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Politik

Nervengas von der Schwiegermutter?

16. März 2018

Russland und der Westen sind in einer Abwärtsspirale des Misstrauens gefangen. Der Mordanschlag auf einen früheren KGB-Spion eint den Westen, der neue Kalte Krieg mit Moskau wird noch kälter, meint Christian F. Trippe.

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UK | Nervengiftattentat auf Sergei Skripal - Ermittler in Schutzkleidung
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Matthews

Russland gibt die verfolgte Unschuld und weist jede Verstrickung in den Mordaschlag auf Sergej Skripal von sich. Der ehemalige KGB-Mann und Doppelagent war mitten im südenglischen Salisbury zusammen mit seiner Tochter vergiftet worden, mit einem Kampfgas, das in der Sowjetunion - und nur dort - entwickelt und hergestellt wurde. Skripal und seine Tochter ringen mit dem Tod. Und die Welt um die Wahrheit.

Die Wahrheit der Briten war nach einer Analyse des Kampfstoffes schnell gefunden: Russland stecke hinter dem Anschlag. Russland, das offenbar ein Exempel an einem abtrünnigen Ex-Spion habe verüben wollen - wieder einmal. Das Russland, das sich nicht scheut, gegen das Recht und gegen alle Regeln zu verstoßen, um Abtrünnigen eine Mahnung zu schicken, die furchtbarer kaum sein könnte. Durch London zieht sich mittlerweile eine Spur toter russischer Exilanten - manche, aber nicht alle von ihnen Dissidenten - die auf gewaltsame Art zu Tode gekommen sind. Den Reigen ungeklärter Todesfälle eröffnete vor zwölf Jahren Alexander Litwinenko. Auch er ein ehemaliger KGB-Mann, vergiftet mit radioaktivem Polonium aus einem russischen Labor. 

Vier Mächte gegen Moskau

Die Wahrheit der Briten ist mittlerweile zur Wahrheit des gesamten Westens geworden: In einer gemeinsamen Erklärung machen US-Präsident Trump, die britische Premierministerin May, Frankreichs Staatschef Macron und Bundeskanzlerin Merkel Russland für den Anschlag verantwortlich. Der Westen tritt also doch noch geschlossen auf, wenn eine Bedrohung von außen wahrgenommen wird.

Trippe Christian F. Kommentarbild App
Christian F. Trippe leitet die Redaktion GesellschaftBild: DW

Doch auf Moskaus Willen zu Wahrheit und Redlichkeit setzt niemand mehr. Sonst hätten die vier die Führung in Moskau nicht derart unverhohlen des Staatsterrorismus bezichtigt. Auch ohne den Fall Skripal ist das Sündenregister Moskaus lang: Der verdeckte, unerklärte und bis heute geleugnete Krieg gegen die Ukraine; das Staatsdoping im olympischen Leitungssport; der Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeuges über der Ostukraine durch eine Rakete aus russischen Arsenalen - in allen diesen Fällen hat die Führung in Moskau gelogen. Sie hat Ermittlungen behindert und mit teilweise hanebüchenen Argumenten dem Westen Provokationen zu unterstellen versucht.

Verschwörung gegen Russland

Auch im Fall Skripal haben die Russen ihre Wahrheit. Für die Führung im Kreml ist klar, dass diese Affäre Teil der globalen anti-russischen Verschwörung ist. Angeblich sollen Land und Präsident mitten im Wahlkampf erschüttert werden. Russische Medien suchen verzweifelt nach Abwegen und Umwegen, auf denen Nowitschok, dieses ur-sowjetische Gift, in den Westen gelangt sein könnte. Und einige Moskauer Medien befassen sich mit der putzigen Theorie, die künftige Schwiegermutter von Julia Skripal könnte den Giftanschlag verübt haben.

Zur Wahrheit des Westens aber muss eines zwingend gehören: Die naturwissenschaftliche Beweiskette für die Herkunft des Nervengases muss ebenso geschlossen sein, wie der Ton der gemeinsamen Erklärung entschlossen ist. Alles andere wäre ein politischer Mega-GAU. Die vier Mächte mit den hinter ihnen stehenden Regierungsapparaten sind sich ihrer Sache sehr sicher. Darin aber liegt keine Einladung mehr an Moskau, sich an der Aufklärung des Falles Skripal zu beteiligen. Moskau gilt nicht mehr als satisfaktionsfähig. Ob das Ende der Abwärtsspirale gegenseitiger Bezichtigungen damit erreicht ist? Es steht zu befürchten: Nein.

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