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Politik

Elmar im Schlafrock

24. Januar 2017

Elmar Brok, CDU-Europaabgeordneter seit 37 Jahren, hat sein Amt als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses abgegeben. Weiter streiten für Europa will er trotzdem, notfalls im Morgenmantel. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Screenshot Elmar Brok Interview im Morgenmantel
Zur Not ohne Krawatte: Brok liefert ein Statement für die ARD-NachrichtenBild: NDR

Nach einem harten Sitzungstag im Europäischen Parlament in Straßburg hat der Christdemokrat manchmal auch noch Zeit für einen hintergründigen Plausch mit Journalisten. Und Hunger hat er auch, großen Hunger. Gut gelaunt betrat Elmar Brok vor einigen Jahren ein Straßburger Restaurant, bestellte eine Schlachtplatte mit Sauerkraut. Wir Korrespondenten am Tisch dachten, die Würste und Kasslerscheiben, die nun aufgetragen wurden, seien für alle gedacht. Nicht ganz. Elmar Brok murmelte grinsend in seinen Schnauzbart: "Ah, da ist ja mein Essen!" und zog die Platte zu sich heran.

Es war eine meiner ersten Begegnungen mit dem altgedienten Europa-Abgeordneten, der seit 1980 immer wieder gewählt wurde. Inzwischen ist er der Dienstälteste der 751 Europa-Abgeordneten. Brok hat ein einnehmendes Wesen und einen unglaublichen Erfahrungsschatz, von dem viele Abgeordnete, aber auch Journalisten im Dunstkreis des Parlaments profitieren.

Elmar Brok teilt gerne, vielleicht nicht das Sauerkraut, aber doch seine Erkenntnisse und Ansichten. Er ist beliebt in Straßburg und Brüssel, weil er zugänglich ist. Er redet zu fast jedem europäisch relevanten Thema, gibt Interviews am Fließband und gehört in Deutschland zu den Talkshow-Königen. Ständig ist er bei "Hart aber fair", Maischberger, Anne Will oder anderen Talkrunden zu Gast, um Europa zu erklären und zu verteidigen.

Deutschland Elmar Brok bei "Hart aber Fair"
Brok vertritt seine Ansichten häufig in TV-Talkshows, hier in "Hart aber fair" mit der Grünen-Politikerin Terry ReintkeBild: picture alliance/dpa/H. Galuschka

Und wenn es eilig ist oder Brok mal wieder zu spät zum Termin auftaucht, scheut er sich auch nicht, im Morgenrock vor die Kamera zu gehen. Hauptsache, die Botschaft kommt rüber. Mit seiner ungewöhnlichen Kleidung schaffte er es 2014 sogar in die Satiresendung "Extra3" im Norddeutschen Rundfunk.

Gefragter Gesprächspartner

Broks Terminkalender war bislang stets prall gefüllt. Er ist stolz, dass US-amerikanische Senatoren mit ihm reden, Minister aus allen möglichen Staaten Termine mit ihm ausmachen wollen und er einen guten Draht zu Politikern hat - zum Beispiel in der Ukraine. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel soll seinen Rat suchen, berichtet sein Umfeld.

Helmut Kohl, der ehemalige Bundeskanzler und politische Lehrer Broks, tat das sicher. Die Erweiterung der EU, damals in den 1990er Jahren, hat Kohl mit Brok zusammen vorangetrieben. In seinem Brüsseler Büro hat Elmar Brok die Bilder von damals und vom Mauerfall hängen. Manchmal steht er sinnierend mit Besuchern davor und brummelt: "Das waren noch Zeiten."

Deutschland Elmar Brok im DW Interview mit Zhanna Nemtsova
Auch in der DW häufig als Interviewpartner zu Gast: Brok bei Zhanna Nemtsova (DW Russisch)Bild: DW

Zweimal saß Elmar Brok für insgesamt 13 Jahre dem Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments vor. Er hat die Welt bereist, Strippen gezogen, versucht, im Nahen Osten zu vermitteln und auf dem Maidan in Kiew der damaligen Opposition zu helfen. Den Posten als "Chefdiplomat" des EU-Parlaments hat er an diesem Dienstag geräumt. Im Ausschuss-Vorsitz folgt dem 70 Jahre alten Brok ein Jüngerer nach. Seiner Abwahl blieb Brok fern. Er war wieder einmal unterwegs und besuchte die Trauerfeier in Berlin für den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog.

Platz machen

David McAllister (46) wurde vom Auswärtigen Ausschuss per Akklamation zum Vorsitzenden gewählt. Der jüngere CDU-Politiker soll auf Wunsch der Parteiführung aufgebaut werden, heißt es. McAllister war Ministerpräsident von Niedersachsen, verlor eine Wahl und ging anschließend nach Straßburg und Brüssel. CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel soll ihm noch gewogen sein, heißt es aus seiner Umgebung. Vielleicht brauche man ihn nach den Bundestagswahlen im Herbst in Berlin.

Er gehe freiwillig, betonte Elmar Brok im Interview mit der Zeitung in seinem Heimatwahlkreis, der "Neuen Westfälischen": "Das war schon seit zweieinhalb Jahren abgesprochen." Er sei lange genug Ausschussvorsitzender gewesen. "Jetzt will ich mal was anderes machen." Europaabgeordneter will Brok, den andere Zeitungen gerne als europäisches Urgestein bezeichnen, aber vorerst bleiben.

Ob der schwergewichtige Westfale sein politisches Gewicht bei der nächsten Europawahl noch einmal in die Waagschale wirft und kandidiert, lässt er offen. "Dann bin 73. So alt war der erste Kanzler Adenauer, als er Bundeskanzler wurde", pflegt Brok auf entsprechende Fragen zu sagen.

Deutschland Elmar Brok auf dem Brüsseler Oktoberfest
Spaß haben und netzwerken: Elmar Brok (li.) beim Oktoberfest in Brüssel (2015)Bild: picture alliance/dpa/F. Kindermann

Vielleicht ist er auch irgendwann all der Krisen müde, mit denen sich die EU derzeit herumschlägt. Brok hat nicht nur Freunde. Auf seiner Facebook-Seite dümpeln unter seinen Einträgen gehässige und beleidigende Kommentare, die ihm vorwerfen, er habe sich auf Kosten der Steuerzahler eine fette Wampe angefressen, sei bedeutungslos und überschätze sich selbst.

Ein Leben nach dem Vorsitz

Elmar Brok lässt es geschehen. Er hat ein dickes Fell, liebt klare Worte, kann einstecken, aber auch austeilen. In oft kurzen, hingebellten Sätzen verpackt er vernichtende Kritik an europäischen Staats- und Regierungschefs. "Wenn die Sonne scheint, waren es Berlin oder London, wenn es regnet, war es Brüssel. So geht das nicht", hat Brok dem Europäischen Rat dutzendfach ins Stammbuch geschrieben.

Zuhause im Wahlkreis ist er beliebt. Beim Neujahrsempfang der CDU in seinem Geburtsort Verl wetterte er kürzlich gegen Russlands Präsidenten Putin, der in den USA die Wahl beeinflusst habe: "Jetzt versucht er das bei uns." Mit geballter Faust fügte Brok hinzu: "Wir lassen uns aber nicht manipulieren."

Er kann klar reden, manchmal aber, vor allem wenn er müde oder nachdenklich wird, nuschelt er Sätze nach hinten weg, so dass ganze Worte verschluckt werden. "Wir stehen vor großen Herausforderungen", sagt er in Verl. "Das sagen wir immer", fügt er verschmitzt an und nuschelt dann noch: "Aber diesmal stimmt es."

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union