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Bitcoin im Höhenrausch

Insa Wrede
17. Oktober 2017

Zwar fristen Bitcoins ein Nischendasein, aber immer mehr wollen die Cyberwährung und treiben so den Kurs. Die große Frage bleibt: Sind Bitcoins eine lukrative Anlagemöglichkeit oder platzt bald die Blase?

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Bitcoin-Kurs bricht nach Hack gegen Tauschbörse Bitfinex ein
Bild: picture alliance/AP Photo/M. Lennihan

Wer sich mit der Cyberwährung Bitcoin auseinandersetzt und auch nur den geringsten Hang zur Spielernatur hat, dem dürfte es derzeit kräftig in den Fingern jucken. Noch vor genau einem Jahr bekam man für 1000 Euro etwas über 1,7 Bitcoin. Heute könnte man diese 1,7 Bitcoin gegen mehr als 8000 Euro tauschen.

Glücklich sind diejenigen, die gleich zu Anfang Bitcoins gekauft haben - zumindest wenn sie sie auch lange genug aufbewahrt haben. Zwar hat es immer wieder Kurseinbrüche gegeben, aber über die vergangenen Jahre hat sich der Bitcoin-Kurs kräftig nach oben entwickelt. Besonders in diesem Jahr sind die Wertsteigerungen immens. Allein in der letzten Woche ist der Kurs um 17 Prozent gestiegen und konnte die 5700-US-Dollar-Marke überspringen.

Infografik Bitcoin Wechselkurs Euro 2015 - 2017 DEU

Goldene Regel: Bei hohen Gewinnen gibt es ein hohes Risiko

Wem jetzt schon Dollarzeichen in den Augen leuchten, der sei jedoch gewarnt. Denn ob die Kursralley so weiterläuft wie bisher, ist natürlich überhaupt nicht sicher. Im Gegenteil gilt die Kryptowährung als außerordentlich unsicher.

Und das obwohl sie gerade als Reaktion auf die Finanzkrise geschaffen wurde. Vor knapp zehn Jahren hatte eine Person oder eine Personengruppe unter dem Pseudonym "Stoshi Nakamoto" Bitcoin entwickelt. Ziel war es, eine von Staaten, Zentralbanken und anderen Finanzinstituten unabhängige Währung zu schaffen. In der Tat garantiert für Bitcoin kein Staat und keine Bank und es steht auch kein Gegenwert wie Gold hinter der Währung. Vielmehr ist Bitcoin eine rein virtuelle Währung, die dezentral im Internet von den Nutzern erzeugt und verwaltet wird. Alle jemals getätigten Transaktionen werden kryptografisch verschlüsselt in einer dezentralen Datenbank aufbewahrt - in der sogenannten Blockchain. Über Internet-Plattformen können Bitcoins gegen klassische Währungen gehandelt werden.

"Bitcoin-Bazooka" wie beim Euro - nicht möglich

Das A und O für das Funktionieren der Kryptowährung ist das Vertrauen der Nutzer. Das gilt zwar auch für anderes Geld. Denn seitdem kein Gold mehr hinter den ausgegebenen Währungen steht, haben Währungen nur solange einen Wert, solange Menschen den Institutionen vertrauen, die das Geld ausgeben und aufbewahren. Hinter Bitcoin steht aber keine Institution, sondern nur eine Software. Bricht also die Nachfrage ein, würde niemand den Kurs des Bitcoin stabilisieren wie es beispielsweise die Europäische Zentralbank beim Euro getan hat. Das Geld, das in Bitcoin angelegt wurde, wäre einfach weniger oder es wäre ganz weg. Steigt dagegen die Nachfrage, steigt auch der Wert - vorausgesetzt, das Angebot an Bitcoins wird nicht ebenfalls ausgeweitet. 

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Physische Münzen einer digitalen Währung? Die von Firmen hergestellten Bitcoin-Münzen enthalten einen privaten Schlüssel, mit dem man online ein Bitcoin kontrollieren kann. Der private Schlüssel ist auf einer Karte, die sich im Innern der Münze befindet und geschützt ist.Bild: picture-alliance/AP Photo

Das Angebot an Bitcoins ist aber begrenzt, obwohl es nicht durch Politiker oder eine Bank festgelegt wird. In gewissem Umfang können die Nutzer mit Hilfe einer speziellen Applikation wie den kostenlosen "Bitcoin Miner" selber Bitcoins schaffen. Dazu sind mittlerweile aber nur noch spezielle Hochleistungsrechner in der Lage und die brauchen Unmengen an Strom.

