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Politik

Donald Trump, der Scheinriese

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan
14. November 2017

Aus der Ferne polterte er, in Peking gab er sich handzahm. Donald Trumps erste Asien-Reise zeigte vor allem: Der US-Präsident kann der kommenden Weltmacht China kaum etwas entgegensetzen, meint Thomas Latschan.

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USA Donald Trump Abflug aus Peking
Bild: Reuters/J. Ernst

Dass Chinas Präsident Xi Jinping deutsche Kinderbücher liest, ist eher unwahrscheinlich. Aber wenn, dann würde er bestimmt auch Herrn Tur Tur kennen, eine Figur aus Michael Endes Kinderbuchklassiker "Jim Knopf". Dieser Herr Tur Tur ist ein Scheinriese: je weiter er von einem entfernt ist, desto größer und bedrohlicher wirkt er. Doch je näher man ihm kommt, desto mehr schrumpft er auf Normalmaß zusammen, bis er zum Schluss nur noch als älterer Mann vor einem steht, der niemandem mehr Furcht einflößt.

Kritik nur aus der Ferne

Aus der Perspektive von Chinas Staatschef Xi Jinping hat Donald Trump viel von diesem Scheinriesen. Das hat die jüngste Asien-Reise des US-Präsidenten noch einmal aller Welt vor Augen geführt. Aus sicherer Entfernung, sei es auf dem APEC-Gipfel in Vietnam oder beim ASEAN-Gipfel auf den Philippinen, schaltete der US-Präsident auf Angriff, giftete gegen Chinas Handelspraktiken, etwa gegen die "künstliche Abwertung des Yuan" oder den "massenhaften Diebstahl von geistigem Eigentum". Er drohte den Chinesen mit Wirtschaftssanktionen und Zollschranken.

Twitter Account US-Präsident Donald Trump | China-Reise
Auf Twitter lobte Trump Chinas Präsident Xi als "überaus respektierten und machtvollen Repräsentanten seines Volkes"Bild: twitter.com/realDonaldTrump

Der Kontrast zu seinem Staatsbesuch in China aber könnte größer nicht sein. Da gab sich Donald Trump plötzlich handzahm, lobte den chinesischen Präsidenten in höchsten Tönen und zeigte sich beeindruckt von seiner Machtfülle. Trump änderte zeitweise sogar sein Hintergrundbild bei Twitter: Voller Stolz zeigte er sich dort eine Zeit lang an der Seite Xi Jinpings beim Besuch der Verbotenen Stadt, und er lobte überschwänglich die Willkommenszeremonie, die ihm sein chinesischer Gastgeber bereitete. Trump, der Scheinriese, machte sich selbst klein.

So klein, dass er weltpolitisch eigentlich fast nur noch über seinen eigenen Tellerrand hinausschaut, wenn US-amerikanische Arbeitsplätze bedroht scheinen. Auch gegenüber Asien fehlt den USA unter Trump eine klare Strategie; vor allem seine Pläne gegenüber den "Nationen des Indo-Pazifik" bleiben diffus. Barack Obamas "Pivot to Asia" hatte noch darauf abgezielt, Chinas Nachbarstaaten sicherheits- und wirtschaftspolitisch zu umgarnen und damit die Einflusssphären Pekings einzudämmen. Das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP war hierfür ein wichtiger Baustein. Obama sah es in erster Linie als außenpolitisches Instrument; Donald Trump hingegen fürchtete den Ausverkauf der US-amerikanischen Wirtschaft und kündigte es auf.

Treue Verbündete irritiert

Japan, einer der treuesten Verbündeten, wurde vom US-Präsidenten auf seiner Asienreise wegen seiner angeblich unfairen Handelspraktiken gegeißelt. Die Regierung in Taipeh zitterte Trumps Besuch in Peking sogar förmlich entgegen: Inständig bat Taiwans Präsidentin Tsai den US-Präsidenten, ihr Land gegenüber China am besten überhaupt nicht zu erwähnen, aus Sorge, er könnte den Status Taiwans als Verhandlungsmasse für eine amerikanisch-chinesische Einigung im Nordkorea-Konflikt nutzen.

Latschan Thomas Kommentarbild App
Thomas Latschan, Redakteur am DW-Asiendesk

Die langjährigen Alliierten in der Region reagieren zunehmend irritiert. Die Chinesen hingegen verkaufen sich als verlässliche Partner und nutzen das Machtvakuum, das die USA hinterlassen, gezielt aus: geopolitisch etwa durch den Ausbau von Marinestützpunkten im Südchinesischen Meer. Wirtschaftspolitisch durch massive Investitionen entlang der "Neuen Seidenstraße", die weit nach Europa hineinreicht. Entwicklungspolitisch durch den Auf- und Ausbau der "Asia Infrastructure Investment Bank" (AIIB), die enorme Kredite für Entwicklungs- und Schwellenländer bereitstellt. Und auch kulturpolitisch durch den rasanten Aufbau von immer mehr Konfuzius-Instituten weltweit. Anders als Trump verfolgt Xi Jinping eine klare weltpolitische Strategie. Und so erwächst Chinas Aufstieg zur Weltmacht nicht nur aus der eigenen Stärke. Sondern auch daraus, dass Donald Trump den US-amerikanischen Führungsanspruch in Asien und der Welt freiwillig preisgibt und Amerika immer stärker auf sich selbst zurückzieht - und das, obwohl die USA auf absehbare Zeit noch immer die größte Militärmacht der Welt stellen.

Noch im Wahlkampf war Donald Trump angetreten, Amerika "wieder groß" zu machen. Weltpolitisch aber verwandelt er die einstige Supermacht immer mehr in einen Scheinriesen.

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