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DW-Journalisten über die Flüchtlingsberichterstattung

Charlotte Hauswedell | Manasi Gopalakrishnan
21. Juli 2017

Zu unkritisch, zu positiv: die Berichterstattung deutscher Medien über den Flüchtlingszuzug war nicht neutral, so eine aktuelle Studie. Wie haben ausländische Journalisten der DW die Nachrichten empfunden? Eine Umfrage.

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Deutschland Flüchtlinge bei Wegscheid
Haben deutsche Medien zu positiv über Flüchtlinge berichtet? Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Deutsche Printmedien haben schön geredet und über den Flüchtlingsandrang zwischen 2015 und 2016 nicht ausgewogen berichtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Hamburg Media School und der Universität Leipzig, für die tausende Zeitungsartikel ausgewertet wurden. Im Tenor habe man sich der Euphorie der sogenannten Willkommenskultur angeschlossen und die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland unkritisch und befürwortend beschrieben, heißt es.

Wie sehen das ausländische DW-Journalisten, die aus Deutschland für Menschen in Nahost, Nordafrika oder Asien berichten? Wie haben sie die deutsche Berichterstattung empfunden? Und wie hätte die Presse in ihren Heimatländern in einem solchen Fall berichtet?

"Das Gefühl, die Medien seien gleichgeschaltet"

Hasan Hussain, Redakteur in der arabischen Redaktion, zeigt sich von der Berichterstattung in Deutschland enttäuscht: "Ich hatte das Gefühl, dass die Medien gleichgeschaltet waren. Dass sehr einseitig über Flüchtlinge berichtet wurde und die Sachlichkeit auf der Strecke geblieben ist." Seit 40 Jahren lebt Hussein in Deutschland, täglich liest er mehrere deutsche Tageszeitungen. "In diesem Fall war der pluralistische Charakter Deutschlands abhanden gekommen."

Anfangs habe er die euphorische Berichterstattung jedoch befürwortet. "Deutschland brauchte dieses Bild und es stimmte auch mit der Realität überein. Viele Menschen wollten helfen, haben geholfen. International war es wichtig: Deutschland konnte zeigen, dass es in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen." Einen Vergleich mit den Medien in seiner Heimat Irak möchte er nicht ziehen. "Die Medien in meiner Heimat Irak sind nicht frei. Sie sind gekauft und berichten nur das, was vorgegeben wird", sagt Hussain.

Flüchtlinge Deutschland Plakat Angela Merkel Bayern München Bahnhof
Für viele ankommende Flüchtlinge war die deutsche Bundeskanzlerin ein großes VorbildBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

"Für mich gab es keine Diskrepanz"

"Die Berichterstattung war betont sympathisierend und ich habe diese Einstellung auch geteilt. Nach meinem Empfinden entsprach das der Stimmung im Land", sagt Zoran Arbutina, Redakteur der Südosteuropa-Redaktion. "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es richtig war - sowohl dass Deutschland so viele Flüchtlinge aufgenommen hat als auch wie darüber berichtet wurde. Für mich gab es keine Diskrepanz."

In seinem Heimatland Kroatien, erzählt er, habe man die Berichte aus Deutschland mit Erstaunen wahrgenommen und sich teilweise gefragt, was dahinter steckt. Die kroatische Berichterstattung war anders: "In Kroatien wurde mit Respekt und Distanz berichtet - man erinnerte sich an die Zeiten der Jugoslawien-Kriege und die Flüchtlingsströme damals."

"Deutschland als humanitäre Macht"

"Die Berichterstattung war sehr intensiv und unstrukturiert. Es war wie eine Lawine - kaum einer glaubte, dass Deutschland eine solche Solidarisierungswelle erfasst hatte", sagt Loay Mudhoon, verantwortlicher Redakteur der Internetseite Qantara.de, einem Projekt der Deutschen Welle. "Es wurden nicht viele Fragen gestellt am Anfang. Alle waren ergriffen von diesem Klima. Natürlich hätte man damals fragen können: Kann das Land das verkraften? Doch niemand wusste, wie lange das andauern würde. Später wurden diese Fragen dann auch gestellt. Als Journalist kann ich den Medien keinen Vorwurf machen. Es war eine einmalige historische Situation, in der das Land die Möglichkeit hatte, ein zivilisiertes Gesicht zu zeigen."

Die Berichterstattung wurde in seiner Heimat Palästina und weit darüber hinaus mit Faszination wahrgenommen, erklärt Mudhoon. "Die Willkommenskultur hat einen sehr positiven und nachhaltigen Eindruck im gesamten arabischen Raum hinterlassen. Deutschland wird als zivile, humanitäre Macht wahrgenommen: ein Land, das menschliche Verantwortung übernommen hat."

Deutschland Flüchtlinge kommen am Bahnhof Schönefeld an
"Deutschland hatte die Möglichkeit, sein zivilisiertes Gesicht zu zeigen"Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

"Hilfsbereitschaft selbst erlebt"

"Persönlich finde ich, dass die Berichterstattung sehr authentisch war", sagt Adnan Ishaq, Redakteur der Urdu-Redaktion. "Was die Medien berichtet haben, war genau das, was passiert war. Ich habe die große Hilfsbereitschaft der Menschen selbst erlebt. Es wurde auch offen diskutiert, wie man die Grenze hätte besser kontrollieren können."

Mit seiner Heimat Pakistan ließe sich die Situation nicht vergleichen: Als 1979 die Russen nach Afghanistan einmarschierten, flüchteten zwar auch viele Menschen aus Afghanistan in sein Heimatland. Doch die Ausgangslage war ganz anders: "Die meisten afghanischen Flüchtlinge waren Muslime. Wenn die Religion gleich ist, dann ist die Einstellung ganz anders."

"Einen guten Job gemacht"

"Ich habe es als positiven Ruck empfunden, der durch Deutschland ging und der sich auch in den Medien widergespiegelt hat", erklärt Rainer Sollich, Leiter der arabischen Online-Redaktion. "Ich kann den Vorwurf nicht nachvollziehen, dass naiv vorgegangen wurde. Denn es gab immer auch jene Pressestimmen, die vor den Problemen eines Flüchtlingsandrangs und Zuwanderung gewarnt haben. Deshalb wundert mich der Vorwurf, dass einseitig berichtet wurde. Ich denke, dass die deutschen Medien insgesamt einen guten Job gemacht haben."