Der Großteil der Bitcoins wird in China produziert, unter anderem weil das Schürfen der digitalen Münzen viel Strom frisst und dieser dort günstig zu haben ist. Wichtig ist aber, das die Gesamtmenge aller Bitcoins durch die zu Grunde liegende Software auf 21 Millionen begrenzt. Mehr als drei Viertel dieser Menge wurde bereits geschaffen.

Bitcoin – nicht alle Länder sind offen

Während das Angebot also relativ starr ist, ist die Nachfrage beständig gestiegen. Gründe dafür gibt es viele. Ein großer Treiber der jüngsten Preisrally ist Japan. Dort wurde der Bitcoin Anfang April zum offiziellen Zahlungsmittel neben dem Yen erklärt. Ebenso gibt es in Australien ähnliche Diskussionen. Zudem wächst die Zahl der Unternehmen, die Bitcoin akzeptieren. Auch politische Unsicherheiten und Währungskrisen bringen Anleger dazu, herkömmliche Währungen gegen Bitcoin zu tauschen. Negative Zinsen auf hohe Bargeldbestände und die allgemeine Hoffnung auf Kursgewinne machen Bitcoin auch für institutionelle Investoren attraktiv.

Aber nicht überall sind Bitcoins gern gesehen. Der weltweit größte Handelsplatz China hatte den Zugang zu den Währungen erheblich eingeschränkt und die speziellen Bitcoin-Handelsplätze machten ihre Pforten dicht. Vor allem Kapitalflucht ins Ausland will die Regieurng durch strengere Regulierung virtueller Währungen bekämpfen. Zudem kritisieren nicht nur die Chinesen, dass die Anonymität der Transaktionen bei digitalen Kryptowährungen kriminelle Aktivitäten wie Geldwäsche, Drogenhandel und illegale Kapitalbeschaffung begünstigt.

Auch Russland will den Handel mit dem per Computer geschaffenen Geld einschränken. So soll der Zugang zu bestimmten Internetseiten, die Kryptowährungen anbieten, blockiert werden. Als Grund sagte der stellvertretende Zentralbankchef Sergej Schwezow, die Nutzung dieser Währungen sei für Bürger und Unternehmen sehr riskant. Während die chinesischen Beschränkungen den Kurs einbrechen ließen, erwartet Analyst Timo Emden vom Brokerhaus IG keine größere Kurseinbrüche durch die Beschränkungen in Russland. "Russische Anleger könnten ähnlich wie die benachbarten Chinesen den Griff zu digitalen Währungen auf südkoreanische oder US-Börsen verlegen und den Handel somit lediglich umschichten."

Reaktionen der Bankenwelt

Sollte ein großer Wall-Street-Akteur offiziell in den Handel mit Digitalwährungen einsteigen, könnte das dem Kryptogeld von der Nische in den Mainstream helfen. Die Bankenwelt - eigentlicher Auslöser für die Schaffung der Kryptowährung - steht dem Bitcoin aber abwartend bis ablehnend gegenüber. Jamie Dimon, der die US-Großbank JPMorgan Chase leitet, hatte Bitcoins im September als "Betrug" bezeichnet und prognostiziert, die Währung werde in einem Crash enden. Der jüngste Anstieg der Digitalwährung sei schlimmer als die Tulpenzwiebelblase im 17. Jahrhundert und "werde nicht gut enden". Damit spielte Dimon auf den Tulpenfieberwahn in Holland an, in dessen Zuge die Preise für die Blumenzwiebeln in astronomische Höhen gestiegen waren, bis die Blase letztlich platzte.

Was ist eine Kryptowährung?

Dagegen gibt sich Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein offen für die Kryptowährung Bitcoin. Eine abschließende Bewertung habe er noch nicht, aber er erinnert daran, dass es auch Skepsis gegeben habe, als Papiergeld Gold als Zahlungsmittel verdrängte. Der Zeitung "Wall Street Journal" zufolge prüft die Investmentbank Goldman Sachs zurzeit die Schaffung eines neuen Handelsgeschäfts mit Kryptowährungen. Auch Morgan-Stanley-Chef James Gorman hält Bitcoin für mehr als nur eine Modeerscheinung.

