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Entspannte Spannung

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Jens Krepela
1. Dezember 2017

Weder Hammergruppe noch Ponyhof - das deutsche Team trifft in der WM-Gruppenphase auf machbare Gegner. Richtige Kracher warten spät. Das ist genau der richtige Spannungsbogen für die WM, meint DW-Redakteur Jens Krepela.

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Russland Moskau WM-Auslosung | Joachim Löw
Bild: Getty Images/Bongarts/M. Hangst

"Erschrocken bin ich nicht." So reagierte Joachim Löw auf die deutschen WM-Gruppengegner Mexiko, Schweden und Südkorea. Zähneklappern klingt anders. Aber was soll er auch sagen? Deutschland geht schließlich als Titelverteidiger ins Turnier, der noch dazu mit einer forschen B-Elf den Confed Cup gewonnen hat. Der Druck des Favoriten ist da. Der Versuch, diesen Umstand klein zu reden, wäre vergeblich.

Abwechslungsreich und interessant

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DW-Redakteur Jens Krepela

Von den denkbaren Szenarien ist das Ergebnis die beste Version. Eine "Hammergruppe" mit Spanien hätte sicher für große Nervosität gesorgt. Zu viel Anspannung zu Beginn des Turniers birgt die Gefahr, dass die Konzentration mit dem Erreichen der K.o.-Phase abfällt. Genau andersherum ist es beim Szenario "Ponyhof". Sich mit entspannter Nachlässigkeit gegen vermeintlich leichte Gegner wie Ägypten und Saudi Arabien ins Turnier zu schleppen, rächt sich spätestens im Achtelfinale.

Nun also das "Erschrocken bin ich nicht"-Szenario. In der Gruppenphase gibt es keinen Gegner, der auf die leichte Schulter zu nehmen wäre. Aber große Vielfalt mit drei Teams aus drei Kontinenten ist zu erwarten. "Völlig unterschiedliche Teams", sagt Thomas Müller dazu, "dementsprechend ist alles dabei. Wir müssen uns auf jedes Spiel neu einstellen." Klingt interessant. Das ist es auch, wir dürfen uns darauf freuen! Danach? Wenn es dumm läuft, kommt dann gleich Brasilien. Die ganz harten Nüsse wie Spanien, Frankreich oder Argentinien erst ab dem Halbfinale. Taktik, spielerische Finesse und kämpferischer Einsatz mögen für eine erfolgreiche WM wichtige Bausteine sein. Die Kunst für Trainer und Mannschaft ist es, die Spannung über die gesamten Turnierwochen aufrecht zu erhalten. Das scheint möglich zu sein. Löw sagt dazu in seiner ganzen Trainerweisheit: "Man muss in jedem Spiel bereit sein, das ist die Lehre, die ich gezogen habe aus den letzten Jahren."

Staatliches Prestigeprojekt 

Und der Blick über den Tellerrand? Die Auslosung ließ schon erahnen, was für ein Sportereignis auf uns wartet. Begleitet von moderner russischer Pop-Musik und volkstümlichem Tanz wurden die Lose nicht etwa in einem Kongresszentrum oder einem Theater gezogen, sondern im Kreml. Dort laufen auch die Fäden für das Turnier zusammen. Es ist ein Prestigeprojekt für Staatschef Wladimir Putin, vergleichbar mit den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014. Nur mit Investitionen von offiziell zehn Milliarden Euro vergleichsweise günstig(er). Es wird ein straff organisiertes Spektakel in größtenteils nagelneuen Arenen. Dass der Funke auf die Russen überspringt und ihnen eine vergleichbare "Sommermärchen"-Stimmung beschert bezweifle ich. Dafür sind die Tickets trotz Extra-Rabatt zu teuer und viele Gastgeber nicht gerade fußballverrückt. Immerhin dürfen Russlands Fans und das Team sich berechtigte Hoffnungen auf das Achtelfinale machen. Sie haben das Szenario "Ponyhof" bekommen. Leider sind auch Russlands Fußballer inzwischen von Doping-Gerüchten umweht, aber das ist eine andere Geschichte. 

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor