kaeufer/Moser

Viel hängt von der FARC ab

Präsident Santos steht nun vor der schwierigen Aufgabe, das ausgehandelte Paket mit der FARC aufzuschnüren und sie mit den neuen Forderungen Uribes zu konfrontieren. Außenministerin Maria Ángela Holguin ist allerdings nicht ganz so zuversichtlich. "Die FARC wird nicht ihre Waffen abgeben, um ins Gefängnis zu gehen", warnt sie vor übertriebenen Erwartungen. Ohne die FARC gehe bei diesen Verhandlungen nun einmal nichts.

Für diese Detailfragen haben die Studenten Santiago Jaimes und Laura Torres am Abend eines spannenden Tages in Bogota allerdings keine Zeit. Mit ihren Kerzen in den Händen ziehen sie in der Masse zum Plaza Bolivar, dem wichtigsten Platz der Stadt und rufen "Friedensabkommen jetzt." Es scheint, als entstehe hier endlich die Friedensbewegung, die Kolumbien so lange gefehlt hat.