Teilung steht an

Ein weiterer Grund für die gegenwärtige Kursrally ist nach Einschätzung von Analyst Mati Greenspan von der Handelsplattform eToro eine bevorstehende technische Neuerung bei Bitcoin. Die könnte ab Ende Oktober dafür sorgen, dass sich die Ausbreitung der Währung beschleunigt. Die dezentrale Datenbank, die Blockchain, wo alle Überweisungen von Bitcoins verschlüsselt gelagert werden, wird regelmäßig um neue Datenblöcke erweitert. So entstehen lange Ketten von Datenblöcken, die zwar für genaue Dokumentation sorgen, die aber auch immer schwerer zu verarbeiten sind, selbst von Hochleistungscomputern. Damit der Prozess schneller funktioniert, soll Greenspan zufolge die Währung geteilt werden.

Eine solche Teilung gab es bereits. Anfang August wurde die Währung aufgespalten in Bitcoin und Bitcoin Cash. Nun solle zudem Bitcoin Gold entstehen, sagte Greenspan. Auch dieses Mal soll jeder Anleger für einen Bitcoin das abgespaltene Äquivalent geschenkt bekommen. Ein großer Anreiz jetzt Bitcoin zu kaufen, weil Anleger die Aussicht haben, für jeden Bitcoin einen neuen Bitcoin Gold umsonst zu bekommen.

Steht der Crash bevor?

Also doch noch ein bisschen Spielgeld in die Hand nehmen und darauf hoffen, dass auch andere weiterhin an Bitcoin glauben? Lieber nicht so schnell, denn Warnungen vor einem möglichen Crash gibt es fast täglich. Oft wird der Vergleich zur Dotcom-Blase gezogen, die auch stark erwartungsgetrieben war. Die deutsche Bundesbank hat Anleger vor einem Komplettverlust bei Investitionen in Cyber-Währungen wie Bitcoin gewarnt. "Bitcoin ist für die Deutsche Bundesbank kein Geld, sondern ein Spekulationsobjekt", meint Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele. Virtuelle Währungen seien "frei erfunden". Sie vermehrten sich nach einem ausgedachten Schema in virtuellen Systemen. Diese könnten zum Teil "nach dem Belieben einer kleinen Gruppe" geändert oder neu geschaffen werden, warnte Thiele. Er ist im Vorstand der deutschen Zentralbank unter anderem für Bargeld sowie Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme zuständig.

Infografik Bitcoin Transaktionen 2015 - 2017 DEU

Tatsächlich sei der Kursanstieg der vergangenen Jahre mit Fundamentaldaten kaum zu erklären, meint Dirk Schrade von der Bundesbank. Bitcoin habe lediglich einen Tauschwert, bei dem man hoffen muss, dass die Nutzer ihn auch zukünftig akzeptieren. "Da werden Werte aus dem Nichts geschaffen", sagt auch Rob Moffat, Partner bei dem auf Finanzsoftwarefirmen spezialisierten Risikokapitalgeber Balderton. "Da steckt keinerlei Substanz dahinter. Alles basiert auf der öffentlichen Wahrnehmung."

"Auch in Zukunft wird es Turbulenzen geben, zumal derzeit schon eine Preisübertreibung zu erkennen ist", gibt sich Analyst Timo Emden vom Brokerhaus DailyFX optimistisch. "Aber sobald Bitcoin und andere Währungen im Mainstream angekommen sind, ist der Kurs nicht mehr aufzuhalten."

Wirklich? Kenneth Rogoff, der ehemalige Chefvolkswirt des des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist da anderer Meinung. Er glaubt: "Regierungen werden langfristig nicht tolerieren, dass anonyme Transaktionen im großen Stil über Cyberwährungen getätigt werden. Außerdem haben sie ein starkes Interesse, eigene digitale Währungen herauszugeben, die nicht anonym sein werden." Für Bitcoin werde es also nicht leicht sein, langfristig seinen Wert zu behalten, wenn die Anonymität nicht mehr besteht, meint Rogoff.

Trotz aller Warnungen: Bisher boomt das Geschäft mit Cybergeld. Laut Coinmarketcap gibt es inzwischen über 1000 verschiedene Kryptowährungen, von denen Bitcoin nur die größte und bekannteste ist.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion